Aber sie haben ihn weder getötet noch gekreuzigt, …

[…] und dafür, daß sie sagten: „Gewiß, wir haben al-MasihʿĪsā, den Sohn Maryams, den Gesandten Allahs getötet.“ – Aber sie haben ihn weder getötet noch gekreuzigt, sondern es erschien ihnen so. Und diejenigen, die sich darüber uneinig sind, befinden sich wahrlich im Zweifel darüber. Sie haben kein Wissen darüber, außer daß sie Mutmaßungen folgen. Und sie haben ihn mit Gewißheit nicht getötet. Nein! Vielmehr hat Allah ihn zu Sich erhoben. Allah ist Allmächtig und Allweise. (Sure 4,157-158)

Es gehört zu den Grundüberzeugungen von Muslimen, dass Jesus von Nazareth nicht gekreuzigt wurde. Die einzige Grundlage dafür ist in den hier zitierten Koranversen zu finden.

Ich habe bereits in verschiedenen Beiträgen versucht, mich diesem Thema anzunähern. So wurde das Leiden und Sterben des Messias schon lange vor dem Kommen Jesu prophetisch verheißen. Auch Jesus selbst hat prophetisch über seinen nahen Tod und seine Auferstehung gesprochen. Die Mutter Jesu war gemeinsam mit dem Apostel Johannes Augenzeugin des Todes ihres Sohnes. Außerbiblische Quellen bezeugen den Tod Jesu. Sogar im Koran finden wir Indizien, die dafür sprechen, dass Jesus am Kreuz gestorben ist. Der koranische Jesus hat kurz nach seiner Geburt darüber gesprochen. Auch Allah spricht im Koran über den Tod Jesu. Der Koran wirft den Juden vor, Gesandte getötet zu haben. Von allen im Koran namentlich genannten Gesandten ist Jesus der einzige, auf den das zutrifft. Ebenso lehrt der Koran nicht, dass Allah seine Propheten vor einem gewaltsamen Tod bewahrt.

Es gibt also viele Gründe, die dafür sprechen, dass Jesus Christus am Kreuz gestorben ist (und gemäß seiner Ankündigung am dritten Tag auferstanden ist). All diesen Gründen steht nur ein einziger Koranvers entgegen. In diesem Text möchte ich mich mit diesem Vers, seiner Bedeutung und seiner Auslegungsgeschichte beschäftigen.

Der Zusammenhang dieses Verses

153 Die Leute der Schrift verlangen von dir, daß du ihnen vom Himmel ein Buch offenbaren läßt. Sie haben von Musa bereits etwas noch Größeres als dies verlangt, denn sie sagten: „Zeige uns Allah unverhüllt!“ Da ergriff sie der Donnerschlag wegen ihrer Ungerechtigkeit. Hierauf nahmen sie das Kalb an, nachdem die klaren Beweise zu ihnen gekommen waren. Aber Wir verziehen es und gaben Musa offenkundige Gewalt. 154 Und Wir hoben den Berg über sie bei (der Entgegennahme von) ihrem Abkommen empor. Und Wir sagten zu ihnen: „Tretet, euch niederwerfend, durch das Tor ein!“ Und Wir sagten zu ihnen: „Übertretet nicht den Sabbat!“ Und Wir trafen mit ihnen ein festes Abkommen. 155 (Verflucht sind sie) dafür, daß sie ihr Abkommen brachen und Allahs Zeichen verleugneten und (daß sie) die Propheten zu Unrecht töteten und (daß sie) sagten: „Unsere Herzen sind verhüllt.“ – Nein! Vielmehr hat Allah sie für ihren Unglauben versiegelt; darum glauben sie nur wenig, 156 und daß sie ungläubig waren und gegen Maryam gewaltige Verleumdung aussprachen, 157 und dafür, daß sie sagten: „Gewiß, wir haben al-Masih ‚Isa, den Sohn Maryams, den Gesandten Allahs getötet.“ – Aber sie haben ihn weder getötet noch gekreuzigt, sondern es erschien ihnen so. Und diejenigen, die sich darüber uneinig sind, befinden sich wahrlich im Zweifel darüber. Sie haben kein Wissen darüber, außer daß sie Mutmaßungen folgen. Und sie haben ihn mit Gewißheit nicht getötet. 158 Nein! Vielmehr hat Allah ihn zu Sich erhoben. Allah ist Allmächtig und Allweise. 159 Es gibt keinen unter den Leuten der Schrift, der nicht noch vor dessen Tod ganz gewiß an ihn glauben wird. Und am Tag der Auferstehung wird er über sie Zeuge sein. 160 Wegen Ungerechtigkeit derer, die dem Judentum angehören, hatten Wir ihnen gute Dinge verboten, die ihnen erlaubt gewesen waren, und weil sie viel von Allahs Weg abhielten, 161 und (weil sie) Zins nahmen, wo es ihnen doch verboten worden war, und den Besitz der Menschen in unrechter Weise aufzehrten. Und Wir haben den Ungläubigen unter ihnen schmerzhafte Strafe bereitet. (Sure 4,153-161)

