Maria im Koran

Ich habe mich schon in mehreren Beiträgen mit der Bedeutung Marias, der Mutter Jesu, im Koran beschäftigt. In diesem Text versuche ich eine Zusammenschau aller koranischen Stellen über sie. Die Stellen, in denen Maria nur in der Weise vorkommt, dass Jesus der Sohn Marias genannt wird, werden nicht angeführt.

Die Geburt und Jugend Marias

35 Als ʿImrāns Frau sagte: „Mein Herr, ich gelobe Dir, was in meinem Mutterleib ist, für Deinen Dienst freigestellt. So nimm (es) von mir an! Du bist ja der Allhörende und Allwissende.“ 36 Als sie sie dann zur Welt gebracht hatte, sagte sie: „Mein Herr, ich habe ein Mädchen zur Welt gebracht.“ Und Allah wußte sehr wohl, was sie zur Welt gebracht hatte, und der Knabe ist nicht wie das Mädchen. „Ich habe sie Maryam genannt, und ich stelle sie und ihre Nachkommenschaft unter Deinen Schutz vor dem gesteinigten Satan.“ 37 Da nahm ihr Herr sie auf gütigste Art an und ließ sie auf schöne Weise heranwachsen und gab sie Zakariyyā zur Betreuung. Jedesmal, wenn Zakariyyā zu ihr in die Zelle trat, fand er bei ihr Versorgung. Er sagte: „O Maryam, woher hast du das?“ Sie sagte: „Es kommt von Allah; Allah versorgt, wen Er will, ohne zu berechnen.“ (Sure 3,37-38)

42 Und als die Engel sagten: „O Maryam, Allah hat dich auserwählt und dich rein gemacht und dich auserwählt vor den Frauen der (anderen) Weltenbewohner! 43 O Maryam, sei deinem Herrn demütig ergeben, wirf dich nieder und verbeuge dich zusammen mit den sich Verbeugenden.“ (Sure 3,42-43)

Um die Geburt Marias geht es in diesem Text. Ihr Aufenthalt im Tempel unter der Betreuung Zacharias‘ wird hier thematisiert. Diese koranischen Texte sind offensichtlich von auf das apokryphe Protoevangelium des Jakobus zurückzuführende Überlieferungen beeinflusst. Das gilt auch für den folgenden Abschnitt:

 44 Dies gehört zu den Nachrichten vom Verborgenen, das Wir dir (als Offenbarung) eingeben. Denn du warst nicht bei ihnen, als sie ihre Rohre warfen (, um durch das Los zu bestimmen), wer von ihnen Maryam betreuen sollte. Und du warst nicht bei ihnen, als sie miteinander stritten.

Mehr dazu gibt es hier zu lesen.

Die jungfräuliche Mutter Jesu

In zwei nicht miteinander übereinstimmenden Texten wird im Koran die Ankündigung der Geburt Jesu an Maria erzählt.

45 Als die Engel sagten: „O Maryam, Allah verkündet dir ein Wort von Ihm, dessen Name al-Masīḥ ʿĪsā, der Sohn Maryams ist, angesehen im Diesseits und Jenseits und einer der (Allah) Nahegestellten. 46 Und er wird in der Wiege zu den Menschen sprechen und im Mannesalter und einer der Rechtschaffenen sein.“ 47 Sie sagte: „Mein Herr, wie sollte ich ein Kind haben, wo mich (doch) kein menschliches Wesen berührt hat?“ Er (, der Engel,) sagte: „So (wird es sein); Allah erschafft, was Er will. Wenn Er eine Angelegenheit bestimmt, so sagt Er zu ihr nur: ‚Sei!‘ und so ist sie. (Sure 3,45-47)

16 Und gedenke im Buch Maryams, als sie sich von ihren Angehörigen an einen östlichen Ort zurückzog. 17 Sie nahm sich einen Vorhang vor ihnen. Da sandten Wir Unseren Geist zu ihr. Er stellte sich ihr als wohlgestaltetes menschliches Wesen dar. 18 Sie sagte: „Ich suche beim Allerbarmer Schutz vor dir, wenn du gottesfürchtig bist.“ 19 Er sagte: „Ich bin nur der Gesandte deines Herrn, um dir einen lauteren Jungen zu schenken.“ 20 Sie sagte: „Wie soll mir ein Junge gegeben werden, wo mich doch kein menschliches Wesen berührt hat und ich keine Hure bin.“ 21 Er sagte: „So wird es sein. Dein Herr sagt: ‚Das ist Mir ein leichtes, und damit Wir ihn zu einem Zeichen für die Menschen und zu einer Barmherzigkeit von Uns machen‘. Und es ist eine beschlossene Angelegenheit.“ (Sure 19,16-21)

Über die Unterschiede zwischen beiden Texten untereinander und zum glaubwürdigeren Bericht des Evangelisten Lukas habe ich hier geschrieben.

