Von Muslimen wird immer wieder auf das Barnabasevangelium als das wahre Evangelium Jesu hingewiesen. Dieses angeblich von Barnabas, einer wichtigen Persönlichkeit der frühen Kirche, verfasste Evangelium habe das wahre Evangelium Jesu bewahrt. Dieses Werk ist aber nur durch eine italienische Handschrift aus dem 16. Jahrhundert und eine unvollständige spanische Handschrift aus dem 18. Jahrhundert überliefert. Im Vergleich zur Überlieferung der kanonischen Evangelien, die auf Handschriften ab dem 2. Jahrhundert zurückgeht, ist das Barnabasevangelim also extrem schlecht bezeugt. Es spricht einiges dafür, dass dieses Werk im 14. Jahrhundert verfasst wurde.
Ich möchte den Text selber sprechen lassen und so die Fehlerhaftigkeit dieses Dokuments aufzeigen. Es handelt sich nicht um eine wissenschaftliche Analyse. Ich habe hier einfach Dinge notiert, die mir bei der Lektüre dieses Werks aufgefallen sind. Manche Gedanken habe ich auch von der italienisch-englischen Ausgabe von Lonsdale und Laura Ragg aus 1907.
Für Verbesserungsvorschläge und Korrekturen bin ich dankbar.
Ich zitiere nach: Das Barnabas Evangelium, übersetzt und herausgegeben von Safiyya M. Linges, 3. Auflage 2014, erschienen im Spohr-Verlag, ISBN 978-9963-40-002-7. Der zitierte Text ist kursiv, meine Anmerkungen in Normalschrift.
Aus dem 3. Kapitel
Es regierte zu jener Zeit in Judäa Herodes auf Befehl des Kaisers Augustus, und Pilatus war Statthalter zur Zeit der Priesterschaft von Hannas und Kajaphas. […]
Im 3. Kapitel geht es um die Geburt Jesu. Damals war Herodes König von Judäa und Augustus römischer Kaiser. Pilatus war von 26-36 n. Chr. römischer Stadthalter, Hannas war jüdischer Hoher Priester von 6-15 n. Chr., Kajaphas folgte seinem Schwiegervater Hannas in diesem Amt für die Periode von 18-36 n. Chr. Da Hannas auch später noch eine bestimmende Rolle innehatte, wurde er auch in den kanonischen Evangelien (Lukas 3,2; Johannes 18,19) Hoher Priester genannt. Doch waren zur Zeit der Geburt Jesu weder Pilatus Statthalter noch Hannas und Kajaphas Hohe Priester.
[…] Als Joseph in Bethlehem ankam, fand er keinen Platz, denn die Stadt war klein und groß die Menge derer, die dort fremd waren, so daß er außerhalb der Stadt eine Unterkunft nahm in einem Stall, der den Hirten als Schutz diente. Als Joseph dort weilte, kam die Zeit, da Maria gebären sollte. Die Jungfrau wurde von einem strahlend hellen Licht umgeben und gebar ihren Sohn ohne Schmerzen. […]
Diesen Text kann man als eine ausschmückende Wiedergabe von Lukas 2,7 sehen. Das strahlend helle Licht stammt aber aus dem Protoevangelium des Jakobus 19,2. Diese Darstellung der Geburt Jesu widerspricht der des Korans, wo es in Sure 19,23 heißt:
Die Wehen ließen sie zum Palmenstamm gehen. Sie sagte: „O wäre ich doch zuvor gestorben und ganz und gar in Vergessenheit geraten!“
Nach dem Koran hatte Maria Wehen, und die Geburt fand nicht in einem Stall, sondern unter einer Palme statt.
Aus dem 9. Kapitel
[…] Am dritten Tag fanden sie das Kind im Tempel, umgeben von Gelehrten, mit denen es das Gesetz erörterte. Und alle waren erstaunt über seine Fragen und Antworten und sagten: „Wie kann er solches Wissen haben, wo er so klein ist und noch nicht lesen kann?“ […]
Dieser Text entspricht Lukas 2,46-48. Es geht um den zwölfjährigen Jesus. Natürlich konnte Jesus wie die meisten seiner jüdischen Zeitgenossen im Alter von zwölf Jahren lesen und kein gelehrter Jude hätte sich darüber gewundert. In Lukas 2,47 steht daher auch nichts darüber, sondern es heißt nur:
Alle, die ihn hörten, waren erstaunt über sein Verständnis und über seine Antworten.
Aus dem 10. Kapitel
Jesus hatte das Alter von dreißig Jahren erreicht, wie er mir selbst sagte, als er mit seiner Mutter auf den Ölberg ging, um Oliven zu sammeln. […]
Jesus wohnte in Nazareth, der Ölberg ist neben Jerusalem. Allein die Luftlinie zwischen diesen beiden Orten beträgt über 100 km. Es ist nicht anzunehmen, dass die Familie Jesu Ölbäume bei Jerusalem besaß.
Aus dem 12. Kapitel
[…] Da stieg Jesus auf den Platz […] und sagte: „[…] Gesegnet sei der heilige Name Gottes, der den Glanz aller Heiligen und Propheten vor allen Dingen erschuf, um ihn für die Rettung der Welt zu entsenden, wie er durch seinen Diener David sprach, der da sagt: ‚Vor Luzifer im Licht der Heiligen erschuf ich dich.‘ […]“
Mit dem „Glanz aller Heiligen und Propheten“ ist Mohammed gemeint. Wenn es im Zitat von „David“ heißt „Vor Luzifer …“, setzt das die lateinische Übersetzung der Vulgata voraus, die Psalm 110,3 „vor dem Morgenstern“ mit ante luciferum wiedergibt. Während Hieronymus damit den Morgenstern gemeint hat, geht es bei „Barnabas“ wohl um Satan. Ferner hat der Autor des Barnabasevangeliums sich die Freiheit genommen, statt genui te („habe ich dich gezeugt“) „erschuf ich dich“ zu schreiben. So hat er einerseits die alttestamentliche Messiashoffnung auf Mohammed bezogen, andererseits das christliche Dogma, dass der Messias „gezeugt, nicht geschaffen“ ist, durch eine Textmanipulation zurückgewiesen. Auf jeden Fall lehrt diese Stelle – wie auch andere Stellen des Barnabasevangeliums – die Präexistenz Mohammeds, eine Lehre, die dem Islam fremd ist.
