Ich habe mich in einem früheren Beitrag mit der Frage beschäftigt, inwieweit die Lehre der Wiederverkörperung dem Wesen des Menschen entspricht.
In diesem Beitrag soll es um die biblische Sicht der Reinkarnation gehen. Da es im Neuen Testament nur wenige Stellen gibt, in denen man meint, diese Lehre finden zu können, wird von Vertretern dieser Lehre oft angenommen, dass Stellen, die die Wiederverkörperung gelehrt haben, aus dem Text des Neuen Testaments getilgt wurden. Mehr dazu kann man hier lesen.
Ich werde zuerst auf Bibelstellen eingehen, die als Belege für die Reinkarnation angeführt werden. Anschließend geht es um Stellen, die dagegen sprechen. Abschließend soll geklärt werden, was „Wiedergeburt“ im Neuen Testament wirklich meint.
Stellen, die für die Reinkarnation angeführt werden
Johannes der Täufer und Elija
Nach seiner Verklärung sagte Jesus zu drei seiner Jünger:
12 Ich sage euch aber: Elija ist schon gekommen, doch sie haben ihn nicht erkannt, sondern mit ihm gemacht, was sie wollten. Ebenso wird auch der Menschensohn durch sie leiden müssen. 13 Da verstanden die Jünger, dass er zu ihnen von Johannes dem Täufer sprach. (Matthäus 17,12-13)
Auf den ersten Blick könnte man diese Worte so verstehen, dass Jesus gemeint habe, Johannes wäre eine Reinkarnation des Propheten Elija. Betrachten wir aber den Zusammenhang, in dem Jesus das gesagt hat, passt diese Erklärung nicht. Kurz zuvor sahen die Jünger während der sogenannten Verklärung in einer Vision den verherrlichten Jesus im Gespräch mit Mose und Elija (Matthäus 17,1-9). Sie sahen Elija und nicht Johannes den Täufer. Die Frage, woher sie wussten, dass es sich um Elija handelte, findet ihre Antwort vermutlich darin, dass in einer von Gott geschenkten Vision den Sehenden diese Details klar sind. Wenn die Jünger einerseits in der Vision Elija sehen, andererseits Jesus kurz danach sagt, dass Elija im Täufer gekommen ist, legt sich nahe, dass Jesus nicht gemeint hat, dass Johannes der reinkarnierte Elija war.
In Matthäus 11,14 sagte Jesus über den Täufer:
Und wenn ihr es annehmen wollt: Er ist Elija, der wiederkommen soll.
Der Halbsatz „wenn ihr es annehmen wollt“ zeigt, dass es um eine geistliche Beurteilung geht, die von der Betrachtungsweise eines Menschen abhängt. Jesus wollte damit sagen, dass Johannes die Aufgabe Elijas erfüllt hat und in diesem Sinne Elija war.
Johannes der Täufer hat es abgelehnt, Elija zu sein.
Sie fragten ihn: Was dann? Bist du Elija? Und er sagte: Ich bin es nicht. (Johannes 1,21a)
Er war weder der wiedergekommene noch der reinkarnierte Elija. In Johannes hat sich erfüllt, was seinem Vater Zacharias vom Engel verheißen wurde:
Er wird ihm mit dem Geist und mit der Kraft des Elija vorangehen, um die Herzen der Väter den Kindern zuzuwenden und die Ungehorsamen zu gerechter Gesinnung zu führen und so das Volk für den Herrn bereit zu machen. (Lukas 1,17)
Dadurch sollte klar sein, dass Johannes nicht die Reinkarnation des Propheten Elija war. Mehr über das Kommen Elijas gibt es hier zu lesen.
Auch von Jesus wurde angenommen, dass er einer der früheren Propheten sei:
13 Als Jesus in das Gebiet von Cäsarea Philippi kam, fragte er seine Jünger und sprach: Für wen halten die Menschen den Menschensohn? 14 Sie sagten: Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für Jeremia oder sonst einen Propheten. (Matthäus 16,13-14)
18 Und es geschah: Jesus betete für sich allein und die Jünger waren bei ihm. Da fragte er sie: Für wen halten mich die Leute? 19 Sie antworteten: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija; wieder andere sagen: Einer der alten Propheten ist auferstanden. (Lukas 9,18-19)
Beide Stellen erzählen dieselbe Situation. Laut Lukas haben die Menschen nicht gedacht, dass Jesus eine Inkarnation eines früheren Propheten war, sondern sie haben eher mit der Möglichkeit der Auferstehung eines der alten Propheten gerechnet. Im Falle von Johannes dem Täufer wäre eine Reinkarnation ohnehin nicht möglich gewesen, da Johannes nur kurze Zeit zuvor hingerichtet worden war und Jesus nur ein halbes Jahr jünger als der Täufer war.