Es ist nicht immer einfach, im Koran einen Zusammenhang festzustellen. Bei dieser Stelle liegt in den Versen 153-161 ein einheitliches Thema vor. Es geht um Vorwürfe und Anklagen an die Juden. Zuerst gibt es einen Rückblick in die Zeit Moses, um zu zeigen, dass die Juden schon damals gesündigt haben. Ab Vers 155 gibt es eine Auflistung von Vorwürfen.

Die Juden haben diesen Versen zufolge

  • ihr Abkommen gebrochen,
  • Allahs Zeichen verleugnet,
  • die Propheten zu Unrecht getötet,
  • gesagt: „Unsere Herzen sind verhüllt“,
  • gegen Maria eine gewaltige Verleumdung ausgesprochen,
  • gesagt: „Gewiss, wir haben al-Masih ‚Isa, den Sohn Maryams, den Gesandten Allahs getötet.“
  • viel (viele?) von Allahs Weg abgehalten,
  • Zins genommen,
  • den Besitz der Menschen in unrechter Weise aufgezehrt.

Während die meisten Vorwürfe nur aufgelistet werden, wird der angeblichen Behauptung der Juden, den Messias getötet zu haben, mehr Raum gewidmet. Doch ist diese Behauptung nur ein Nebenthema. Dieser Text hat in erster Linie die Absicht, die Bosheit und Verworfenheit der Juden aufzuzeigen, die schon zur Zeit Moses begonnen habe und bis in die Zeit Mohammeds reiche. Manche Vorwürfe sind sehr allgemein, andere wie die Zinsnahme (die den Juden nur von ihren Volksgenossen, nicht aber von Nichtisraeliten verboten war), oder die Verleumdung Marias (vermutlich in Bezug auf die Geburt Jesu) sind sehr konkret. Zu beachten ist auch, dass den Juden das Töten der Propheten vorgeworfen wird, was impliziert, dass Allah nicht notwendigerweise seine Diener vor einem gewaltsamen Tod bewahrt.

Ein korrekter Vorwurf?

In Vers 157 wird den Juden vorgeworfen, zu sagen, dass die den Messias Jesus, den Sohn Marias, den Gesandten Allahs, getötet haben.

Das ist ein unrichtiger Vorwurf. Der Satz kann in dieser Form unmöglich aus dem Munde eines überzeugten Juden kommen.

Er impliziert, dass der Sprecher dieses Satzes Jesus als Messias und Gesandten Gottes anerkennt. Genau das haben die Juden aber nicht gemacht. Ein Jude, der sagt, dass sein Volk den Messias getötet hat, erkennt an, dass Jesus der Messias ist.

Matthäus schildert die Verhandlung Jesu vor dem Sanhedrin so:

63 Jesus aber schwieg. Darauf sagte der Hohepriester zu ihm: Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, sag uns: Bist du der Christus, der Sohn Gottes? 64 Jesus antwortete: Du hast es gesagt. Doch ich erkläre euch: Von nun an werdet ihr den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen. 65 Da zerriss der Hohepriester sein Gewand und rief: Er hat Gott gelästert! Wozu brauchen wir noch Zeugen? Jetzt habt ihr die Gotteslästerung gehört. 66 Was ist eure Meinung? Sie antworteten: Er ist des Todes schuldig. (Matthäus 26,63-66)

Gerade das Bekenntnis Jesu, der Christus (= Messias) zu sein, hat in Verbindung mit der Anspielung auf ein Wort aus Daniel 7 den Hohen Priester und die führenden Juden davon überzeugt, ihn als Gotteslästerer zum Tode verurteilen zu müssen.