Dass Maria Jesus als Jungfrau empfangen hat, wird auch in diesen Versen kurz dargestellt:

Und (auch) diejenige, die ihre Scham unter Schutz stellte. Da hauchten Wir ihr von Unserem Geist ein und machten sie und ihren Sohn zu einem Zeichen für die Weltenbewohner. (Sure 21,91)

Und (auch von) Maryam, ʿImrāns Tochter, die ihre Scham unter Schutz stellte, worauf Wir in sie von Unserem Geist einhauchten. Und sie hielt die Worte ihres Herrn und Seine Bücher für wahr und gehörte zu den (Allah) demütig Ergebenen. (Sure 66,12)

Siehe dazu auch diesen Beitrag.

Wenn in Sure 4,171a Jesus das Wort Allahs genannt wird, das er Maria entbot, wird vorausgesetzt, dass Jesus nicht wie andere Menschen aus der Verbindung eines Mannes mit einer Frau entstammt.

O Leute der Schrift, übertreibt nicht in eurer Religion und sagt gegen Allah nur die Wahrheit aus! al-Masīḥ ʿĪsā, der Sohn Maryams, ist nur Allahs Gesandter und Sein Wort, das Er Maryam entbot, und Geist von Ihm. (Sure 4,171a)

Die Geburt Jesu

Die Geburt Jesu wird nur in Sure 19 erzählt. Auch hier wird auf apokryphe Überlieferungen zurückgegriffen.

22 So empfing sie ihn und zog sich mit ihm zu einem fernen Ort zurück. 23 Die Wehen ließen sie zum Palmenstamm gehen. Sie sagte: „O wäre ich doch zuvor gestorben und ganz und gar in Vergessenheit geraten!“ 24 Da rief er ihr von unten her zu: „Sei nicht traurig; dein Herr hat ja unter dir ein Bächlein geschaffen. 25 Und schüttle zu dir den Palmenstamm, so läßt er frische, reife Datteln auf dich herabfallen. 26 So iß und trink und sei frohen Mutes. Und wenn du nun jemanden von den Menschen sehen solltest, dann sag: Ich habe dem Allerbarmer Fasten gelobt, so werde ich heute mit keinem Menschenwesen sprechen.“ 27 Dann kam sie mit ihm zu ihrem Volk, ihn (mit sich) tragend. Sie sagten: „O Maryam, du hast da ja etwas Unerhörtes begangen. 28 O Schwester Hārūns, dein Vater war doch kein sündiger Mann, noch war deine Mutter eine Hure.“ 29 Da zeigte sie auf ihn. Sie sagten: „Wie können wir mit jemandem sprechen, der noch ein Kind in der Wiege ist?“ 30 Er sagte: „Ich bin wahrlich Allahs Diener; Er hat mir die Schrift gegeben und mich zu einem Propheten gemacht. 31 Und gesegnet hat Er mich gemacht, wo immer ich bin, und angeordnet hat Er mir, das Gebet (zu verrichten) und die Abgabe (zu entrichten), solange ich lebe, 32 und gütig gegen meine Mutter zu sein. Und Er hat mich weder gewalttätig noch unglücklich gemacht. 33 Und der Friede sei auf mir am Tag, da ich geboren wurde, und am Tag, da ich sterbe, und am Tag da ich wieder zum Leben auferweckt werde.“ 34 Das ist ʿĪsā, der Sohn Maryams: (Es ist) das Wort der Wahrheit, woran sie zweifeln. (Sure 19,16-34)

Mehr dazu in den Artikeln über die Geburt Jesu in der Bibel und im Koran und über die ersten Worte Jesu. Um die Worte des neugeborenen Jesus über seinen Tod geht es in diesem Artikel.

Möglicherweise spielt auch dieser Vers aus Sure 23 auf die Situation bei der Geburt Jesu an:

Und Wir machten den Sohn Maryams und seine Mutter zu einem Zeichen und gewährten ihnen Zuflucht auf einer Anhöhe mit festem Grund und Quellwasser. (Sure 23,50)

Andere Texte

Maria wurde verleumdet.

[…] 156 und daß sie ungläubig waren und gegen Maryam gewaltige Verleumdung aussprachen, 157 und dafür, daß sie sagten: „Gewiß, wir haben al-Masīḥ ʿĪsā, den Sohn Maryams, den Gesandten Allahs getötet.“ – Aber sie haben ihn weder getötet noch gekreuzigt, sondern es erschien ihnen so. Und diejenigen, die sich darüber uneinig sind, befinden sich wahrlich im Zweifel darüber. Sie haben kein Wissen darüber, außer daß sie Mutmaßungen folgen. Und sie haben ihn mit Gewißheit nicht getötet. (Sure 4,156-157)

In Sure 4 wurden den Juden viele Vorwürfe gemacht, unter anderem, dass sie Maria verleumdet haben. Vielleicht geht es hier darum, dass über Maria behauptet wurde, dass sie Jesus in einer unmoralischen Beziehung empfangen hätte. Um die in diesem Zusammenhang gemachte Behauptung, die Juden hätten Jesus nicht gekreuzigt, geht es in diesem Beitrag.