Aus dem 13. Kapitel
Als einige Tage vergangen waren, hatte Jesus im Geist von dem Wunsch der Priester erfahren, und er stieg auf den Ölberg, um zu beten. […]
Der Engel Gabriel antwortete: „Erhebe dich, Jesus, und gedenke Abrahams, der willens war, Gott seinen einzigen Sohn Ismael zu opfern, um das Wort Gottes zu erfüllen, und als das Messer nicht fähig war, den Sohn zu schneiden, bot er auf mein Wort ein Schaf zum Opfer dar. Ebenso sollst du es tun, o Jesus, Diener Gottes.“ […]
Darauf zeigte ihm der Engel Gabriel ein Schaf, welches Jesus zum Opfer darbrachte […]
Spätestens seit der Reform des Königs Joschija im 7. Jahrhundert vor Christus war für Juden klar, dass sie nur im Tempel in Jerusalem opfern durften (2 Könige 22-23; Deuteronomium 12). Wenn hier Jesus ein Opfer auf dem Ölberg zugeschrieben wird, wird ihm damit auch Ungehorsam gegen das Gesetz des Mose vorgeworfen. Dieser Ungehorsam wäre noch schlimmer gewesen, weil er – aus dem Stamm Juda kommend – gar nicht zur Darbringung eines Tieropfers berechtigt gewesen ist.
Weder die Bibel, noch der Koran berichten eine Kommunikation zwischen Jesus und Gabriel. Anders als Mohammed brauchte Jesus, der das Wort Gottes in Person ist, keinen Vermittler zwischen sich und Gott.
Weiters war „Gabriel“ auch nicht richtig über das Opfer Abrahams informiert. Nach der Bibel war Isaak, der einzige Sohn Abrahams, er, den er liebte, den er opfern sollte (Genesis 22,3). Der Koran nennt in Sure 37,99-113 keinen Namen, erst die spätere islamische Überlieferung deutete diese Stelle auf Ismael. In der Bibel wird Isaak deswegen der einzige Sohn genannt, weil er der Sohn der Verheißung war, mit dem Gott die Heilsgeschichte, die ihren Höhepunkt im Kommen des Messias finden sollte, weiterführen wollte. Auch Muslime behaupten in der Regel nicht, dass Ismael der einzige Sohn Abrahams war. Die Information, dass „das Messer nicht fähig war, den Sohn zu schneiden“, finden wir weder in der Bibel noch im Koran. Hatte „Gabriel“ diese Information aus nachbiblischen Legenden?
Aus dem 19. Kapitel
[…] Die Aussätzigen machten sich auf und wurden unterwegs gereinigt. Und als einer von ihnen sah, daß er geheilt war, kehrte er zurück, um Jesus zu finden, und er war ein Ismaelit.
Die Heilung der zehn Aussätzigen, von denen nur einer zu Jesus zurückkam, um ihm zu danken, finden wir in Lukas 17,11-19. Dort heißt es in Vers 15-16:
Einer von ihnen aber kehrte um, als er sah, dass er geheilt war; und er lobte Gott mit lauter Stimme. Er warf sich vor den Füßen Jesu auf das Angesicht und dankte ihm. Dieser Mann war ein Samariter.
Dass „Barnabas“ aus dem Samariter einen Ismaeliten gemacht hat, zeigt dieselbe Tendenz wie beim Opfer Abrahams im 13. Kapitel.
Aus dem 20. Kapitel
Jesus ging zum See von Galiläa und nahm ein Schiff in Richtung Nazareth, seiner Stadt; […]
Dieser Satz zeigt, dass der Autor dieses Textes mit der Geografie Galiläas nicht vertraut war. Nazareth liegt an keinem schiffbaren Wasserlauf, ca. 25 km westlich der Südspitze des Sees Genezareth (des „Sees von Galiläa“), auf einer Seehöhe von ca. 350 m über dem Meeresspiegel, während der See Genezareth auf 212 m unterhalb des Meeresspiegels liegt.
Aus dem 21. Kapitel
Jesus ging nach Kapernaum […]
Hier hat die Übersetzerin den italienschen Text nicht genau übersetzt. Im Italienischen steht: Ascexe iessu in chafarnau. Die englische Übersetzung gibt das korrekt mit Jesus went up to Capernaum wieder. Von Nazareth, wo das 20. Kapitel spielt, geht man nach Kafarnaum nicht hinauf, sondern hinunter. Wir haben hier ein weiteres Zeugnis für das geografische Nichtwissen des Autors.
[…] Jesus antwortete: „Ich bin nur dem Volk Israel gesandt.“ Da ging die Frau mit ihren Söhnen weinend vor Jesus her und sagte: „O Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!“ Jesus antwortete: „Es ist nicht gut, das Brot aus den Händen der Kinder zu nehmen und es den Hunden zu geben.“ Und dies sagte Jesus wegen ihrer Unreinheit und weil sie vom unbeschnittenen Volk waren.“ […]
Dieser Text erzählt dieselbe Begebenheit wie Matthäus 15,21-28. Nur begibt sich im Barnabasevangelium nicht Jesus in die Gegenden von Tyrus und Sidon, sondern die Frau war aus ihrem Heimatland nach Kafarnaum gekommen, um Jesus zu finden. Dass Jesus hier einen Vergleich mit Hunden zieht, ist ein Standardargument von Muslimen gegen das Matthäusevangelium, weil der echte Jesus das nicht gemacht haben würde. In dem angeblich echten Barnabasevangelium ist das nun aber kein Problem. Es wird hier sogar noch schärfer ausgedrückt, als bei Matthäus. Während nach Matthäus Jesus von „Hündchen“ (κυνάριοι) sprach, steht bei Barnabas „Hunde“ (chani). Jesus hat diese Frau auch nicht direkt „Hund“ genannt. Er hat einen Vergleich gebracht, der gewiss hart war, aber von der Frau verstanden und akzeptiert wurde.
Ganz anders ist das im darauf folgenden Abschnitt aus dem Barnabasevangelium:
Aus dem 22. Kapitel
An jenem Tag befragten die Jünger Jesus und sagten: „O Herr, warum hast du der Frau eine solche Antwort gegeben und gesagt, sie seien Hunde?“ Jesus antwortete: „Wahrlich, ich sage euch, ein Hund ist besser als ein unbeschnittener Mann.“ […]
Hier wird Jesus tatsächlich eine ungeheure Menschenfeindlichkeit in den Mund gelegt. Das erinnert an Sure 98,6:
Gewiß, diejenigen unter den Leuten der Schrift und den Götzendienern, die ungläubig sind, werden im Feuer der Hölle sein, ewig darin zu bleiben. Das sind die schlechtesten Geschöpfe.
Mit Jesus von Nazareth hat dieses Wort allerdings nichts zu tun.