Man kann annehmen, dass das Auftreten Jesu bei vielen Menschen große Fragen hervorgerufen hat. Da sie sahen, dass Gott in Jesus gewirkt hat, aber vielleicht doch nicht bereit waren, Jesus als Messias zu sehen, da er nicht ihren eigenen Messiasvorstellungen entsprochen hat, haben sie nach alternativen Erklärungen gesucht, die nicht immer durchdacht waren. Sie haben aber eher an das ihnen vertraute Konzept der Auferstehung gedacht als an Reinkarnation.
Der Blindgeborene
1 Unterwegs sah Jesus einen Mann, der seit seiner Geburt blind war. 2 Da fragten ihn seine Jünger: Rabbi, wer hat gesündigt? Er selbst oder seine Eltern, sodass er blind geboren wurde? 3 Jesus antwortete: Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern die Werke Gottes sollen an ihm offenbar werden. (Johannes 9,1-3)
Die Jünger Jesu waren in dem Denken verhaftet, dass eine Krankheit in der Regel eine Strafe für Sünde ist, obwohl sie aus dem alttestamentlichen Buch Ijob wissen können hätten, dass das nicht so einfach ist. Der Anblick des Blindgeborenen hat sie wieder mit dieser Frage nach der Ursache des Übels konfrontiert. Sie wollten eine Erklärung dafür haben. Sie sahen mögliche Ursachen in den Sünden seiner Eltern oder in den Sünden des Blindgeborenen selbst. Auch wenn sie die Sünden des Blindgeborenen in Erwägung gezogen haben, bedeutet das nicht, dass sie an Reinkarnation gedacht haben. Es wäre auch denkmöglich, dass Gott, da er die Sünden des Betreffenden schon im Vorhinein kannte, die Blindheit als Strafe für spätere Sünden zugelassen hätte. Man muss aber auch damit rechnen, dass die Jünger durch diese Frage einfach ihre Ratlosigkeit ausgedrückt haben. Sie hatten keine Antwort und brachten Erklärungsvorschläge, die ihnen in der konkreten Situation durch den Kopf gingen, die sie aber nicht auf alle möglichen Konsequenzen hin geprüft hatten. Gerade weil sie nicht wussten, wie sie die Sache beurteilen sollten, haben Sie Jesus gefragt.
Was zählt, ist die Antwort Jesu, nicht die Erklärungsversuche seiner Jünger. Sogar wenn die Jünger an Wiederverkörperung gedacht hätten, wird aus der Antwort des Herrn klar, dass hier nicht von Reinkarnation die Rede sein kann. Jesus sagte ihnen, dass es nicht darum geht, die Ursache der Behinderung in Sünden zu suchen. Sie sollen darauf schauen, was Gott daraus machen wird. Gott wird die Blindheit dieses Menschen zur Offenbarung seiner Werke nützen. Das heißt keinesfalls, dass Gott deswegen bewirkt hat, dass dieser Mensch blind geboren wurde, damit er später ein Wunder wirken könne. Die Antwort Jesu wies auf das Ziel, nicht die Ursache der Behinderung dieses Menschen hin. Er war aus irgendeiner natürlichen Ursache blind geboren worden, wie es in unserer gefallenen Welt leider vorkommt. Gott hat diese Blindheit genützt, um sich und seinen Sohn zu verherrlichen.
Die Antwort Jesu zeigt, dass es nicht um Karma geht, auch nicht um Reinkarnation.
Das Gesetz von Saat und Ernte
Etliche Stellen der Bibel drücken aus, dass das Tun eines Menschen Folgen hat. Als Beispiel wird von Vertretern des Reinkarnationsglaubens Galater 6,7 angeführt:
Täuscht euch nicht: Gott lässt seiner nicht spotten; denn was der Mensch sät, wird er auch ernten.
