Maria in der Dreieinigkeit?

Und wenn Allah sagt: „O ʿĪsā, Sohn Maryams, bist du es, der zu den Menschen gesagt hat: ‚Nehmt mich und meine Mutter außer Allah zu Göttern!‘?“, wird er sagen: „Preis sei Dir! Es steht mir nicht zu, etwas zu sagen, wozu ich kein Recht habe. Wenn ich es (tatsächlich doch) gesagt hätte, dann wüßtest Du es bestimmt. Du weißt, was in mir vorgeht, aber ich weiß nicht, was in Dir vorgeht. Du bist ja der Allwisser der verborgenen Dinge.  (Sure 5,116)

Dieser Vers enthält einen Dialog zwischen Allah und Jesus, in dem Allah ihn fragt, ob er die Menschen tatsächlich eine Praxis gelehrt hat, die dem Monotheismus widerspricht.

Tatsächlich hat Jesus an keiner Stelle gelehrt, ihn und seine Mutter neben Gott als Götter zu nehmen. Das wäre Götzendienst, der nicht nur von Muslimen, sondern auch von Christen auf das Strengste abgelehnt wird. Es gibt nur einen Gott.

Die Frage ist, was der Autor dieses Verses mit dieser Allah in den Mund gelegten Frage bezweckt hat. Diese Frage setzt voraus, dass es tatsächlich Menschen gab, die Jesus und seine Mutter als zusätzliche Götter verehrt haben. Oder sollen wir annehmen, dass Allah Jesus irgendwelche Fragen stellt, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben? Der wahre Gott stellt keine unsinnigen Fragen.

Der Gedanke liegt nahe, dass der Autor dieses Verses die christliche Lehre der Dreieinigkeit zurückweisen wollte. Die Art der Fragestellung offenbart, dass er nicht verstanden hat oder auch nicht verstehen wollte, worum es bei der Lehre der Dreieinigkeit geht.

Weder Jesus noch irgendein Christ hat je behauptet, dass Jesus ein Gott neben Gott sei. Allerdings hat Jesus den Anspruch erhoben, Gott zu sein. Mehr dazu gibt es in diesem Beitrag. Aus den Worten Jesu ist aber auch klar, dass Jesus nicht der Vater ist. Er hat von sich selbst immer als dem Sohn Gottes gesprochen. Er ist im Gegenüber zum Vater, dem er sich verdankt, hat aber Anteil an seinem göttlichen Wesen. Er ist das Wort Gottes, das in Ewigkeit aus dem Vater hervorgeht und genauso ewig und göttlich ist wie der Vater. Er ist kein zweiter Gott. Er ist wesensmäßig eins mit dem Vater. Dieses Verständnis der Gottheit Jesu hat der Autor von Sure 5,116 nicht gekannt oder nicht akzeptiert, obwohl man auch im Koran noch Spuren der Lehre über die Gottheit Jesu findet. Jesus hat göttliche Verehrung beansprucht, nicht aber ein Gott neben Gott zu sein.

Noch weniger hat Jesus das in Bezug auf seine Mutter gelehrt. Anders als Jesus war und ist Maria nur Mensch. Sie ist ein vorbildlicher, wenn auch nicht sündenfreier Mensch. Sie nicht die Mutter der Gläubigen. Wir können auch nicht zu ihr beten, da sie als Mensch ein begrenztes Wesen ist.

Spätestens seit dem 3. Jahrhundert kam es innerhalb des Christentums zu einer Fehlentwicklung, die im Gegensatz zur Lehre der Bibel zu einer kultischen Verehrung Marias geführt hat, sodass für äußere Beobachter tatsächlich der Eindruck entstehen konnte, dass Maria wie eine Göttin verehrt wurde. Doch haben selbst die intensivsten Marienverehrer wenigstens offiziell immer daran festgehalten, dass Maria nur Mensch ist und keinesfalls ein Teil der Dreieinigkeit ist. Wäre tatsächlich Gott der Autor des Korans, dann hätte er das gewusst.

In islamkritischen Kreisen gibt es einen Erklärungsversuch, dass mit der „Mutter Jesu“ in Sure 5,116 nicht Maria, sondern der Heilige Geist gemeint sei. Dieser Vers habe seinen Ursprung in innerchristlichen Diskussionen über die Dreieinigkeit gehabt. Diese Theorie wird in diesem Video vorgestellt. Es wird darauf verwiesen, dass in den Thomasakten der Heilige Geist als Mutter bezeichnet wird, ähnlich auch in den Oden Salomos, wo es in 36,3 heißt:

Im Angesicht Gottes gebar mich der Heilige Geist.

Außerdem ist der Heilige Geist in den semitischen Sprachen feminin, worauf auch Origenes, Hieronymus und andere hinweisen. Mich hat diese Erklärung nicht überzeugt. Falls sie stimmen sollte, würde auch sie bestätigen, dass der Koran nur Menschenwerk ist.

Es ist offensichtlich, dass das Verständnis von Dreieinigkeit, das hinter der Frage Allahs in Sure 5,116 steht, nicht der christlichen Lehre über den dreieinen Gott entspricht. Die Antwort „Jesu“, in der dieser seine Unkenntnis über das Innere Gottes betont, ist ein eindeutiger Angriff auf den Anspruch, den Jesus in Matthäus 11,27 erhoben hat.

Wir haben es also in Sure 5,116 mit einer Polemik gegen die Lehre der Dreieinigkeit zu tun, in der der Autor entweder diese Lehre nicht verstanden hat oder sie bewusst falsch dargestellt hat. Auf keinen Fall kann dieser Vers ein Wort des ewigen allwissenden Gottes sein.

Kommentare sind geschlossen.

Bloggen auf WordPress.com.

Nach oben ↑