Kein Jude hätte je die Behauptung aufgestellt, die ihm vom Koran in den Mund gelegt wird. Wir finden also in Sure 4,157 eine Verleumdung der Juden ähnlich der in Sure 9,30. Wäre der Koran tatsächlich das reine Wort Gottes, würde er die jüdische Position nicht entstellt wiedergeben.

Wer hat Jesus gekreuzigt?

Nach übereinstimmender Aussage aller Evangelien wurde Jesus nicht von den Juden, sondern von den Römern gekreuzigt. Jesus wurde zwar vom jüdischen Hohen Rat zum Tod verurteilt. Die Autorität zur Durchführung von Todesurteilen hatten aber die Römer. Deswegen wurde das Todesurteil von Pontius Pilatus ausgesprochen und von römischen Soldaten exekutiert. Die Kreuzigung war keine jüdische Hinrichtungsmethode. Von den Juden wäre Jesus gesteinigt worden.

Der Koran hat insofern recht, dass die Juden Jesus nicht gekreuzigt haben, was sie aber auch nie behauptet haben. Er hat aber unrecht, wenn impliziert wird, dass Jesus überhaupt nicht gekreuzigt wurde.

Zur Auslegungsgeschichte

Heute wird Sure 4,157-158 üblicherweise im Sinne einer Substitution verstanden, dass statt Jesus jemand anderer am Kreuz gestorben ist. Nur die Sondergruppe der Ahmadiyya lehrt, dass Jesus tatsächlich am Kreuz war, aber die Kreuzigung überlebt hat und dann nach Kaschmir ausgewandert ist, wo er als alter Mann gestorben ist. Es scheint, dass auch Dr. Zakir Naik eine ähnliche Lehre vertritt.

Historisch betrachtet war auch in der Vergangenheit die Substitutionstheorie dominierend. Es gab aber auch einige Ausleger, die den Koran anders verstanden hat. Todd Lawson hat sich in seinem Buch The Crucifixion and the Qur’an: A Study in the History of Muslim Thought (Oxford 2009) mit der Auslegungsgeschichte dieser beiden Verse beschäftigt. Diesem Buch habe ich die folgenden Informationen entnommen.

Varianten der Substitutionstheorie

Folgende Möglichkeiten wurden im Laufe der Geschichte genannt:

  • Irgendein nicht näher spezifizierter Mann starb statt Jesus.
    Mujahid b. Jabr Al-Makki, gest. 722, Lawson, S.48-49.
    Al-Qasim  Ibn Abi Bazza, gest. 742, Lawson, S. 55-56.
    Ruzbihan Al-Baqli, gest. 1209, mit einer ausführlichen philosophischen Begründung, Lawson, S. 108-110.
  • Jesus fragte seine Jünger, wer statt ihm sterben möchte, um dadurch das Paradies zu erben. Einer seiner Jünger erklärte sich bereit dazu und starb am Kreuz.
    Wahb Ibn Munabbih, gest. 732, Lawson, S. 49-54.
    Qatada Ibn Di Ama, gest. 735/6, Lawson, S. 54-55.
    Abd Al-Malik b. Abd Al-Aziz, Ibn Jurayj, gest. 766/7, Lawson, S. 59-60.
    Al-Zajjaj, gest. 923, Lawson, S. 72-73.
    Al-Maturidi, gest. 933, als ein Vorschlag, Lawson, S. 74-75.
    Al-Qushayri, gest. 1072, Lawson, S. 98-100.
    Muhammad Ibn Ishaq, gest. 767/8, Lawson, S.61-63. Zusatzinformation: Der Name des Jüngers war Serjes, ein von den Christen nicht anerkannter Jünger. Außerdem kam der Befehl, Jesus zu töten von Da’ud, dem König der Banu Isra’il.
    Al-Tabari, gest. 923, Lawson, S. 70-72. Er schreibt nur, dass die Ähnlichkeit Jesu auf einen seiner Jünger geworfen wurde, nicht aber, dass Jesus seine Jünger gebeten habe, dass einer statt ihm sterben solle.
    Ibn Kathir, gest. 1373, Lawson, S. 110-112. Zusatzinformation: Jesus wurde im Auftrag des Königs von Syrien zum Tod verurteilt. Während einer seiner Jünger von den Juden genommen und gekreuzigt wurde, wurde Jesus durch das Dach des Hauses emporgehoben.
  • Der Verräter Judas wurde statt Jesus gekreuzigt.
    Wahb Ibn Munabbih, gest. 732, als Zweiterklärung, nennt aber den Namen „Judas“ nicht, Lawson, S. 49-54.
    Rashid Rida, gest. 1935, Lawson, S. 123-128. Er berief sich auf das apokryphe im Mittelalter geschriebene Barnabasevangelium.
  • Ein unschuldiger Mann, der von Judas geküsst wurde, wurde zwar von Herodes und Pilatus als unschuldig erkannt, aber von den Juden gekreuzigt.
    Abd Al-Jabbar, gest. 1025, Lawson, S. 89-91.
  • Ihr (der Juden) Freund Natanyus wurde von Gott vernichtet.
    Abd Allah Ibn Abbas, gest. 687 (nach Tanwir al-miqbas), Lawson, S. 44-48.
  • Ein Jude namens Tatanus war das Opfer.
    Al-Baydawi, gest. 1286, Lawson, S. 103-104.
  • Yahudha, einer der Wächter Jesu (nicht der Verräter), wurde gekreuzigt.
    Muqatil b. Sulayman Al-Balkhi, gest. 767, Lawson, S. 60-61.
    Zusatzinformation: Die Erhöhung Jesu fand im Monat Ramadan statt, in der Nacht der Macht. Jesus war 33 Jahre alt, als er vom Berg Jerusalems aufgehoben wurde.
  • Als Jesus in einem Haus Zuflucht nahm, folgte ihm ein Jude. Dieser Jude wurde Jesus ähnlich gemacht. Als er das Haus verließ, hielten ihn seine jüdischen Genossen für Jesus und töteten ihn.
    Al-Maturidi, gest. 933, als Zweitvorschlag, der von ihm eher abgelehnt wurde, Lawson, S. 74-75.
  • Ein Jude gab bewusst vor, Jesus zu sein. Seine Wunder misslingen, worauf er von der wütenden Menge gekreuzigt wird.
    Al-Tha’labi, gest. 1035, Lawson, S. 91.
  • Die jüdischen Führer nahmen einen Mann, töteten und kreuzigten ihn. Niemand durfte seinen Leichnam sehen, bis er bis zur Unkenntlichkeit verwest war. Dann behaupteten sie, dass sie Jesus getötet hätten.
    Al-Tusi, gest. 1067, Lawson, S. 92-93.

Dieser Variantenreichtum der Substitutionstheorie zeigt, dass diese Theorie auf sehr schwachen Beinen steht. Zudem fallen manche Erklärer durch einen eklatanten Mangel an historischem Wissen auf, wenn etwa der „König von Syrien“ oder sogar König David für den Befehl, Jesus zu töten, verantwortlich gemacht werden.

Auf diese Erklärer und nicht auf die Christen trifft das Urteil des Korans zu:

Und diejenigen, die sich darüber uneinig sind, befinden sich wahrlich im Zweifel darüber.

Jesus wurde tatsächlich gekreuzigt.

Nicht alle muslimischen Erklärer haben die Substitutionstheorie vertreten. Rätselhaft ist eine Ja’far Ibn Muhammad Al-Sadiq (gest. 765) zugeschriebene Erklärung, in der er sich zur Frage, ob Jesus oder ein anderer gekreuzigt wurde, nicht äußert. Er beschäftigt sich mit der Bedeutung des Wortes „töten“. Anschließend heißt es im Text, dass er (Jesus?) dadurch, dass er getötet wurde, eine hohe Stufe erreicht hat, wie Gott auch die anderen Propheten erhöht hat (Lawson, S. 56-59).