Doch schon die Fortsetzung zeigt, dass Paulus nicht an die Reinkarnation gedacht hat.
Denn wer auf sein eigenes Fleisch sät, wird vom Fleisch Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, wird vom Geist ewiges Leben ernten. (Galater 6,8)
Es geht hier nicht um die Vergeltung nach einer Reinkarnation. Wenn wir auf den Geist säen, wird uns der Geist vor einem Leben in Sünde bewahren, und wir werden das Ziel des Glaubens erreichen: das ewige Leben in vollkommener Gemeinschaft mit dem himmlischen Vater. Wenn wir auf unser Fleisch, d. h. unsere sündhaften Begierden säen, werden wir Verderben ernten, in gewisser Weise schon in diesem Leben. Wenn wir nicht umkehren, ist die ewige Trennung von Gott die Folge unseres Tuns.
Nicht von Karma und Reinkarnation ist die Rede. Paulus wollte seine Leser aufrütteln, ihr Leben ganz Gott anzuvertrauen, sich von den Sünden loszusagen und durch Gottes Gnade im Heiligen Geist ein gottgefälliges Leben zu führen.
Das „Rad der Geburt“
5 So ist auch die Zunge nur ein kleines Körperglied und rühmt sich großer Dinge. Und siehe, wie klein kann ein Feuer sein, das einen großen Wald in Brand steckt. 6 Auch die Zunge ist ein Feuer, eine Welt voll Ungerechtigkeit. Die Zunge ist es, die den ganzen Menschen verdirbt und das Rad des Lebens in Brand setzt; sie selbst aber wird von der Hölle in Brand gesetzt. (Jakobus 3,5-6)
Der von der Einheitsübersetzung mit Rad des Lebens wiedergegebene Ausdruck wird von Vertretern der Reinkarnation mit Rad der Geburt übertragen. Sie sehen darin einen Beleg für den urchristlichen Glauben an die Reinkarnation.
Im Griechischen steht τροχός τῆς γενέσεως / trochós tēs genéseōs. Trochós kommt im Neuen Testament nur an dieser Stelle vor und bedeutet „Rad“, „Lauf“. Genéseōs ist der Genitiv von génesis. Dieses Wort bedeutet „Ursprung“, „Anfang“. In Lukas 1,14 und möglicherweise auch in Matthäus 1,18 wird es im Sinne von „Geburt“ verwendet. Das eigentliche Wort für „Geburt“ ist aber das ähnliche Wort γέννησις / génnēsis, das aber im Neuen Testament nicht vorkommt (nur in späteren Handschriften in Matthäus 1,18 und Lukas 1,14). Aufgrund der neutestamentlichen Wortverwendung wäre die Übersetzung „Rad der Geburt“ möglich und könnte in einem vom Glauben an die Reinkarnation geprägten Umfeld auch in diese Richtung interpretiert werden.
Jakobus verwendet das Wort génesis noch in 1,23:
Wer nur Hörer des Wortes ist und nicht danach handelt, gleicht einem Menschen, der sein eigenes Gesicht im Spiegel betrachtet:
Für „sein eigenes Gesicht“ steht wörtlich „das Gesicht seiner Genesis“. Hier hat das Wort génesis vermutlich die Bedeutung „Art“, „Geschlecht“. Ein Mensch betrachtet das Gesicht, das seine Art zeigt, d. h. sein eigenes Gesicht. Das scheint eine andere Bedeutung als in 3,6 zu sein. So ist der Vergleich mit 1,23 nicht unbedingt hilfreich für das Verständnis von 3,6.
Im Zusammenhang von Jakobus 3,5-6 geht es um Sünden der Zunge, vor denen Jakobus warnt. Wir sollen auf unsere Worte achthaben, da Worte eine große zerstörerische Kraft entwickeln können. Ähnlich einer kleinen Flamme, die einen ganzen Wald vernichten kann, kann auch die Zunge, so sie von der Hölle in Brand gesetzt wird, zerstörerisch wirken. Wenn nicht Gott unser Denken und Reden bestimmt, kann großer Schaden entstehen. Zuerst verderben die Sünden unserer Zunge uns selbst, der ganze Mensch wird verdorben. Doch geht der Schaden noch darüber hinaus. Wäre mit dem „Rad des Lebens“ oder dem „Rad der Geburt“ die Reinkarnation gemeint, wäre das doch wieder nur der Schaden, der uns selbst betrifft, gemeint, wenn auch nach der Reinkarnation. Aber wollte Jakobus nicht ausdrücken, dass der durch die Zunge angerichtete Schaden über uns selbst hinausgeht. Unsere sündhaften Worte richten ihr Werk der Zerstörung auch an anderen Menschen an.