Aus dem 35. Kapitel
[…] Jesus antwortete: „Gott hatte einen Klumpen Erde erschaffen und ihn fünfundzwanzigtausend Jahre lang ruhen lassen, ohne etwas damit zu tun; Satan, der gleichsam Priester und Oberster der Engel war, wußte durch den großen Verstand, den er besaß, daß Gott von diesem Klumpen Erde einhundertvierundvierzigtausend mit dem Zeichen des Prophetentums Versehene nehmen würde sowie den Gesandten Gottes. Und die Seele dieses Gesandten hatte er sechzigtausend Jahre vor allem anderen erschaffen. Da er aber aufsässig war, stachelte er die Engel auf und sagte: ‚Sehet, eines Tages wird Gott wollen, daß diese Erde von uns verehrt wird. Deshalb bedenket, daß wir Geist sind, und deshalb ziemt es sich nicht, dies zu tun.‘
Deshalb wandten sich viele von Gott ab. Da sagte Gott eines Tages, als die Engel alle versammelt waren: ‚Jeder, der mich für seinen Herrn hält, möge sich rasch vor dieser Erde verneigen.‘ Die, die Gott liebten, verbeugten sich; aber Satan und die, die eines Sinnes mit ihm waren, sagten: ‚O Herr, wir sind Geist, und deshalb ist es nicht recht, daß wir diesem Lehm Ehrfurcht erweisen.‘ Als Satan dies gesagt hatte, bekam er ein scheußliches und fürchterliches Aussehen; und seine Gefolgsleute wurden schreckenerregend; denn ihrer Auflehnung wegen nahm Gott die Schönheit von ihnen, mit der er sie ausgestattet hatte, als er sie schuf. Und als die heiligen Engel ihr Haupt erhoben, da sahen wie, welch schreckliche Ungeheuer aus Satan und seinen Gefolgsleuten geworden waren, und in Furcht warfen sie sich mit dem Gesicht zur Erde nieder.
Da sagte Satan: ‚O Herr, du hast mich ungerechterweise zum Unhold gemacht, aber ich bin hierüber zufrieden, denn ich wünsche, alles zunichte zu machen, was du tun wirst.‘ Und die anderen Teufel sagten: ‚Nenne ihn nicht Herr, o Luzifer, denn du bist Herr.‘
Da sagte Gott zu den Gefolgsleuten Satans: ‚Bereuet und erkennet mich als Gott, euren Schöpfer.‘
Sie antworteten: ‚Wir bereuen, daß wir dir jemals Ehrfurcht erwiesen haben, denn du bist nicht gerecht, aber Satan ist gerecht und unschuldig, und er ist unser Herr.‘
Da sagte Gott: ‚Weichet von mir, o ihr Verdammten, denn ich habe keine Gnade mit euch.‘
Und beim Weggehen spuckte Satan auf jenen Klumpen Erde, und jenen Speichel hob der Engel Gabriel auf mit etwas Erde, so daß der Mensch deswegen nun den Bauchnabel hat.“
Dieser Text ist offensichtlich von der Legende beeinflusst, der zufolge Gott von den Engeln verlangte, sich vor Adam niederzuwerfen. Satan weigerte sich und wurde zum Feind Gottes. Diese Legende findet sich in verschiedenen Variationen im Koran (2,30-34; 7,11-18; 15,28-40; 17,61-65; 18,50-51; 20,116; 38,71-85). Außerdem spricht „Jesus“ hier wieder von der Präexistenz Mohammeds. Vor allem wird hier das bislang ungelöste biologische Rätsel geklärt, wie es kommt, dass der Mensch einen Bauchnabel hat. Das passt vortrefflich zu den „wissenschaftlichen Wundern“ im Koran, aber gewiss nicht in den Mund Jesu.
Aus dem 39. Kapitel
[…] Adam sprang auf und sah am Himmel eine Schrift, die strahlte wie die Sonne und besagte: ‚Es gibt nur einen Gott, und Mahomet ist der Gesandte Gottes.‘ Da öffnete Adam den Mund und sagte: ‚Ich danke dir, o Herr, mein Gott, daß du mir die Ehre erwiesen hast, mich zu erschaffen; aber sag mir, ich bitte dich, was bedeutet die Botschaft dieser Worte: »Mahomet ist der Gesandte Gottes«? Hat es vor mir andere Menschen gegeben?
Da sagte Gott: ‚Sei mir willkommen, o mein Diener Adam. Ich sage dir, daß du der erste Mensch bist, den ich erschaffen habe. Und der, von dem du sprachst, ist dein Sohn, der viele Jahre später in die Welt kommen und mein Gesandter sein wird, für den ich alle Dinge erschaffen habe; der der Welt Licht geben wird, wenn er kommt; dessen Seele in himmlischen Glanz gesetzt wurde sechzigtausend Jahre, bevor ich irgend etwas machte.‘
Adam bat Gott und sagte: ‚Herr, erfülle mir die Bitte, dies auf die Nägel der Finger meiner Hände zu schreiben.‘ Da gab Gott dem ersten Menschen jene Schrift auf seine Daumen; auf dem Daumennagel der rechten Hand stand geschrieben: ‚Es gibt nur einen Gott!‘ Und auf dem Daumennagel der linken stand geschrieben: ‚Mahomet ist der Gesandte Gottes.‘ Da küßte der erste Mensch jene Worte mit zärtlicher Zuneigung und rieb seine Augen und sagte: ‚Gesegnet sei der Tag, da du in die Welt kommen wirst.‘ […]
„Barnabas“ ließ „Jesus“ auch über die Erschaffung des Menschen sprechen. Der erste Mensch war in der Lage, im ersten Augenblick seiner Existenz etwas zu tun, was Mohammed niemals konnte: lesen. Und er las das islamische Glaubensbekenntnis. Wiederum wird hier die Präexistenz Mohammeds gelehrt.
Aus dem 40. Kapitel
[…] Da nahm Eva und aß von jenen Früchten, und als ihr Mann erwachte, erzählte sie alles, was Satan gesagt hatte, und er nahm von dem, was seine Frau ihm anbot, und aß. Und dann, als er im Begriff war, das Essen hinunterzuschlucken, erinnerte er sich der Worte Gottes; daher wollte er das Essen anhalten und steckte sich die Hand in den Schlund, wo jeder Mann das Zeichen hat.
„Jesus“ hat nicht nur das Rätsel des Bauchnabels erklärt. Wir wissen nun auch, wie der Adamsapfel entstanden ist, falls das Barnabasevangelium echt ist, schon Jahrhunderte bevor mittelalterliche Legenden dieselbe Geschichte erzählten.
Aus dem 42. Kapitel
[…] Darum schickten sie die Leviten und einige der Schriftgelehrten, ihn zu befragen, und sie sagten: „Wer bist du?“
Jesus bekannte und sagte die Wahrheit: „Ich bin nicht der Messias.“
Sie fragten: „Bist du Elias oder Jeremias oder einer der früheren Propheten?“
Jesus antwortete: „Nein.“
Da sagten sie: „Wer bist du? Sag es, damit wir denen Auskunft geben, die uns schickten.“
Da sagte Jesus: „Ich bin eine Stimme, die durch ganz Judäa ruft, und sie ruft: ‚Bereitet den Weg für den Gesandten des Herrn‘, so wie es bei Jesaja geschrieben steht.“
Diese Szene erinnert stark an Johannes 1,19-23, wo aber nicht Jesus, sondern Johannes der Täufer gefragt wurde.
