Kennt Jesus das Innere Gottes?

Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will. (Matthäus 11,27)

Und wenn Allah sagt: „O ʿĪsā, Sohn Maryams, bist du es, der zu den Menschen gesagt hat: ‚Nehmt mich und meine Mutter außer Allah zu Göttern!‘?“, wird er sagen: „Preis sei Dir! Es steht mir nicht zu, etwas zu sagen, wozu ich kein Recht habe. Wenn ich es (tatsächlich doch) gesagt hätte, dann wüßtest Du es bestimmt. Du weißt, was in mir vorgeht, aber ich weiß nicht, was in Dir vorgeht. Du bist ja der Allwisser der verborgenen Dinge. (Sure 5,116)

In dem Beitrag „Wer kennt Gott?“ habe ich meine Gedanken zum Verständnis der Worte Jesu in Matthäus 11,27 zusammengestellt.

Anders als alle anderen Menschen, die Gottes Wesen aus seinen Werken und ihrem Gewissen erkennen können, hat Jesus als der ewige wesensgleiche Sohn eine einmalige Beziehung zum Vater, die sein Wesen als Sohn definiert. In dieser Weise kennt nur er den Vater, möchte aber alle, die sich durch ihn mit dem Vater versöhnen lassen, Anteil an dieser Beziehung schenken.

Im Koran wird Jesus ganz anders dargestellt. Abgesehen von dem falschen Verständnis der christlichen Lehre der Dreieinigkeit wird Jesus in Sure 5,116 als ein Mensch dargestellt, der keinen Einblick in das Wesen Gottes hat. Gott weiß, was in Jesus vorgeht, aber Jesus weiß nicht, was in Gott vorgeht.

Es ist korrekt, dass Jesus aufgrund seiner Selbstentäußerung in seinem irdischen Dasein nicht alles wusste. Der Sohn Gottes hat sich in seiner Menschwerdung den Begrenzungen unseres irdischen Lebens unterworfen, um ganz einer von uns zu werden. Dennoch war er immer in einer ungestörten tiefen Beziehung zu seinem Vater. Auch als erniedrigter Mensch kannte er das Wesen des Vaters zutiefst, um es uns zu offenbaren. In Jesus ist die Liebe und Menschenfreundlichkeit Gottes in Person zu uns gekommen.

Der in Sure 5,116 dargestellte fiktive Dialog zwischen Allah und ʿĪsā findet auch nicht auf der Erde statt, sondern im Rahmen des jüngsten Gerichts, in welchem sogar ʿĪsā von Allah zur Rechenschaft gezogen wird, auch wenn für den muslimischen Leser die „Unschuld“ ʿĪsās nicht hinterfragt wird. Es sollte nur die Verworfenheit der Christen deutlich gemacht werden, die angeblich die Botschaft Jesu verdreht haben.

Mir erscheint der zweite Teil dieses Verses als eine bewusste Gegendarstellung zu den Worten Jesu in Matthäus 11. Das muss nicht bedeuten, dass der Autor von Sure 5,116 diese Worte in schriftlicher Form kannte, da im Koran nie behauptet wird, dass das Evangelium verfälscht worden ist. Doch muss er den Inhalt von Matthäus 11,27 in irgendeiner Form gekannt haben. Um auch den geringsten Hinweis auf eine Göttlichkeit Jesu abzuwehren, wird im Koran Jesus bewusst nur als Mensch dargestellt, der nicht weiß, was in Gott vorgeht.

Andererseits finden sich im Koran auch noch Andeutungen, dass Jesus mehr als nur ein Mensch ist. Mehr dazu im Beitrag über die Gottheit Jesu im Koran.

Das zeigt, dass Jesus für den oder die Autoren des Korans eine große Herausforderung darstellte. Gottes großes Wirken an ihm und durch ihn konnte nicht geleugnet werden. Dennoch wollte man sich vor seinem Anspruch nicht beugen. Deswegen wurde immer wieder betont, dass Jesus nur ein Mensch war, ja dass ihn Gott sogar vernichten können hätte.

Diese Versuche, die göttliche Autorität Jesu infrage zu stellen oder zu leugnen, können nur scheitern. Die Worte Jesu, mit denen er seinen Anspruch kundgetan hat, werden niemals vergehen.

Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen. (Matthäus 24,35)

Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht. (Johannes 1,18)

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