Das Schweigen des Korans über die Mutter Mohammeds

Man findet im Koran sehr wenig über das Leben Mohammeds, über seine Familie, seine Taten. Das meiste ist wohl in Sure 33 niedergeschrieben. Viele Anspielungen auf ihn sind ohne zusätzliche Information nur schwer verstehbar.

Versteht man Sure 93,6-8 als Rede an Mohammed, dann deuten diese Verse darauf hin, dass er ein Waisenkind war:

6 Hat Er dich nicht als Waise gefunden und (dir) dann Zuflucht verschafft 7 und dich irregehend gefunden und dann rechtgeleitet 8 und dich arm gefunden und dann reich gemacht?

Sein Vater und seine Mutter werden im Koran nicht erwähnt. Nur die von Ibn Hischām im 9. Jahrhundert auf der Basis eines von Ibn Ishaq im 8. Jahrhundert geschriebenen Werkes verfasste Biografie Mohammeds liefert mehr Information dazu. Ich zitiere einige Auszüge aus der deutschen Übersetzung von Gustav Weil1.

Er überliefert zwei unterschiedliche Traditionen über die Heirat seines Vaters Abdallah und seiner Mutter Amina:

Abd Muttalib ergriff dann die Hand Abd Allah’s, und kam mit ihm, wie man glaubt, in die Nähe des Tempels, an einer Frau von den Benu Asad […] vorüber, welche die Schwester des Waraka […] war. Als sie ihm in’s Gesicht sah, sagte sie: „wo willst Du hin, Abd Allah?“ – „Ich gehe mit meinem Vater.“ – „Ich gebe Dir so viele Kameele, als statt Deiner geschlachtet worden sind, wenn Du mich sogleich heiratest.“ – Ich kann meinen Vater jetzt nicht verlassen, noch etwas gegen seinen Willen thun.“ Abd Muttalib gieng dann mit seinem Sohne zu Wahb […], welcher damals der Herr der Benu Zurra war, sowohl wegen seines Ansehens als seiner Jahre, und er gab ihm seine Tochter Aminah zur Frau, welche damals die vorzüglichste Frau unter Kureisch war, sowohl durch ihren Rang als durch ihre Abkunft. Ihre Mutter hiess Barrah, […] Wie man glaubt, ehelichte er sie alsbald, und sie wurde schwanger mit dem Gesandten Gottes, dann verliess er sie, und kam wieder zur Frau, die sich ihm angeboten hatte, und fragte sie: „warum machst Du mir heute nicht wieder den Vorschlag, den Du mir gestern gemacht?“ sie antwortete: „das Licht,das gestern an Dir war, hat Dich verlassen, ich habe Nichts mehr mit Dir zu thun.“ Sie hatte nämlich von ihrem Bruder Waraka I. Naufal gehört – dieser war Christ geworden und hatte die Schrift gelesen – dass aus diesem Geschlechte ein Prophet auferstehen werde.

Abu Ishak I. Jasar hat mir berichtet, ihm sei erzählt worden, Abd Allah sei zu einer Frau gekommen, welche er neben Aminah hatte, und habe sie liebkosen wollen, er hatte aber Erdarbeiten verrichtet, und war noch beschmiert davon, wesshalb sie es verschieben wollte. Er verliess sie, wusch sich ab, und wollte zu Aminah gehen. Als er an jener vorüber kam, rief sie ihn zu sich, er gab ihr aber kein Gehör, sondern begab sich zu Aminah und beschlief sie, und sie wurde schwanger mit Mohammed. Dann kam er wieder an jener Frau vorüber, und fragte sie: „hast Du Lust?“ sie antwortete: „nein, als Du an mir vorüberkamst, war ein glänzender Punkt zwischen Deinen Augen, darum forderte ich Dich zu mir auf, Du weigertest Dich aber und giengst zu Aminah, nun ist der Glanz auf sie übergegangen.“ […]

Der Autor wollte durch diese Darstellung die Besonderheit Mohammeds hervorheben. Was aber auch sichtbar wurde, ist die „Flexibilität“ von Mohammeds Vater, der problemlos von einer Frau zur nächsten gehen konnte.