Ich kann hier auch keine ideale Wiedergabe dieser Wendung anbieten. Die alte Jerusalemer Bibel lautet: […] und den Umkreis des Werdens in Brand setzt […]. In der Fußnote wird das als „die ganze Welt“ meinend erklärt. Diese Übersetzung ist möglich, da génesis auch „Werden“ heißen kann. Walter Bauer schlägt die Übersetzung „Lebenslauf“ vor, wohl im Sinne „Lauf des Lebens“. Schlachter 2000 bietet „Umkreis des Lebens“. Auch wenn die exakte Bedeutung offenbleiben muss, scheint es darum zu gehen, dass Jakobus nicht nur vor den Auswirkungen sündhaften Sprechens auf uns selbst warnen will, sondern darauf hinweisen will, dass diese Sünden Auswirkungen haben, die weit über unsere Person hinausgehen. Es gibt eine universale Dimension der Zerstörung, die hier genannt wird.
Es gibt im Jakobusbrief keine weiteren Indizien für Reinkarnation. In 1,15 warnt Jakobus vor dem Tod als eine Konsequenz der Sünde:
Wenn die Begierde dann schwanger geworden ist, bringt sie die Sünde zur Welt; ist die Sünde reif geworden, bringt sie den Tod hervor.
Dazu passt auch der Schlussvers des Briefes:
[…] dann soll er wissen: Wer einen Sünder, der auf einem Irrweg ist, zur Umkehr bewegt, rettet ihn vor dem Tod und deckt viele Sünden zu. (Jakobus 5,20)
Der Tod, um den es hier geht, ist der geistliche Tod, die Trennung von Gott. Jakobus warnt nicht vor einer schlechten Reinkarnation, sondern vor dem Tod, der ewigen Ferne von der Quelle des Lebens, die nur Gott ist.
So spricht auch der Gesamtzusammenhang des Jakobusbriefs nicht dafür, dass in 3,6 die Reinkarnation gemeint ist.
Was gegen Reinkarnation spricht
Der Mensch lebt und stirbt ein einziges Mal
Die Frage der Reinkarnation wird im Neuen Testament nicht thematisiert. Daher gibt es auch keinen Text, der sich ausdrücklich gegen diese Lehre wendet. Jedoch spricht eine Stelle eindeutig über die Einmaligkeit des Lebens und Sterbens eines Menschen auf dieser Erde.
27 Und wie es dem Menschen bestimmt ist, ein einziges Mal zu sterben, worauf dann das Gericht folgt, 28 so wurde auch Christus ein einziges Mal geopfert, um die Sünden vieler hinwegzunehmen; beim zweiten Mal wird er nicht wegen der Sünde erscheinen, sondern um die zu retten, die ihn erwarten. (Hebräer 9,27-28)
Der Schreiber des Hebräerbriefs hat hier nicht über Reinkarnation geschrieben, sondern über die Einmaligkeit des Opfers Jesu am Kreuz. Er hat aber als Vergleichspunkt die Einmaligkeit des Sterbens eines Menschen herangezogen. Er musste das nicht eigens begründen, sondern konnte das als selbstverständliche Erkenntnis seiner Leser voraussetzen. Jeder Mensch lebt und stirbt nur einmal. Danach kommt das Gericht mit der Konsequenz der ewigen Gottesgemeinschaft oder der ewigen Gottesferne. Eine Reinkarnation passt nicht in dieses Konzept.
Auferstehung und ewiges Gericht
Quer durch das Neue Testament, sowohl in den Evangelien als auch in den Briefen lesen wir über die Auferstehung. Nicht nur über die Auferstehung Jesu, sondern auch über die Auferstehung aller Menschen. Auch wenn vor allem die Auferstehung der Gläubigen im Blickpunkt ist, wird auch die Auferstehung der Ungerechten angesprochen.