Al-Razi, gest. 1209, sah ein Problem in der Substitutionstheorie. Wenn es möglich wäre, dass das Aussehen eines Mannes auf einen anderen übertragen werden könne, man nie sicher sein könne, wem man gegenübersteht. Man könnte keine Verträge mehr abschließen. Er ist über diese Kritik aber nicht hinausgegangen (Lawson, S. 10-107).

Al-Qasim Ibn Ibrahim Al-Rassi (gest. 860) hielt an der Geschichtlichkeit der Kreuzigung Jesu fest. 1932 hat Louis Massignon nachgewiesen, dass auch der bekannte sunnitische Theologe Abu Hamid Al-Ghazali (gest. 1111) die Geschichtlichkeit der Kreuzigung Jesu bestätigte (Lawson, S. 76-81).

Abu Hatim Al-Razi (gest. 933/4) verstand den Schlussteil von 4,157 und 4,158 so:

[…] Sie haben ihn nicht wirklich getötet. Gott hat ihn zu sich erhoben.

Er verwies auf zwei Koranstellen:

Und sagt nicht von denen, die auf Allahs Weg getötet werden, sie seien tot! Nein! Vielmehr sind sie lebendig; aber ihr nehmt es nicht wahr. (Sure 2,154)

Und meine ja nicht, diejenigen, die auf Allahs Weg getötet worden sind, seien (wirklich) tot. Nein! Vielmehr sind sie lebendig bei ihrem Herrn und werden versorgt. (Sure 3,169)

Al-Razi erklärte, dass der Koran und die Evangelien im Buchstaben und im Geist übereinstimmen. Er verwies auf Stellen aus Johannes, Lukas und Matthäus. Was er mit dem „Johanneszitat“ gemeint haben konnte, ist rätselhaft. Die „Zitate“ aus Lukas und Matthäus ähneln dem Wort aus Matthäus 10,28:

Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet euch eher vor dem, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann!

In einem anderen Werk, einer Diskussion mit Al-Nasafi, verneint Al-Razi jedoch die Kreuzigung Jesu. Al-Nasafi hielt jedoch daran fest. (Lawson, Seite 81-83)

Auch Ja’far Ibn Mansur Al-Yaman (gest. 960) und Al-Sijistani (gest. 971) waren von der Historizität der Kreuzigung Jesu überzeugt (Lawson, Seite 83-85).

Im 10. Jahrhundert haben die „Brüder der Reinheit“ (Ikhwan Al-Safa) vertreten, dass der König der Söhne Israel die Kreuzigung Jesu angeordnet hat. Seine nasut (körperliche Realität) wurde gekreuzigt. Er wurde mit einer Lanze durchbohrt und begraben. Nach drei Tagen erschien er seinen Jüngern, welche ihn erkannten. So verbreitete sich unter den Söhnen Israel die Nachricht, dass der Messias nicht getötet wurde. Das Grab wurde geöffnet und seine nasut nicht gefunden.

Diese Beispiele sollen zeigen, dass es zumindest einige Interpreten gab, die die Substitutionstheorie als unzutreffend sahen, und die Kreuzigung Jesu mit Sure 4,157-158 vereinbar hielten. Ob der Autor des Korans das auch so gesehen hat, sei dahingestellt.

Zusammenfassung

  • Der Abschnitt Sure 4,153-161 wollte in erster Linie Anklagen gegen die Juden vorbringen. Die Kreuzigung Jesu ist dabei ein Nebenthema.
  • Den Juden wird dabei etwas in den Mund gelegt, was sie unmöglich gesagt haben konnten.
  • Jesus wurde nicht von den Juden, sondern von den Römern gekreuzigt.
  • Der Text ist sehr unpräzise formuliert und hat zu einer Vielzahl unterschiedlicher Auslegungen geführt. Dadurch trifft der Vorwurf der Uneinigkeit und des Zweifels nicht die Christen, die sich in Bezug auf den Tod Jesu immer einig waren, sondern alleine die Muslime.
  • Es scheint, dass der Text sogar die Faktizität der Kreuzigung Jesu zulässt. Das entspricht zwar nicht dem islamischen Mainstream, könnte aber ehrlichen Muslimen eine Hilfe bieten, die Scheu vor den Berichten der Evangelien abzulegen.
  • Gott ist die Wahrheit und lügt nicht.

 

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