Man berichtet – Gott ist allwissend – Aminah,  die Tochter Wahb’s habe erzählt: als sie mit dem Gesandten Gottes schwanger war, sei ihr ein Geist erschienen, der ihr gesagt habe: „Du bist mit dem Herrn dieses Volkes schwanger, sage bei seiner Geburt: ich stelle ihn unter den Schutz des Einzigen, dass er ihn vor der Bosheit aller Neider bewahre, und nenne ihn Mohammed!“ sie soll auch, während ihrer Schwangerschaft, ein aus ihr hervorstrahlendes Licht bemerkt haben, bei welchem man die Schlösser von Bossra in Syrien sehen konnte. Noch während der Schwangerschaft Aminah’s starb Abd Allah, der Sohn Abd Almuttalibs, der Vater des Gesandten Gottes. […]

Bosra in Syrien ist 1277 km von Mekka entfernt.

Als Mohammed geboren war, schickte seine Mutter nach Abd Almuttalib, und liess ihn bitten, den Knaben zu sehen. Er kam, und sie erzählte ihm, was sie zur Zeit der Schwangerschaft gesehen, was ihr über ihn gesagt worden und wie sie ihn nennen sollte. Man glaubt, Abd Almuttalib habe ihn dann genommen, und nach der Kaaba getragen, und Gott für diese Gabe gedankt, dann brachte er ihn wieder seiner Mutter zurück, und suchte nach Ammen für ihn. […] Die Amme war eine Frau von den Benu Saad I. Bekr, welche Halimeh hiess. […]
Djahm I. Abi Dham […] hat mir […] berichtet, Halimeh […] habe erzählt: „ich verliess meine Heimath mit meinem Gatten und einem Säugling, und andern Frauen von den Benu Saad, welche auch Säuglinge suchten, in einem Hungerjahre, das uns Nichts übrig liess, […] bis wir endlich nach Mekka kamen, um Säuglinge zu suchen. Der Gesandte Gottes wurde allen Frauen angeboten, aber keine wollte ihn nehmen, sobald sie hörte, dass er ein Waisekind, denn wir erwarteten Geschenke vom Vater des Säuglings, und dachten, was wird wohl eine Mutter und ein Grossvater für uns thun. Als aber aller andre Frauen Säuglinge gefunden hatten, und wir wieder heimreisen wollten, sagte ich zu meinem Gatten: „Bei Gott, ich gehe nicht gern ohne Säugling mit meinen Gefährtinnen zurück, ich werde dieses Waisekind nehmen. […]

Es folgt eine Beschreibung, wie durch die Aufnahme des kleinen Mohammed die Situation seiner Amme sich in jeder Hinsicht zum Positiven veränderte.

Mir erscheint es widersprüchlich, dass Amina, die doch die „vorzüglichste Frau“ ihres Stammes gewesen sein soll, so schwer eine Amme fand. Warum wurde überhaupt eine Amme für ihn gesucht? Wäre es nicht besser gewesen, Mohammed hätte die ersten Lebensjahre in der Geborgenheit seiner Mutter verbracht?

Nach zwei Jahren wurde Mohammed entwöhnt, Amina ließ ihn aber auf Drängen der Amme noch länger bei ihr. Nach einem seltsamen Ereignis fürchtete die Amme jedoch, dass Mohammed von einem bösen Geist besessen sein könnte, und brachte ihn zu seiner Mutter zurück.

[…] Da sagte sie: „fürchtest Du, er sei von einem bösen Geiste besessen?“ und als ich „ja“ sagte, versetzte sie: „niemals, bei Gott! Satan findet keinen Zugang zu ihm, denn er wird einst eine hohe Stellung einnehmen, soll ich Dir von ihm erzählen?“ Als ich „ja“ sagte, fuhr sie fort: „Als ich schwanger wurde, sah ich ein Licht von mir ausstrahlen, so hell, dass es die Schlösser von Bossra in Syrien beleuchtete. Meine Schwangerschaft war so leicht und angenehm, wie ich noch nie eine hatte. Als ich ihn gebar, streckte er die Hände auf den Boden, und hob den Kopf gen Himmel, doch lasse ihn jetzt und kehre gut heim!“ […]

Interessant ist die Feststellung Aminas, dass die Schwangerschaft so leicht war, „wie ich noch nie eine hatte“. Das setzt nach meinem Verständnis voraus, dass sie auch vorher schon schwanger war. War sie eine geschiedene Frau oder eine Witwe?