28 Wundert euch nicht darüber! Die Stunde kommt, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören 29 und herauskommen werden: Die das Gute getan haben, werden zum Leben auferstehen, die das Böse getan haben, werden zum Gericht auferstehen. (Johannes 5,28-29)
Die Menschen werden auferstehen, nicht um zu reinkarnieren, sondern um die Konsequenzen ihres irdischen Lebens zu erfahren. Entweder ewiges Leben bei Gott oder das Gericht, die Trennung von Gott.
Schon vor Jesus finden wir diese Lehre im Buch Daniel:
Von denen, die im Land des Staubes schlafen, werden viele erwachen, die einen zum ewigen Leben, die anderen zur Schmach, zu ewigem Abscheu. (Daniel 12,2)
Auch hier geht es um einen ewigen Zustand, nicht um einen Neueintritt in einen Kreislauf.
Im Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus heißt es:
22 Es geschah aber: Der Arme starb und wurde von den Engeln in Abrahams Schoß getragen. Auch der Reiche starb und wurde begraben. 23 In der Unterwelt, wo er qualvolle Schmerzen litt, blickte er auf und sah von Weitem Abraham und Lazarus in seinem Schoß. 24 Da rief er: Vater Abraham, hab Erbarmen mit mir und schick Lazarus; er soll die Spitze seines Fingers ins Wasser tauchen und mir die Zunge kühlen, denn ich leide große Qual in diesem Feuer. 25 Abraham erwiderte: Mein Kind, erinnere dich daran, dass du schon zu Lebzeiten deine Wohltaten erhalten hast, Lazarus dagegen nur Schlechtes. Jetzt wird er hier getröstet, du aber leidest große Qual. 26 Außerdem ist zwischen uns und euch ein tiefer, unüberwindlicher Abgrund, sodass niemand von hier zu euch oder von dort zu uns kommen kann, selbst wenn er wollte. (Lukas 16,22-26)
In diesem Gleichnis ist zwar nicht von der Auferstehung die Rede, wohl aber vom Gericht. Hätte Jesus die Reinkarnation gelehrt, hätte er dieses Gleichnis nicht in dieser Weise erzählen können.
Am Areopag in Athen sagte Paulus:
Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis in Gerechtigkeit richten wird, durch einen Mann, den er dazu bestimmt und vor allen Menschen dadurch ausgewiesen hat, dass er ihn von den Toten auferweckte. (Apostelgeschichte 17,31)
Es gibt einen Tag des Gerichts, an dem alle in Gerechtigkeit gerichtet werden. Es gibt nicht eine Beurteilung, wo bei einem Menschen entschieden wird, in welcher Weise er reinkarnieren soll.
Dem römischen Statthalter Felix gegenüber bekannte Paulus:
[…] und ich habe dieselbe Hoffnung auf Gott, die auch diese hier haben: dass es eine Auferstehung der Gerechten und Ungerechten geben wird. (Apostelgeschichte 24,15)
Auferstehung meint nicht Reinkarnation.
Denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, damit jeder seinen Lohn empfängt für das Gute oder Böse, das er im irdischen Leben getan hat. (2 Korinther 5,10)
Hier könnte man meinen, dass der Lohn für das Gute oder Böse eine entsprechende Reinkarnation sein könnte. Doch widerspricht das dem, was Paulus am Anfang des Kapitels schreibt.
Wir wissen: Wenn unser irdisches Zelt abgebrochen wird, dann haben wir eine Wohnung von Gott, ein nicht von Menschenhand errichtetes ewiges Haus im Himmel. (2 Korinther 5,1)
Wir haben eine Wohnung im Himmel, nicht eine Reinkarnation in einer guten Position. Paulus schreibt das allgemein für alle Christen, nicht für einige wenige, denen es gegönnt ist, aus dem Kreislauf der Reinkarnationen auszusteigen.
Jeder Mensch ist eine einzigartige Schöpfung Gottes.