Polemik gegen christliche Lehren

In Ablehnung der Gottheit Jesu und der Dreieinigkeit wird auf die menschliche Natur Jesu und seiner Mutter hingewiesen.

Ungläubig sind ja diejenigen, die sagen: „Allah ist ja al-Masīḥ, der Sohn Maryams“. Sag: Wer vermag denn gegen Allah etwas (auszurichten), wenn Er al-Masīḥ, den Sohn Maryams, seine Mutter und all diejenigen, die auf der Erde sind, vernichten will? Allah gehört die Herrschaft der Himmel und der Erde und dessen, was dazwischen ist. Er erschafft, was Er will. Und Allah hat zu allem die Macht. (Sure 5,17)

Allah hätte Jesus und seine Mutter vernichten können. Es geht hier vor allem um Jesus (mehr dazu hier), aber seine Mutter wurde auch erwähnt. Gott hat den Messias nicht vernichtet, sondern auferweckt. Auch Maria lebt in der Gegenwart Gottes.

Al-Masīḥ, der Sohn Maryams, war doch nur ein Gesandter, vor dem bereits Gesandte vorübergegangen waren. Und seine Mutter war sehr wahrheitsliebend; sie (beide) pflegten Speise zu essen. Schau, wie Wir ihnen die Zeichen klar machen, und schau, wie sie sich abwendig machen lassen! (Sure 5,75)

Hier wird die Menschheit des Messias und seiner Mutter betont. Beide haben Speise gegessen. Das ist völlig korrekt. Maria ist nur ein Mensch. Doch in ihr ist Gottes ewiges Wort Mensch geworden. Als Mensch musste Jesus Speise zu sich nehmen. Weil er Gott ist, konnte er für alle Menschen zum Brot des Lebens werden.

Zu beachten ist auch das Lob, das Maria im Hinblick auf ihre Wahrheitsliebe ausgesprochen wurde. Das spricht dafür, dass die biblischen Texte über die Empfängnis, Geburt und Kindheit Jesu, die der Evangelist Lukas von Maria empfangen hat, glaubwürdig sind.

Und wenn Allah sagt: „O ʿĪsā, Sohn Maryams, bist du es, der zu den Menschen gesagt hat: ‚Nehmt mich und meine Mutter außer Allah zu Göttern!‘?“, wird er sagen: „Preis sei Dir! Es steht mir nicht zu, etwas zu sagen, wozu ich kein Recht habe. Wenn ich es (tatsächlich doch) gesagt hätte, dann wüßtest Du es bestimmt. Du weißt, was in mir vorgeht, aber ich weiß nicht, was in Dir vorgeht. Du bist ja der Allwisser der verborgenen Dinge. (Sure 5,116)

Zur Frage über Maria in der Dreieinigkeit gibt es einen eigenen Beitrag.

Maria ist ein Zeichen

In diesen bereits zitierten Versen wird Maria gemeinsam mit ihrem Sohn ein Zeichen genannt:

Und (auch) diejenige, die ihre Scham unter Schutz stellte. Da hauchten Wir ihr von Unserem Geist ein und machten sie und ihren Sohn zu einem Zeichen für die Weltenbewohner. (Sure 21,91)

Und Wir machten den Sohn Maryams und seine Mutter zu einem Zeichen und gewährten ihnen Zuflucht auf einer Anhöhe mit festem Grund und Quellwasser. (Sure 23,50)

Maria und ihr Sohn sind ein Zeichen für die Weltenbewohner. Dadurch ist die Behauptung heutiger Apologeten, dass Jesus nur für das Volk Israel gekommen sei, auch vom Koran widerlegt. Wenn Maria ein Zeichen genannt wird, ist sie das nur wegen ihres Sohnes, dem Wort Gottes, das in ihr Fleisch geworden ist.


Das koranische Bild über Maria ist, auch wenn es sehr stark von apokryphen Überlieferungen geprägt wurde, ein sehr positives. Maria war wahrheitsliebend (Sure 5,75), sie war eine Gott demütig Ergebene (Sure 66,12). Sie war von Gott vor allen Weltenbewohnern auserwählt und reingemacht (Sure 3,42). Sie war die jungfräuliche Mutter Jesu. Die Stellung Marias ist auch in der koranischen Darstellung eng mit ihrem Sohn verbunden. Weil ihr Sohn das Wort Gottes in Person ist, den sie als Jungfrau geboren hat, hat Maria auch für den oder die Autoren des Korans eine große Bedeutung gewonnen. Sie ist die einzige im Koran mit ihrem Namen genannte Frau. Die Sure 19 wurde nach ihr benannt. Im Gegensatz dazu schweigt der Koran über die Mutter des angeblich größten Propheten völlig. Die große Bedeutung der Mutter Jesu lässt auf die noch größere Bedeutung ihres Sohnes schließen.

Wir alle – auch Muslime – tun gut daran, uns an das letzte aus dem Mund Marias überlieferte Wort zu halten:

Was er (Jesus) euch sagt, das tut! (Johannes 2,5b)

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