(Fortsetzung des 2. Teils)
Im Schlussteil der Lauretanischen Litanei folgt eine Reihe von Anrufungen Marias mit dem Titel „Königin“. Abgesehen von irdischen Herrschern gibt es für Christen keinen König und keine Königin, schon gar nicht in ihren eigenen Reihen. In geistlicher Hinsicht ist Gott und sein ewiger wesensgleicher Sohn der König (Vergleiche 1 Timotheus 1,17; 6,15; Offenbarung 17,14). Unter den Gläubigen gibt es keine Könige.
25 Da sagte Jesus zu ihnen: Die Könige herrschen über ihre Völker und die Vollmacht über sie haben, lassen sich Wohltäter nennen. 26 Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern der Größte unter euch soll werden wie der Jüngste und der Führende soll werden wie der Dienende. (Lukas 22,25-26)
So ist auch Maria keine Königin, auch wenn sie die Mutter des Herrn der Herren und des Königs der Könige ist. Schon gar nicht ist sie die Königin des Himmels (siehe dazu diesen Beitrag).
Du Königin der Engel
Die Bibel spricht nicht über einen König oder eine Königin der Engel. In Offenbarung 9,11 heißt es über „Heuschrecken“ (dämonische Mächte?):
Sie haben als König über sich den Engel des Abgrunds; er heißt auf Hebräisch Abaddon, auf Griechisch Apollyon.
Sonst ist in der Bibel im Zusammenhang mit Engeln keine Rede von einem König.
Da Gott der Schöpfer der Engel ist, ist es durchaus angebracht, ihn „König der Engel“ zu nennen.
Denn ein großer Gott ist der HERR, ein großer König über allen Göttern. (Psalm 95,3)
In diesem Vers könnte man die „Götter“ als Engel verstehen. Dann würde Gott hier als König über allen Engeln verehrt.
Jesus ist nach seiner Auferstehung auch über die Engel erhöht.
9 Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, 10 damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu 11 und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters. (Philipper 2,9-11)
20 Er ließ sie wirksam werden in Christus, den er von den Toten auferweckt und im Himmel auf den Platz zu seiner Rechten erhoben hat, 21 hoch über jegliche Hoheit und Gewalt, Macht und Herrschaft und über jeden Namen, der nicht nur in dieser Weltzeit, sondern auch in der künftigen genannt wird. (Epheser 1,20-21)
Somit kann man auch Jesus als „König der Engel“ verehren.
Auf Maria, die von einem Engel die Botschaft empfing und zuerst erschrak (Lukas 1,28-29), trifft das nicht zu.
Du Königin der Patriarchen
Unter den Patriarchen versteht man die Stammväter Israels, d. h. vor allem Abraham, Isaak, Jakob und dessen zwölf Söhne. Warum Maria, die viele Jahrhunderte später lebte, ihre Königin sein sollte, erschließt sich nicht. Das würde eine Überzeitlichkeit Marias voraussetzen, die nur Gott zukommt.
Du Königin der Apostel
Zwischen der Himmelfahrt Jesu und der Ausgießung des Heiligen Geistes war Maria gemeinsam mit den Aposteln versammelt.
13 Als sie in die Stadt kamen, gingen sie in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben: Petrus und Johannes, Jakobus und Andreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Simon, der Zelot, sowie Judas, der Sohn des Jakobus. 14 Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern. (Apostelgeschichte 1,13-14)
Maria war mit den Aposteln eng verbunden. Einer von ihnen, Johannes, sorgte für sie wie ein Sohn für seine Mutter (Johannes 19,26-27). Die Apostel sahen in ihr wohl vor allem eine Schwester. Bei Johannes kam auch noch ein mütterlicher Aspekt dazu. Die Tatsache, dass Maria Mutter ihres Herrn und Königs war, machte sie aber nicht zu ihrer Königin.
Du Königin der Märtyrer
Märtyrer sind die Gläubigen, die ihren Glauben an Jesus mit ihrem Tod bezeugt haben. Von Maria wird auch in außerbiblischen Texten nichts über einen Märtyrertod berichtet. So kann man nicht sagen, dass Maria in dem Sinn „Königin“ der Märtyrer sei, dass sie die Hervorragendste unter ihnen gewesen sei.
Einer der in der Bibel namentlich genannten Märtyrer war Jakobus, der Bruder des Johannes.
1 Um jene Zeit ließ der König Herodes einige aus der Gemeinde verhaften und misshandeln. 2 Jakobus, den Bruder des Johannes, ließ er mit dem Schwert hinrichten. (Apostelgeschichte 12,1-2)
Als Bruder des Johannes war Jakobus vielleicht mehr mit Maria verbunden als andere Jünger. Aber auch für ihn war sie Schwester und nicht Königin.