13 Du selbst hast mein Innerstes geschaffen, hast mich gewoben im Schoß meiner Mutter. 14 Ich danke dir, dass ich so staunenswert und wunderbar gestaltet bin. Ich weiß es genau: Wunderbar sind deine Werke. 15 Dir waren meine Glieder nicht verborgen, als ich gemacht wurde im Verborgenen, gewirkt in den Tiefen der Erde. 16 Als ich noch gestaltlos war, sahen mich bereits deine Augen. In deinem Buch sind sie alle verzeichnet: die Tage, die schon geformt waren, als noch keiner von ihnen da war. (Psalm 139,13-16)
Der Mensch entsteht durch Gottes Wirken im Schoß seiner Mutter. Er wird nicht reinkarniert. Gott hat ihn geschaffen.
Ausspruch. Das Wort des HERRN über Israel. Der Spruch des HERRN, der den Himmel ausgespannt, die Erde gegründet und den Geist des Menschen in dessen Innern geformt hat. (Sacharja 12,1)
Auch aus diesem Vers können wir sehen, dass jeder Mensch ein von Gott geliebtes Geschöpf ist. Er hat den Geist jedes Menschen in seinem Innern geformt, nicht in sein Inneres inkarniert. Mehr zu dieser Stelle gibt es in einem eigenen Beitrag.
Was bedeutet „Wiedergeburt“ im Neuen Testament?
Das griechische Wort παλιγγενεσία / palingenesía („Wiedergeburt“) kommt an zwei Stellen im Neuen Testament mit unterschiedlicher Bedeutung vor.
Die eine Stelle ist Matthäus 19,28:
Jesus aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auch ihr werdet in der Wiedergeburt, wenn der Sohn des Menschen auf seinem Thron der Herrlichkeit sitzen wird, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten. (Elberfelder)
Die Einheitsübersetzung übersetzt etwas freier. Dort lautet der Text so:
Jesus erwiderte ihnen: Amen, ich sage euch: Wenn die Welt neu geschaffen wird und der Menschensohn sich auf den Thron der Herrlichkeit setzt, werdet auch ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten.
Mit der Wiedergeburt ist die Erneuerung der Schöpfung am Ende der Zeit gemeint. Es wird ein ganz neuer Anfang für die Welt sein, die für alle Ewigkeit in der von Gott geschenkten Harmonie ihren Schöpfer verherrlichen wird.
Um Reinkarnation geht es hier nicht.
Die andere Stelle ist im Titusbrief:
3 Denn auch wir waren früher unverständig und ungehorsam, dem Irrtum verfallen, Sklaven aller möglichen Begierden und Leidenschaften, lebten in Bosheit und Neid, waren verhasst und hassten einander. 4 Als aber die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Retters, erschien, 5 hat er uns gerettet – nicht aufgrund von Werken der Gerechtigkeit, die wir vollbracht haben, sondern nach seinem Erbarmen – durch das Bad der Wiedergeburt und die Erneuerung im Heiligen Geist. (Titus 3,4-5)
Hier geht es um das Christwerden. Wenn ein Mensch sich durch Jesus Christus Gott zuwendet, sich von den Sünden, wie sie in Vers 3 aufgelistet werden, abwendet, schenkt Gott schon in dieser Welt ein neues Leben. Dieses Wunder geschieht durch den Heiligen Geist. Möglicherweise verweist der Ausdruck „Bad der Wiedergeburt“ auf die Taufe, die in der Regel am Anfang eines Christenlebens steht. Diese Taufe ist aber nicht mit dem rein formalen und inhaltlich bedeutungsleeren Ritus gleichzusetzen, der in den heutigen Konfessionen praktiziert wird. Um Reinkarnation geht es hier nicht.
Dieselbe Bedeutung haben zwei Stellen im 1. Petrusbrief, wo der Apostel das Wort ἀναγεννάω / anagennáō, wörtlich „wieder gebären“, „wieder zeugen“, verwendet.
3 Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns in seinem großen Erbarmen neu gezeugt zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten, 4 zu einem unzerstörbaren, makellosen und unvergänglichen Erbe, das im Himmel für euch aufbewahrt ist. (1 Petrus 1,3-4)
Ihr seid neu gezeugt worden, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen: aus Gottes Wort, das lebt und das bleibt. (1 Petrus 1,23)
Auch hier geht es um den Beginn eines Lebens als Christ, das seine Wurzel im Wort Gottes hat, das in Jesus Christus Mensch geworden ist. Durch seine Auferstehung schenkt er den Seinen das Leben schon in dieser Welt und in unzerstörbarer Weise im Himmel.