19 Und dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden von Jerusalem aus Priester und Leviten zu ihm sandten mit der Frage: Wer bist du? 20 Er bekannte und leugnete nicht; er bekannte: Ich bin nicht der Christus. 21 Sie fragten ihn: Was dann? Bist du Elija? Und er sagte: Ich bin es nicht. Bist du der Prophet? Er antwortete: Nein. 22 Da sagten sie zu ihm: Wer bist du? Wir müssen denen, die uns gesandt haben, Antwort geben. Was sagst du über dich selbst? 23 Er sagte: Ich bin die Stimme eines Rufers in der Wüste: Ebnet den Weg für den Herrn!, wie der Prophet Jesaja gesagt hat.
Offensichtlich hat „Barnabas“ Jesus in die Position von Johannes den Täufer versetzt, der in seinem „Evangelium“ nie erwähnt wird. So wie Johannes der Täufer Jesus angekündigt hat, kündigt im Barnabasevangelium „Jesus“ Mohammed an. Höchst erstaunlich ist, dass „Jesus“ bestreitet, der Messias zu sein, wo doch „Messias“ eine der Standardbezeichnungen Jesu im Koran ist. Auch „Barnabas“ selbst nennt Jesus im Vorwort „Christus“:
Barnabas, Apostel des Jesus von Nazareth, genannt Christus, wünscht allen, die auf Erden weilen, Frieden und Trost.
Es scheint für „Barnabas“ nicht klar gewesen zu sein, dass Christos dasselbe bedeutet wie Messias, nämlich, der Gesalbte. Einem Italiener oder Spanier aus dem 14. Jahrhundert mag das nicht klar gewesen sein. Barnabas, der Hebräisch, Aramäisch und Griechisch sprach, konnte so ein Fehler nicht passieren.
Aus dem 43. Kapitel
[…] Und so sagte Jesus: „Jeder, der arbeitet, arbeitet für ein Ziel, in dem er Zufriedenheit findet. Darum sage ich euch, daß Gott, eben weil er vollkommen ist, kein Bedürfnis nach Zufriedenheit hat, da er ja in sich selbst Zufriedenheit hat. Und so, in dem Willen zu arbeiten, schuf er vor allen Dingen die Seele seines Gesandten, für den er beschloß, das Ganze zu erschaffen, damit die Geschöpfe Freude und Segen in Gott finden mögen, weshalb sein Gesandter Freude an allen Geschöpfen finden sollte, die er bestimmt hatte, seine Sklaven zu sein. […]
Wiederum wird die Präexistenz Mohammeds gelehrt.
[…] Denn so versprach Gott dem Abraham und sagte: ‚Siehe, in deinem Nachkommen werde ich alle Stämme der Erde segnen; und so wie du die Götzen in Stücke zerbrochen hast, o Abraham, ebenso wird es dein Nachkomme tun!“
Jakobus antwortete: „O Herr, sag uns, an wen das Versprechen erging; denn die Juden sagen: ‚an Isaak‘, und die Ismaeliten sagen: ‚an Ismael‘.“
Jesus antwortete: „David, wessen Sohn war er, und von welchem Stamm?“
Jakobus antwortete: „Von Isaaks Stamm, denn Isaak war Vater des Jakob, und Jakob war Vater des Juda, von dessen Stamm David ist.“
Da sagte Jesus: „Und der Gesandte Gottes, wenn er kommen wird, von welchem Stamm wird er sein?“
Die Jünger antworteten: „Von Davids Stamm.“
Da sagte Jesus: „Ihr täuscht euch; denn David nannte ihn im Geiste Herr und sagte so: ‚Gott sagte zu meinem Herrn: »Sitze zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zu deiner Fußbank machen werde.« Gott wird deinen Sproß entsenden, der inmitten deiner Feinde herrschen wird.‘ Wenn der Gesandte Gottes, den ihr Messias nennt, Sohn des David wäre, wie sollte David ihn Herr nennen? Glaubt mir, denn ich sage euch wahrlich, daß das Versprechen an Ismael erging, nicht an Isaak.“
Der mittelalterliche „Barnabas“ hat den Dialog von Matthäus 22,41-46, in dem Jesus sagen wollte, dass der Messias größer ist als David, zu einer islamischen Propaganda überarbeitet. Die Thora, in der die Verheißung an Abraham geschrieben war, war die Heilige Schrift der Juden. Araber oder andere Nachkommen Ismaels stellten sich die Frage gar nicht. Überdies ist der Zusammenhang von Genesis 22,18, wo Gott dem Abraham die Verheißung gegeben hat, dass sich in seinem Samen alle Nationen der Erde segnen werden, klar. Es kann dort nur um Isaak gehen, den Abraham bereit war, zu opfern.
Aus dem 59. Kapitel
Und was sagt Hiob, der höchst unschuldige Freund Gottes: ‚Wie der Vogel zum Fliegen geboren ist, so ist der Mensch zum Arbeiten geboren.‘ Wahrlich, ich sage euch, ich hasse Ruhe über alles.
Es handelt sich hier um ein Zitat aus Ijob 5,7:
[…] sondern der Mensch ist zur Mühsal geboren, wie Feuerfunken nach oben fliegen.
Die Version des Barnabasevangeliums entspricht der Vulgata:
Homo nascitur ad laborem, et avis ad volatum.
„Barnabas“ kannte also die Vulgata, kann daher nicht vor Hieronymus gelebt haben.
Aus dem 60. Kapitel
[…] die Verdammten würden ohne Zweifel die weltlichen Kümmernisse wählen, denn die weltlichen kommen aus der Hand des Menschen, die anderen aber aus der Hand von Teufeln, die ohne jedes Mitgefühl sind. […]
Es ist eine Häresie, dass die Verdammten in der Hölle von den Teufeln gequält werden.
Dann wird er zu denen auf der Linken sagen: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist! (Matthäus 25,41)
Der Teufel und seine Engel werden in der Hölle bestraft, nicht als Folterknechte angestellt.
Aus dem 63. Kapitel
[…] Denkt daran, dass Gott die Zerstörung von Ninive beschloß, weil er nicht einen fand, der Gott in jener Stadt fürchtete, die so böse war, daß Gott den Propheten Jonas rief und ihn in jene Stadt schickte. Dieser wäre gern nach Tarsus geflohen aus Furcht vor den Leuten, weshalb Gott ihn ins Meer werfen, von einem Fisch aufnehmen und ihn in der Nähe von Ninive herauswerfen ließ. […]
Auf welchem Weg der Fisch vom Mittelmeer (Jona 1,2) nach Ninive gereist ist, verrät uns „Barnabas“ nicht.
