Die ersten Worte Jesu im Koran und in der Bibel

Die Frage nach den ersten Worten eines Menschen wird nur selten gestellt. Jeder Mensch muss das Sprechen erst erlernen. Bei Jesus liegt die Sache etwas anders, da der Koran vorgibt, dass Jesus bereits kurz nach der Geburt gesprochen habe. In dieser Hinsicht ist ein Vergleich zwischen Koran und Bibel interessant.

Im Koran

23 Die Wehen ließen sie zum Palmenstamm gehen. Sie sagte: „O wäre ich doch zuvor gestorben und ganz und gar in Vergessenheit geraten!“ 24 Da rief er ihr von unten her zu: „Sei nicht traurig; dein Herr hat ja unter dir ein Bächlein geschaffen. 25 Und schüttle zu dir den Palmenstamm, so läßt er frische, reife Datteln auf dich herabfallen. 26 So iß und trink und sei frohen Mutes‘. Und wenn du nun jemanden von den Menschen sehen solltest, dann sag: Ich habe dem Allerbarmer Fasten gelobt, so werde ich heute mit keinem Menschenwesen sprechen.“ (Sure 19,23-26)

Maria hatte sich, nachdem sie durch Gottes Wunder schwanger geworden war, an einen entlegenen Ort zurückgezogen. In ihren Wehen wird sie von Verzweiflung gepackt. Die Geburt Jesu wird nicht ausdrücklich erwähnt. Unmittelbar nach der Geburt rief „er“ ihr von unten her zu. Dieser Rufer ist nach islamischem Verständnis das neugeborene Jesuskind.

Jesus ermuntert seine Mutter, weist sie auf ein Bächlein hin, fordert sie auf, die Datteln der Palme zu essen und frohen Mutes zu sein. Man könnte das für eine schöne aufbauende Geschichte halten. Gott hat ein Wunder gewirkt, um Maria in ihrer Notlage zu trösten und zu stärken.1

Doch dann kommt das Verstörende. Jesus fordert Maria dazu auf, den Menschen zu sagen, sie habe dem Allerbarmer ein Fasten gelobt. Unmittelbar vorher hat er sie zum Essen und Trinken ermuntert. Muslime lösen das Problem dadurch, dass sie sagen, dass die Fastenform Marias das Schweigen gewesen sei. So ein Schweigefasten ist zwar etwas eigenartig, da der Koran ein derartiges Fasten sonst nicht kennt. Aber es passt in den unmittelbaren Zusammenhang des Verses. Auch anschließend (in Vers 29) sagt Maria nichts, sondern zeigt nur auf Jesus.

Allerdings hat Maria kein Fasten gelobt, sondern der kleine Jesus fordert sie auf, das zu sagen. Im Grunde fordert Jesus unmittelbar nach seiner Geburt Maria dazu auf, zu lügen. Es spricht für „Maria“, dass sie die Worte, die „Jesus“ ihr aufgetragen hat, zu sagen, nicht gesagt hat. Es spricht aber gegen den Autor dieser Geschichte, dass er sich nicht geschämt hat, dem kleinen Jesus eine Aufforderung zur Lüge in den Mund zu legen. Wahrheitsliebe scheint nicht die Stärke dieses Menschen gewesen zu sein.

Überdies scheint der Autor der koranischen Geschichte auf verschiedene apokryphe Quellen zurückgegriffen haben, auch wenn er sie vermutlich nur durch mündliche Überlieferung kannte. Die Geschichte mit der Palme findet sich auch in Pseudo-Matthäus 20, dort aber im Zusammenhang mit der Flucht nach Ägypten. Dass Jesus kurz nach der Geburt gesprochen hat, erzählt auch das Arabische Kindheitsevangelium aus dem 6. Jahrhundert. Nur entsprechen die Worte dieses apokryphen Textes ganz und gar nicht dem Koran. Dort wurden Jesus folgende Worte in den Mund gelegt:

Ich bin Jesus, der Sohn Gottes, der Logos, den du geboren hast, wie es der Engel Gabriel dir angekündigt hat. Und mein Vater hat mich zur Erlösung der Welt gesandt. (Kapitel 1)

Diese Worte konnten so nicht in den Koran kommen. Deswegen lässt der Autor des Koran Jesus in Sure 19,30 sagen:

Ich bin wahrlich Allahs Diener; Er hat mir die Schrift gegeben und mich zu einem Propheten gemacht.

Die Legende vom sprechenden Säugling scheint Mohammed aber sehr beeindruckt zu haben, sodass er sie in einer islamisierten Version in sein Buch aufnahm.

In der Bibel

Die Bibel erwähnt keine ersten Worte Jesu. Da er voll und ganz Mensch war, musste er so wie alle anderen Menschen das Sprechen langsam erlernen.

Es ist aber bedeutsam, welche die ersten überlieferten Worte Jesu sind. Wir finden diese in Lukas 2, als Jesus mit Josef und Maria zum Passahfest nach Jerusalem gepilgert ist.

41 Die Eltern Jesu gingen jedes Jahr zum Paschafest nach Jerusalem. 42 Als er zwölf Jahre alt geworden war, zogen sie wieder hinauf, wie es dem Festbrauch entsprach. 43 Nachdem die Festtage zu Ende waren, machten sie sich auf den Heimweg. Der Knabe Jesus aber blieb in Jerusalem, ohne dass seine Eltern es merkten. 44 Sie meinten, er sei in der Pilgergruppe, und reisten eine Tagesstrecke weit; dann suchten sie ihn bei den Verwandten und Bekannten. 45 Als sie ihn nicht fanden, kehrten sie nach Jerusalem zurück und suchten nach ihm. 46 Da geschah es, nach drei Tagen fanden sie ihn im Tempel; er saß mitten unter den Lehrern, hörte ihnen zu und stellte Fragen. 47 Alle, die ihn hörten, waren erstaunt über sein Verständnis und über seine Antworten. 48 Als seine Eltern ihn sahen, waren sie voll Staunen und seine Mutter sagte zu ihm: Kind, warum hast du uns das angetan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht. 49 Da sagte er zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört? (Lukas 2,41-49)

Das erste Wort, das uns aus dem Mund Jesu überliefert ist, ist ein Bekenntnis zu seinem himmlischen Vater. Nicht Josef, der Jesus wie ein Vater erzog, ist sein Vater, sondern Gott. Weil Jesus der Sohn Gottes ist, gibt es auch für Maria und Josef keinen Grund, sich zu sorgen. Jesus ist in dem, was seinem Vater gehört.

Jesus ist die Wahrheit (Johannes 14,6). Deswegen hat er immer nur die Wahrheit gesprochen und niemals jemanden zur Lüge aufgefordert. Die authentische Quelle über ihn ist das Evangelium und nicht der Koran, der 600 Jahre nach Jesus aus verschiedenen, mitunter sehr zweifelhaften Quellen geschöpft hat.


  1. Christoph Luxenberg, Die Syro-Aramäische Lesart des Koran, 2. Auflage 2004, S.134-152 versteht diesen Text anders: Da rief er ihr sogleich nach ihrer Niederkunft zu: Sei nicht traurig, dein Herr hat deine Niederkunft legitim gemacht. 

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