Auch Jakobus schreibt über das Christwerden in ähnlicher Weise:
Aus freiem Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit geboren, damit wir eine Erstlingsfrucht seiner Schöpfung seien. (Jakobus 1,18)
Wichtig sind auch die Worte Jesu im Gespräch mit Nikodemus:
1 Es war da einer von den Pharisäern namens Nikodemus, ein führender Mann unter den Juden. 2 Der suchte Jesus bei Nacht auf und sagte zu ihm: Rabbi, wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, wenn nicht Gott mit ihm ist. 3 Jesus antwortete ihm: Amen, amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht von oben geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen. 4 Nikodemus entgegnete ihm: Wie kann ein Mensch, der schon alt ist, geboren werden? Kann er etwa in den Schoß seiner Mutter zurückkehren und noch einmal geboren werden? 5 Jesus antwortete: Amen, amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus dem Wasser und dem Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen. 6 Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; was aber aus dem Geist geboren ist, das ist Geist. 7 Wundere dich nicht, dass ich dir sagte: Ihr müsst von oben geboren werden. 8 Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist. (Johannes 3,1-8)
Jesus hat seinen Gesprächspartner darauf hingewiesen, dass es nicht ausreicht, in ihm einen von Gott gesandten Menschen zu sehen. Der Mensch braucht eine lebendige Beziehung zu Gott. Jesus drückte das mit dem Bild der „Geburt von oben“ aus.
Das griechische Wort ἄνωθεν / ánōthen ist doppeldeutig. Es kann „von oben“ oder „von Neuem“ bedeuten. Der sonstige Gebrauch dieses Wortes im Johannesevangelium (Johannes 3,31; 19,11.23) spricht für die Bedeutung „von oben“. Umgekehrt spricht die Frage von Nikodemus in Vers 4 dafür, dass er die Worte Jesu als „von Neuem“ verstanden hat. Beide Übersetzungen sind daher möglich und sinnvoll. Aber auch bei der Bedeutung „von Neuem“ bleibt kein Raum für einen Gedanken an Reinkarnation, da Jesus in Vers 5 sagt, dass es darum geht, aus dem Geist geboren zu sein. Es geht um das neue Leben, das Gott durch den Heiligen Geist schenkt.
Die Erwähnung des Wassers in Vers 5 ist kein Hinweis auf die Taufe, sondern das Wasser fungiert hier als Bild für den Heiligen Geist, ein Bild, das dem Lehrer Israels (Vers 10) bekannt gewesen sein sollte, heißt es doch beim Propheten Ezechiel:
25 Ich gieße reines Wasser über euch aus, dann werdet ihr rein. Ich reinige euch von aller Unreinheit und von allen euren Götzen. 26 Ich gebe euch ein neues Herz und einen neuen Geist gebe ich in euer Inneres. Ich beseitige das Herz von Stein aus eurem Fleisch und gebe euch ein Herz von Fleisch. 27 Ich gebe meinen Geist in euer Inneres und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Rechtsentscheide achtet und sie erfüllt. (Ezechiel 36,25-27)
Wenn Johannes der Täufer angekündigt hat, dass der Messias mit Heiligem Geist und mit Feuer taufen wird (Matthäus 3,11), dann ist das Feuer auch kein Hinweis auf einen Ritus, sondern ein Bild für den Heiligen Geist. In ähnlicher Weise ist auch das Wasser in Johannes 3,5 ein Bild für den Geist.
Wenn wir im Neuen Testament über „Wiedergeburt“ oder ähnliche Begriffe lesen, geht es nie um die Reinkarnation. In einem Fall geht es um die Erneuerung der Schöpfung am Ende der Zeit. In den anderen Fällen geht es um das neue Leben, das Gott jedem schenkt, der den Ruf Jesu zur Umkehr und Nachfolge ernst nimmt.
Die Chance zur Änderung soll nicht auf ein erwünschtes künftiges Leben nach einer Reinkarnation verschoben werden. Die Zeit zur Umkehr ist jetzt.
Denn es heißt: Zur Zeit der Gnade habe ich dich erhört, am Tag der Rettung habe ich dir geholfen. Siehe, jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; siehe, jetzt ist er da, der Tag der Rettung. (2 Korinther 6,2)