Du Königin aller Heiligen
In der Bibel werden alle Christen „Heilige“ genannt. So ermahnt Paulus im Kolosser alle Gläubigen:
Bekleidet euch also, als Erwählte Gottes, Heilige und Geliebte, mit innigem Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Geduld! (Kolosser 3,12)
Auch Maria war eine Heilige. Wir können sogar sagen, dass Sie als Mutter Jesu zu einer besonderen Aufgabe erwählt worden war. Sie ist die Mutter des Herrn und Königs aller Heiligen, aber steht dennoch wie alle anderen Heiligen im Dienste des Herrn und Königs.
Du Königin, ohne Erbschuld empfangen
Seit 1854 ist es katholisches Dogma, dass Maria ohne jeden Makel der Erbsünde empfangen worden ist. Dieses Dogma hat jedoch keine Basis in der Bibel und der frühen Tradition. Ich habe mich im Beitrag Zur Unbefleckten Empfängnis Mariä eingehender damit beschäftigt.
Du Königin, aufgenommen in den Himmel
Jeder Gläubige, der Gott treu bleibt, wird in den Himmel aufgenommen, da dort seine Heimat ist.
20 Denn unsere Heimat ist im Himmel. Von dorther erwarten wir auch Jesus Christus, den Herrn, als Retter, 21 der unseren armseligen Leib verwandeln wird in die Gestalt seines verherrlichten Leibes, in der Kraft, mit der er sich auch alles unterwerfen kann. (Philipper 3,20-21)
Wir wissen: Wenn unser irdisches Zelt abgebrochen wird, dann haben wir eine Wohnung von Gott, ein nicht von Menschenhand errichtetes ewiges Haus im Himmel. (2 Korinther 5,1)
Von Maria wird gesagt, dass sie bereits jetzt mit Leib und Seele im Himmel ist. Wenn wir bedenken, dass wir in der Ewigkeit nicht mehr so wie jetzt der Vergänglichkeit und der Zeit unterworfen sind, entfällt dieses Argument. Mehr dazu im Beitrag Mariä Himmelfahrt.
Du Königin vom heiligen Rosenkranz
Der Rosenkranz ist ein im Mittelalter entstandenes Gebet (näheres dazu hier), das erst mehr als ein Jahrtausend nach der historischen Maria entstanden ist. Ist Maria, die dieses Gebet nicht kannte, deswegen, weil ein Großteil des Rosenkranzes sich an sie richtet, dessen Königin?
Du Königin des Friedens
Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Heil verheißt, der zu Zion sagt: Dein Gott ist König. (Jesaja 52,7)
Wo Gott König ist, kündigt er Frieden an und schafft ihn auch.
Er tut das durch den Messias. Einer der Titel des Messias ist Fürst des Friedens.
5 Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt. Die Herrschaft wurde auf seine Schulter gelegt. Man rief seinen Namen aus: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens. 6 Die große Herrschaft und der Frieden sind ohne Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, es zu festigen und zu stützen durch Recht und Gerechtigkeit, von jetzt an bis in Ewigkeit. Der Eifer des HERRN der Heerscharen wird das vollbringen. (Jesaja 9,5-6)
Er kam und verkündete den Frieden: euch, den Fernen, und Frieden den Nahen. (Epheser 2,17)
Er ist gekommen, um unsere Schritte auf dem Weg des Friedens zu lenken:
78 Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe, 79 um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes, und unsre Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens. (Lukas 1,78-79)
Der Fürst oder König des Friedens ist Jesus.
Abschließende Gedanken
Maria hat als Mutter des Herrn und Erlöser eine große Bedeutung in der Heilsgeschichte. Durch ihr Ja zum Willen Gottes ist sie allen Gläubigen zum Vorbild geworden. Wir dürfen Gott für das große Werk danken, das er durch sie gewirkt hat.
Maria ist aber trotzdem nur ein Mensch. In manchen der Anrufungen der Lauretanischen Litanei wird ihr eine Position zugeschrieben, die ihr nicht zusteht. Sie, die demütige Magd des Herrn will diesen Kult auch nicht. Sie preist Gott, der auf ihre Niedrigkeit geschaut hat (Lukas 1,48). Er hat sie erwählt, Mutter des Herrn und Erlösers zu werden. Sie ist aber nicht zu einer Herrin geworden und auch zu keiner Erlöserin. Wenn wir Gott alle Ehre geben, dann ist das auch in ihrem Sinne. Denn auch sie hat ihr Leben zur Verherrlichung Gottes gelebt, nicht zu ihrer eigenen Ehre.
Da sagte Maria: Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. (Lukas 1,38)