Aus dem 69. Kapitel
[…] ihr wollt als Bürger geehrt werden, aber ihr wollt nicht die Last des Gemeinwesens tragen. […]
Für „Gemeinwesen“ steht im Italienischen ripublicha, also „Republik“. Dieser Begriff würde gut ins mittelalterliche Italien passen.
Aus dem 73. Kapitel
[…] Dennoch ist es nötig, wie der Prophet Salomon sagt, daß ‚Du, mein Sohn, der du gekommen bist, den Herrn zu fürchten, deine Seele gegen die Versuchungen wappnest.‘
Das hat nicht Salomo gesagt, sondern findet sich im apokryphen Buch Jesus Sirach 2,1. In den kanonischen Evangelien gibt es kein einziges Zitat Jesu aus einem apokryphen Buch.
Aus dem 82. Kapitel
[…] Sagte die Frau: „O Herr, vielleicht bist du der Messias.“
Jesus antwortete: „Ich bin in der Tat dem Hause Israel von Gott gesandt als ein Prophet der Befreiung, aber nach mir wird der Messias kommen, von Gott der ganzen Welt gesandt; für ihn hat Gott die Welt gemacht. Und dann wird Gott in der ganzen Welt verehrt werden, und Gnade wird empfangen werden, so daß das Jubeljahr, das nun alle hundert Jahre kommt, durch den Messias in jedem Jahr an jedem Ort stattfinden soll.“ […]
Hier haben wir wieder eine Stelle, an der Jesus leugnet, der Messias zu sein, und Mohammed als den kommenden Messias verheißt, für den Gott die Welt gemacht habe.
Die Stelle ist aber auch für die Datierung des Barnabasevangeliums von Wert. „Jesus“ spricht hier von einem Jubeljahr, das alle hundert Jahre kommt. Das jüdische Jobeljahr gab es alle 50 Jahre (Levitikus 25,11). Im katholischen Bereich rief Papst Bonifaz VIII. das Jahr 1300 als Heiliges Jahr aus, das in Hinkunft alle 100 Jahre stattfinden sollte. Diese Anordnung wurde aber bereits 1343 von Papst Klemens VI. abgeändert, der einen 50-jährigen Rhytmus vorschrieb. Daraus legt sich ein Abfassungsdatum des Barnabasevangeliums zwischen 1300 und 1343 nahe, als tatsächlich die Regel lautete, dass alle hundert Jahre ein Jubeljahr stattfinden sollte.
Aus dem 91. Kapitel
In jener Zeit war ein großer Aufruhr in ganz Judäa wegen der Liebe zu Jesus, denn das römische Heer wiegelte die Hebräer durch das Wirken Satans auf und sagte, Jesus sei Gott, der in die Welt gekommen sei, sie zu besuchen. Daraufhin erhob sich ein so großer Aufstand, daß, als die Vierzig Tage sich näherten, ganz Judäa in Waffen war, so daß der Sohn sich gegen den Vater wandte und der Bruder gegen den Bruder, da einige sagten, Jesus sei Gott, der in die Welt gekommen sei, andere sagten: „Nein, sondern er ist der Sohn Gottes“, und andere sagten: „Nein, denn Gott hat keine Ähnlichkeit mit Menschen und zeugt daher keine Söhne, sondern Jesus von Nazareth ist ein Prophet Gottes.“
[…] Da wurden in Mizpeh drei Armeen aufgestgellt, jede mit zweihunderttausend Männern, die Schwerter trugen. […]
Unhistorischer geht es nicht mehr. Derart massive Truppenbewegungen würden von Geschichtsquellen wie Flavius Josephus bestätigt werden. Das römische Heer hat sich damals mit Jesus überhaupt nicht beschäftigt. Die Römer wurden erst im Prozess Jesu mit ihm konfrontiert. Überdies stellte sich die Frage, ob Gott einen Sohn haben könne, für Juden nicht, da das Alte Testament (z. B. in Psalm 2,7) klar über den Messias als Sohn Gottes spricht. Die Frage war eher, wie diese Gottessohnschaft zu verstehen sei.
Aus dem 96. Kapitel
„[…] Bist du der Messias von Gott, den wir erwarten?“
Jesus antwortete: „Es ist wahr, daß Gott dies versprochen hat, aber ich bin wahrhaft nicht er, denn er ist vor mir gemacht und wird nach mir kommen.“ […]
„So wahr Gott lebt, in dessen Gegenwart meine Seele steht, ich bin nicht der Messias, den alle Völker der Erde erwarten, wie es Gott unserem Vater Abraham versprach, indem er sagte: ‚In deiner Nachkommenschaft werde ich alle Völker der Erde segnen.‘ Aber wenn Gott mich von dieser Welt hinwegnehmen wird, wird Satan wieder diesen verfluchten Aufstand entfachen, indem er die Ungläubigen glauben machen wird, daß ich Gott sei und Sohn Gottes, wodurch meine Worte und meine Lehre verunreinigt werden, so daß kaum dreißig Gläubige übrigbleiben werden. Dann wird Gott Erbarmen mit der Welt haben und seinen Gesandten entsenden, für den er alle Dinge gemacht hat. Er wird mit Macht aus dem Süden kommen und die Götzenbilder sowie die Götzendiener zerstören; […]“
Wiederum wird – im Gegensatz zum Islam – die Messianität Jesu geleugnet und die Präexistenz Mohammeds behauptet. Der Autor hat „Jesus“ einfach seine eigenen Vorstellungen in den Mund gelegt.
