Jesus, ich werde dich abberufen …

Als Allah sagte: „O ′Isa, Ich werde dich (nunmehr) abberufen und dich zu mir emporheben und dich von denen, die ungläubig sind, reinigen und diejenigen, die dir folgen, bis zum Tag der Auferstehung über diejenigen stellen, die ungläubig sind. Hierauf wird eure Rückkehr zu Mir sein, und dann werde Ich zwischen euch richten über das, worüber ihr uneinig zu sein pflegtet. (Sure 3,55)

Was hat Allah gemeint, als er von der Abberufung des koranischen Jesus sprach? Es muss um das Ende des Aufenthaltes Jesu auf dieser Erde gehen, weil auf die „Abberufung“ das „Emporheben“ zu Allah erfolgt.

Die „Abberufung“ ist zugleich eine Reinigung von den Ungläubigen. Das passt gut zum Ende seines irdischen Wirkens. Nach der Erhöhung zu Gott ist Jesus nicht mehr unter den Ungläubigen und von ihnen gereinigt.

In der Übersetzung von Abu-R-Rida lautet der Text so:

„O Jesus, siehe, Ich will dich verscheiden lassen und will dich zu Mir erhöhen, und will dich von denn Ungläubigen befreien […]“

Das Wort „verscheiden“ hat im Deutschen die Bedeutung „sterben“. Im Arabischen steht dort mutawaffīka. Laut Quran Dictionary handelt es sich um ein aktives Partizip der Wurzel wāw fā yā in der Form V. Alle anderen Koranstellen (außer 5,117) an denen dieses Verb vorkommt, haben laut dieser Quelle eine Bedeutung, die mit „sterben“ in Zusammenhang steht. Also legt sich nahe, dass auch 3,55 über den Tod Jesu spricht und hier nur aus dogmatischen Gründen anders übersetzt wird.

Ein Beispiel ist 6,61, wo dasselbe Verb zu finden ist, und er Bezug auf den Tod eindeutig ist:

Er ist der Bezwinger über Seinen Dienern. Und Er sendet Hüter über euch, bis, wenn dann zu einem von euch der Tod kommt, ihn Unsere Gesandten abberufen, und sie vernachlässigen nichts.

In 5,117 finden wir dieses Verb im Munde des koranischen Jesus:

Ich habe ihnen nur gesagt, was Du mir befohlen hast (, nämlich): ,Dient Allah, meinem und eurem Herrn! Und ich war über sie Zeuge, solange ich unter ihnen weilte. Seitdem Du mich abberufen hast, bist Du der Wächter über sie. Du bist über alles Zeuge.

Hier spricht „Jesus“ nach seiner Erhöhung zu Allah. Er hat seine Abberufung, d. h. seinen Tod, schon hinter sich. Nach der üblichen Wortbedeutung ist der Tod gemeint. Einzig aus apologetischen Gründen, um nicht in Widerspruch zu 4,157 zu kommen, verwenden die Übersetzer ein Wort, das die Aussage dieses Verses verschleiern soll.

Es ist interessant, dass diese Menschen, die den Islam verteidigen wollen, sich nicht scheuen, das, was sie als Wort Gottes betrachten, zu manipulieren. Fürchten diese Menschen die Strafe Gottes nicht?

Der TafsīrAl-Qur’ān Al-Karīm schreibt zu 3,55:

Die Art und Weise der Verscheidung Jesu aus dem irdischen Leben bleibt allein das Geheimnis unseres Schöpfers.

Nein, es ist kein Geheimnis! Unser Schöpfer hat es im Vorhinein durch seine Propheten angekündigt:

Deshalb gebe ich ihm Anteil unter den Großen und mit Mächtigen teilt er die Beute, weil er sein Leben dem Tod preisgab und sich unter die Abtrünnigen rechnen ließ. Er hob die Sünden der Vielen auf und trat für die Abtrünnigen ein. (Jesaja 53,10)

Jesus selbst hat immer wieder prophetisch von seinem kommenden Tod gesprochen:

Und er sagte: Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohepriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er muss getötet und am dritten Tage auferweckt werden. (Lukas 9,22)

Johannes, der als Augenzeuge direkt beim Kreuz Jesu stand, berichtet:

Als Jesus von dem Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! Und er neigte das Haupt und übergab den Geist. (Johannes 19,30)

und weiter:

[…]  sondern einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite und sogleich floss Blut und Wasser heraus. Und der es gesehen hat, hat es bezeugt und sein Zeugnis ist wahr. Und er weiß, dass er Wahres sagt, damit auch ihr glaubt. (Johannes 19,34-35)

Wäre Jesus nicht gestorben, wäre er ein falscher Prophet, weil er fälschlicherweise seinen Tod angekündigt hätte. Wäre Jesus ein falscher Prophet, dann wäre auch der Islam falsch, weil der Islam Jesus als Prophet bekennt. Außerdem wäre Gott ein Lügner, der sogar die engsten Jünger Jesu wie Johannes und Maria, die Mutter Jesu, die auch beim Kreuz stand, belogen hätte.

Das Wie des Verscheidens Jesu ist absolut kein Geheimnis, sondern ganz offenbar. Die theologische Bedeutung seines Todes für uns ist freilich ein Geheimnis, nicht im Sinne eines Geheimwissens, sondern im Sinne eines Mysteriums, über das man an Hand vieler Bibelstellen tief nachdenken soll, um die Größe der Liebe und Hingabe zu verstehen, die in diesem Geheimnis verborgen ist.

Nach seiner Auferstehung sagte Jesus zu seinen Jüngern:

So steht es geschrieben: Der Christus wird leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen und in seinem Namen wird man allen Völkern Umkehr verkünden, damit ihre Sünden vergeben werden. Angefangen in Jerusalem, seid ihr Zeugen dafür. (Lukas 24,46-48)

Das gilt auch für Muslime.

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