Der Gesandte Gottes lebte unter Gottes Beistand und Schutz bei seiner Mutter und seinem Grossvater, und Gott liess ihn als eine schöne Pflanze aufwachsen, zu dem in seiner Gnade gesteckten Ziele. Als er aber sechs Jahre alt war, starb seine Mutter. […]

Diese lange Zeit nach Mohammed verfassten Texte sind nur bedingt als historische Quelle zu verwenden und sichtlich mit legendenartigen Stoffen, wie etwa dem Licht, das von Amina ausging, angereichert worden.

Unter der Annahme, dass es sich bei Mohammed tatsächlich um eine historische Person handelte, spricht viel dafür, dass er seine Eltern schon in sehr jungem Alter verloren hat.

Später entstand unter den Muslimen eine Diskussion zu der Frage, ob die Eltern Mohammeds in der Hölle sind, da diese ja noch vor der Offenbarung des Islams als Götzendiener gestoben sind. Ich beschäftige mich hier nicht damit. Ein Wikipedia-Artikel zu dieser Frage fasst die unterschiedlichen Standpunkte zusammen. Interessant ist, dass einer von mir nicht verifizierbaren Überlieferung zufolge ein Besuch Mohammeds am Grab seiner Mutter, als er für sie beten wollte, der Offenbarungsanlass für Sure 9,113 gewesen sei.

Dem Propheten und denjenigen, die glauben, steht es nicht zu, für die Götzendiener um Vergebung zu bitten, auch wenn es Verwandte wären, nachdem es ihnen klargeworden ist, daß sie Insassen des Höllenbrandes sein werden.

Die Frage nach der Errettung der Eltern Mohammeds war und ist unter Muslimen kontrovers.

Wenn Mohammed wirklich der größte und letzte Prophet war, warum hat Gott nicht dafür gesorgt, dass er gläubige Eltern hat, die ihm schon von klein auf die richtige Leitung geben?

Es kann natürlich auch sein, dass ein Gottesmann von ungläubigen Eltern geboren wird. Wir sehen das z. B. an den frommen Königen Hiskija und Joschija, die beide sehr gottlose Könige als Vater hatten.

Wenn wir aber Mohammed mit Jesus vergleichen, so sehen wir, dass es für Gott schon sehr wichtig war, dass Jesus eine gläubige Mutter hatte. Auch Josef, der die Vaterrolle einnahm, war ein frommer Mann. Auch der Koran bringt Maria eine große Wertschätzung entgegen. Sie ist die einzige namentlich erwähnte Frau im Koran. Nach ihr wird die Sure 19 benannt.

In Sure 21,91 heißt es über sie:

Und (auch) diejenige, die ihre Scham unter Schutz stellte. Da hauchten Wir ihr von Unserem Geist ein und machten sie und ihren Sohn zu einem Zeichen für die Weltenbewohner.

Der Koran nennt Maria gemeinsam mit Jesus ein Zeichen für die Weltenbewohner.

Wenn es für Gott so wichtig war, dass Jesus so eine hervorragende Frau als Mutter bekommt, warum war das im Falle Mohammeds nicht wichtig?

Sollte das einen Muslim nicht zum Nachdenken bringen, wer tatsächlich der letzte Prophet ist?

1 Vielfältig und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; 2 am Ende dieser Tage hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben von allem eingesetzt, durch den er auch die Welt erschaffen hat. (Hebräer 1,1-2)


  1. Das Leben Mohammeds nach Mohammed Ibn Ishak bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischam, aus dem Arabischen übersetzt von Dr. Gustav Weil, 1. Band, Stuttgart 1864, S.75-81. 

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