Aus dem 97. Kapitel
[…] Da antwortete der Priester und mit ihm der Statthalter und der König, und sie sagten: „Sorge dich nicht, o Jesus, Heiliger Gottes, denn in unserer Zeit wird es diese Unruhe nicht mehr geben, weil wir nämlich dem ehrwürdigen römischen Senat ein Schreiben zusenden werden, das bewirkt, daß dich auf kaiserlichen Befehl hin niemand mehr Gott oder Sohn Gottes nennen wird.“
[…] „Der Name des Messias ist wunderbar, denn Gott selbst gab ihm den Namen, als er seine Seele erschuf und sie mit himmlischem Glanz umgab. Gott sagte: ‚Warte, Mahomet, denn aus Liebe zu dir will ich das Paradies und die Welt erschaffen und eine Schar von Geschöpfen, die ich dir zum Geschenk mache, so daß gesegnet sein wird, wer dich segnet, und wer dich verflucht, verflucht sein wird. Wenn ich dich in die Welt entsende, werde ich dich als meinen Boten des Heils senden, und dein Wort wird wahr sein, so daß Himmel und Erde vergehen werden, dein Glaube aber wird nie vergehen. Mahomet ist dein gesegneter Name.“
Da erhob das Volk seine Stimme und sagte: „O Gott, sende uns deinen Gesandten; o Mahomet, komm schnell zur Rettung der Welt!“
Aus dem 98. Kapitel
[…] und daraufhin hatte der Senat Mitleid mit Israel und ordnete an, daß unter Todesstrafe niemand Jesus den Nazarener, den Propheten der Juden, Gott nennen durfte und auch nicht Sohn Gottes. Dieser Erlaß wurde auf Kupfer eingraviert und im Tempel aufgestellt. […]
Aus dem 105. Kapitel
[…] Ich sage euch denn, daß der Himmel neun sind und daß sie so weit voneinander entfernt sind, wie der erste Himmel von der Erde entfernt ist, dessen Entfernung von der Erde eine Reise von fünfhundert Jahren beträgt, weshalb die Entfernung zwischen der Erde und dem höchsten Himmel eine Reise von viertausendundfünfhundert Jahren beträgt. […]
Auch hier widerspricht „Barnabas“ dem Koran, der nur sieben Himmel (aber auch sieben Erden) kennt.
Allah ist es, Der sieben Himmel erschaffen hat, und von der Erde gleich (viel). Der Befehl (Allahs) kommt wahrhaftig zwischen ihnen herab, damit ihr wißt, daß Allah zu allem die Macht hat und daß Allah ja alles mit Seinem Wissen umfaßt. (Sure 65,12)
Allerdings sprechen auch islamische Quellen über eine Distanz von 500 Jahren zwischen der Erde und den Himmeln. „Barnabas“ scheint sich seinen eigenen Mix zusammengebastelt zu haben.
Aus dem 112. Kapitel
[…] Wisse, o Barnabas, daß ich hierfür große Verfolgung erleiden muß, und von einem meiner Jünger werde ich für dreißig Goldstücke verkauft werden. Aber ich bin sicher, daß der, der mich verkaufen wird, in meinem Namen getötet werden wird, denn Gott wird mich von der Erde hinwegnehmen und das Aussehen des Verräters verwandeln, so daß ihn jeder für mich halten wird; jedoch wenn er eines schlimmen Todes sterben wird, wird diese Schande in der Welt noch lange Zeit über mir sein. Aber wenn Mahomet kommen wird, der heilige Gesandte Gottes, wird jene Schmach hinweggenommen werden. […]
Es waren Silber- nicht Goldstücke. Sonst wird hier nur die islamische Theorie, dass ein anderer für Jesus gekreuzig wurde, schon in den Mund Jesu gelegt. Sogar daran, dass erst Mohammed diese „Wahrheit“ ans Licht bringen würde, hat der Autor dieses Textes gedacht.
Aus dem 114. Kapitel
[…] So werden die Sonne und die anderen Planeten gehalten durch das Gebot Gottes, so daß sie nicht anders können […]
Die Sonne ist ein Planet …
Aus dem 129. Kapitel
[…] Als Jesus in das Haus des Simon hineingegangen war, setzte er sich zu Tisch nieder. Und während er beim Essen war, siehe, da kam eine Frau namens Maria, eine öffentliche Sünderin, in das Haus hinein und warf sich Jesus zu Füßen, wusch diese mit ihren Tränen, salbte sie mit kostbaren Salben und trocknete sie mit dem Haar ihres Hauptes. […]
Es werden hier zwei unterschiedliche Ereignisse vermischt. Maria, die Schwester Marthas, die in Johannes 12,1-8 Jesus salbte, war keine Sünderin, weder öffentlich noch geheim, und darf nicht mit der Sünderin aus Lukas 7,36-50 verwechselt werden.
Zum 135. Kapitel
Dieses Kapitel bringt eine ziemlich detaillierte Schilderung der Hölle. Wiederum werden die Teufel als die Folterknechte beschrieben, nicht als die, die dort bestraft werden.
Die Hölle ist in dieser Schilderung in sieben Abteilungen eingeteilt, die den sieben Hauptsünden entsprechen. Die Auflistung dieser Sünden ist seit dem 7. Jahrhundert bekannt. Hier wird ein offensichtlicher Anachronismus in den Mund Jesu gelegt.
Aus dem 136. Kapitel
[…] Jesus antwortete: „Ein jeder, er mag sein, wer er will, muß in die Hölle gehen. Es ist jedoch wahr, daß die Heiligen und Propheten Gottes dort hingehen werden, um die Strafe zu schauen und nicht um sie zu erleiden, und die Rechtschaffenen nur, um sich zu fürchten. Und was soll ich sagen? Ich sage euch, daß sogar der Gesandte Gottes dort hinkommen wird, die Gerechtigkeit Gottes zu schauen.“ […]
Eine völlig neue Lehre über die Hölle, die der Bibel völlig unbekannt ist. Der Koran jedoch lehrt, dass alle, auch die Gerechten in die Hölle müssen, um dann aus ihr errettet zu werden.
68 Bei deinem Herrn, Wir werden sie ganz gewiß versammeln, (sie) und die Satane. Hierauf werden Wir sie ganz gewiß rings um die Hölle herum auf den Knien herbeibringen. 69 Hierauf werden Wir aus jedem Lager ganz gewiß denjenigen herausnehmen, der sich dem Allerbarmer am heftigsten widersetzt hat. 70 Dann wissen Wir wahrlich am besten über diejenigen Bescheid, die es am ehesten verdienen, ihr ausgesetzt zu sein. 71 Und es gibt keinen unter euch, der nicht daran vorbeigehen würde. Dies obliegt deinem Herrn unabänderlich beschlossen. 72 Hierauf erretten Wir diejenigen, die gottesfürchtig waren, und lassen die Ungerechten in ihr auf den Knien zurück. (Sure 19,68-72)
Aus dem 144. Kapitel
[…] Denn ‚Pharisäer‘ bedeutet eigentlich ‚Gottsucher‘ in der Sprache Kanaans. […]
Offensichtlich hat „Barnabas“ die „Sprache Kanaans“ nicht beherrscht. Das hebräische Wort פְּרוּשִׁים / peruschim bedeutet „Abgesonderte“. Nun ist es gewiss richtig, dass sich Gottsucher von sündhaften Dingen absondern. Aber die Wortbedeutung ist eine andere.
Aus dem 146. Kapitel
[…] „Vater ich habe im Himmel gegen dich gesündigt.“ […]
Dieser Satz ist aus dem Gleichnis vom Verlorenen Sohn, das wir in Lukas 15,11-32 finden. Er entspricht Lukas 15,18 und setzt die Vulgata voraus, wo es heißt:
pater peccavi in caelum et coram te.
Das Griechische εἰς τὸν οὐρανὸν / eis ton ouranon drückt eine Richtung aus und ist in diesem Zusammenhang mit „gegen den Himmel“ zu übersetzen.
„Barnabas“ hat offensichtlich die Vulgata als Quelle benützt.
Aus dem 157. Kapitel
[…] Der Vater und die Mutter des Blinden aber hatten Angst zu reden, da der Senat von Rom angeordnet hatte, daß jeder, der Jesus, dem Propheten der Juden, beistand, mit dem Tode bestraft werde. Diesen Erlaß hatte der Statthalter erwirkt, darum sagten sie: „Er ist alt genug, fragt ihn.“ […]
Dieser Text entspricht Johannes 9,22-23:
Das sagten seine Eltern, weil sie sich vor den Juden fürchteten; denn die Juden hatten schon beschlossen, jeden, der ihn als den Christus bekenne, aus der Synagoge auszustoßen. Deswegen sagten seine Eltern: Er ist alt genug, fragt ihn selbst!
Es ging um eine innerjüdische Angelegenheit. Die Eltern des Geheilten hatten Angst vor dem Synagogenausschluss. Der römische Senat hatte sich damals überhaupt nicht mit Jesus beschäftigt.
Aus dem 185. Kapitel
[…] Als Haggai fünfzehn Jahre alt war, verkaufte er sein Erbe und gab es den Armen, und er verließ Anatot, um dem Propheten Obadja zu dienen. […]
Hier scheint „Barnabas“ einiges durcheinandergebracht zu haben. Anatot war das Dorf, aus dem der Prophet Jeremia kam (Jeremia 1,1). Obadja scheint kurz nach der Zerstörung Jerusalems gewirkt zu haben, wenigstens deutet sein kurzes Buch mit einer Strafbotschaft gegen Edom auf diese Zeit. Haggai ermunterte nach dem Exil um 520 zum Wiederaufbau des Tempels. Eine Verbindung dieser beiden Propheten ist aus den Schriften des Alten Testaments nicht ersichtlich.
Aus dem 187. Kapitel
[…] Als Hosea ging, um Gott zu dienen, war er der Fürst des Stammes Naphtali und vierzehn Jahre alt. Nachdem er also sein Erbe verkauft und es den Armen gegeben hatte, ging er, um ein Jünger des Haggai zu werden. […]
Während eine Verbindung zwischen dem uralten Obadja und dem jungen Haggai zeitlich zumindest nicht völlig ausgeschlossen werden kann, wird das geschichtliche Durcheinander durch die Verbindung zu Hosea auf die Spitze getrieben. Hosea lebte im 8. Jahrhundert und konnte unmöglich ein Jünger des Haggai sein. Hier scheint „Barnabas“ von einem ähnlich freien Umgang des Korans mit der Geschichte geprägt zu sein.
Aus dem 189. Kapitel
Da sagte Jesus: „Dies ist wahr, denn ich habe hierüber Gewißheit von Gott. Darum, damit ein jeder wisse, daß dies die Wahrheit ist, soll im Namen Gottes die Sonne stillstehen und sich zwölf Stunden lang nicht bewegen!“ Und so geschah es zum großen Entsetzen von ganz Jerusalem und Judäa. […]
Wäre die Sonne tatsächlich zwölf Stunden „stillgestanden“, wäre das nicht nur in Jerusalem und Judäa, sondern weltweit aufgefallen. Judäa hat keine eigene Sonne, die nach Belieben stehen bleiben kann. Wir würden über dieses absolut einmalige Ereignis auch aus griechischen oder römischen Quellen Bescheid wissen. Damals gab es etliche gebildete Menschen, denen derartiges aufgefallen wäre.
Ferner hätte dieses Ereignis zu einer riesigen Katastrophe führen müssen. Es hätte ja nicht die Sonne aufgehalten werden müssen, sondern die Erde hätte ihre Rotation stoppen müssen, um diese nach zwölf Stunden wieder zu beginnen. Dieser plötzliche Stopp der Rotation hätte ungeheure Energien freigesetzt, die weltweit zu gigantischen Zerstörungen geführt hätten.
Aus dem 198. Kapitel
[…] Aber so sehr hat Gott mich geliebt in seiner Gnade, daß jegliche Strafe von mir genommen wird, und ein anderer wird für mich leiden. Denn Strafe verdiente ich, da die Menschen mich Gott genannt haben; da ich aber nicht nur bekannt habe, daß ich nicht Gott bin, wie es die Wahrheit ist, sondern auch bekannt habe, daß ich nicht der Messias bin, darum hat Gott die Strafe von mir genommen und wird einen Übeltäter in meinem Namen leiden lassen, so daß ich nur die Schande tragen werde. […]
Hier folgt „Barnabas“ der üblichen islamischen Lehre, dass ein anderer statt Jesus gestorben ist. In der Leugnung der Messianität Jesu, widerspricht er aber auch dem Koran. Der Gedanke, dass Jesus für etwas Strafe verdient, was andere über ihn sagen, ist auch höchst seltsam, auf jeden Fall unbiblisch.
Zum 201. Kapitel
Hier erzählt „Barnabas“ die Geschichte mit der Ehebrecherin, die wir in Johannes 8 finden. Er folgt, wenn auch mit zusätzlichen Ausschmückungen dem Text, den wir im Johannesevangelium finden. Manche Muslime verwenden genau diese Stelle als Beweis für die Verfälschung der Bibel, weil dieser Text in den ältesten Handschriften des Johannesevangeliums fehlt. Im Barnabasevangelium wird diese Geschichte aber akzeptiert.
Aus dem 208. Kapitel
[…] Da hoben alle Schriftgelehrten und Pharisäer sowie die Ältesten des Volkes Steine auf, um Jesus zu steinigen, der vor ihren Augen verschwand und aus dem Tempel hinausging. Und dann, da sie so sehr darauf drängten, Jesus zu töten, blind vor Zorn und Haß, schlugen sie derart aufeinander ein, daß eintausend Menschen starben; und sie verunreinigten den heiligen Tempel. […]
Ein Ereignis mit 1000 Todesopfern im Tempel würde wohl auch bei Flavius Josephus erwähnt worden sein. Wieder ein Beispiel für frei erfundene „Geschichtsschreibung“.
Das 215. Kapitel
Als die Soldaten und mit ihnen Judas sich dem Ort näherten, wo Jesus war, hörte Jesus, daß sich viele Menschen näherten, weshalb er sich voller Furcht in das Haus zurückzog. Und die Elf schliefen.
Da befahl Gott angesichts der Gefahr seines Dieners seinen Sendboten Gabriel, Michael, Rafael und Uriel, Jesus von der Welt hinwegzunehmen.
Die heiligen Engel kamen und trugen Jesus hinaus durch das Fenster, das nach Süden liegt. Sie trugen ihn und brachten ihn in den dritten Himmel, begleitet von Engeln, die Gott auf ewig preisen.
Hier wird die islamische Prägung des Autors, der die Kreuzigung Jesu leugnet, sichtbar.
Die authentischen Quellen sprechen von einem Garten, nicht von einem Haus. Von den vier namentlich erwähnten Engeln sind biblisch nur Gabriel und Michael bezeugt. Rafael kommt im apokryphen Buch Tobit vor, Uriel im Henochbuch und in 4 Esra. Die Erwähnung dieser Engel lässt vermuten, dass der Autor dieses Textes auch von außerkanonischen Traditionen beeinflusst war.
Dass Jesus laut „Barnabas“ nur in dritten Himmel erhöht wurde, widerspricht dem Koran, wo ihn laut Sure 4,158 Allah zu sich erhoben hat. Nach islamischer Tradition ist Allah aber über den sieben Himmeln. Allerdings widerspricht auch diese Tradition dem Koran, da sie Jesus nur im zweiten Himmel, also noch weiter unten als „Barnabas“ es tat, lokalisiert. Wir finden das im Hadith über die „Himmelfahrt“ Mohammeds.
Aus dem 216. Kapitel
Judas drang ungestüm vor allen anderen in das Gemach ein, aus dem Jesus emporgehoben worden war. Und die Elf schliefen. Da tat der wunderbare Gott Wunderbares in solcher Weise, daß Judas in Sprache und Aussehen eine solche Ähnlichkeit mit Jesus annahm, daß wir glaubten, er sei Jesus. Und als er uns geweckt hatte, suchte er überall, wo der Herr war. Da verwunderten wir uns und erwiderten: „Du, Herr, bist unser Meister, hast du uns nun vergessen?“
Und lächelnd sagte er: „Nun seid ihr töricht, daß ihr nicht wißt, daß ich Judas Ischariot bin!“
Und indem er dies sagte, kamen die Soldaten herein und legten Hand an Judas, weil er genauso aussah wie Jesus. […]
Aus dem 217. Kapitel
[…] Und warum sage ich, daß die obersten Priester glaubten, Judas sei Jesus? Ja sogar alle Jünger glaubten es, und mit ihnen der, der dies schreibt; und mehr noch, die arme jungfräuliche Mutter Jesu glaubte es und mit ihr seine Verwandten und Freunde, und der Kummer eines jeden war unglaublich. So wahr Gott lebt: Der, der dies schreibt, vergaß alles, was Jesus gesagt hatte, nämlich daß er von der Welt hinweggenommen werden würde und daß er in einer dritten Person leiden werde und daß er nicht sterben werde, bis das Ende de Welt nahe sei. Darum ging er mit der Mutter Jesu und mit Johannes zum Kreuz. […]
Nach „Barnabas“ hat Gott alle Jünger, ja sogar die Mutter Jesu getäuscht.
[…] Dann führten sie ihn gebunden zum Statthalter, der Jesus im geheimen liebte. […]
Pilatus war ein gottloser, brutaler Machtmensch. „Barnabas“ hatte offensichtlich keine Ahnung von der historischen Wirklichkeit.
Aus dem 218. Kapitel
[…] Jene Jünger, die Gott nicht fürchteten, gingen des Nachts hin, stahlen den Leichnam des Judas und verbargen ihn, und sie verbreiteten ein Gerücht, nach dem Jesus auferstanden sei, woraufhin große Verwirrung entstand. Der Hohepriester befahl darauf, daß unter der Strafe des Bannfluches niemand über Jesus von Nazareth reden dürfe. Und so entstand eine große Verfolgung, und viele wurden gesteinigt und viele geschlagen und viele des Landes verwiesen, weil sie nicht Schweigen bewahren konnten über eine solche Angelegenheit. […]
Warum haben sich die jüdischen Führer eigentlich die Mühe gemacht, Pilatus von der Notwendigkeit der Tötung Jesu zu überzeugen, wenn sie anschließend ohnehin viele durch Steinigung töten konnten, d. h. ohne die römische Autorität zu involvieren?
Aus dem 220. Kapitel
[…] und obwohl ich unschuldig war in der Welt, da die Menschen mich ‚Gott‘ und ‚Sohn Gottes‘ nannten, hat Gott, damit ich am Tag des Gerichtes nicht von den Dämonen verspottet werde, es so gewollt, daß ich von den Menschen in dieser Welt verspottet werde durch den Tod des Judas, indem er alle Menschen glauben machte, daß ich am Kreuz gestorben sei. Und dieser Spott wird andauern bis zur Ankunft Mahomets, Gottes Gesandten, der, wenn er kommen wird, diese Täuschung jenen klarmachen wird, die an Gottes Gesetz glauben. […]
Gott hat nach „Barnabas“ also tatsächlich geplant, die Menschen 600 Jahre lang zu täuschen.
Das 222. Kapitel
Als Jesus hinweggegangen war, verteilten sich die Jünger auf verschiedene Gegenden Israels und der Welt, und die Wahrheit, von Satan gehaßt, wurde verfolgt von der Lüge, so wie es noch heute ist. Denn gewisse böse Menschen, die sich als Jünger ausgaben, predigten, daß Jesus gestorben und nicht wiederauferstanden sei. Andere predigten, er sei wirklich gestorben, aber wiederauferstanden. Andere, von denen Paulus getäuscht wurde, predigten und predigen es noch, Jesus sei Gottes Sohn. Wir aber, so wie ich es geschrieben habe, wir predigen jenen, die Gott fürchten, damit sie gerettet werden mögen am letzten Tage des Gottesgerichtes. Amen.
Bis zum letzten Kapitel zieht der Autor seine Linie der Unglaubwürdigkeit durch. Es gab gewiss „gewisse böse Menschen“, die die Auferstehung Jesu leugneten, doch diese Menschen gaben sich nicht als Jünger Jesu aus. Dieses Phänomen, dass Menschen sich als Christen oder sogar Theologen ausgeben und dennoch die Auferstehung Christi leugnen, ist ein Phänomen der Neuzeit. Und diejenigen, die Jesus als Gottes Sohn verkünden, verkünden dasselbe, was schon der Engel Gabriel Maria verkündet hat (Lukas 1,32.35), was Gott selbst bei der Taufe Jesu bezeugt hat (Matthäus 3,17) und was auch Jesus vor dem Hohen Rat bekannt hat (Lukas 22,70). Das war der christliche Glaube von Anfang an. Nur manche, die von Mohammed getäuscht wurden, bestreiten diese von Gott offenbarte Wahrheit.
Einen kurzgefassten Überblick gibt es hier.