20 Damals wirkte noch ein anderer Mann als Prophet im Namen des HERRN, Urija, der Sohn Schemajas, aus Kirjat-Jearim. Er weissagte gegen diese Stadt und dieses Land mit ganz ähnlichen Worten wie Jeremia. 21 Der König Jojakim, alle seine Heerführer und alle Beamten hörten von seinen Reden. Daher suchte der König ihn zu töten. Als Urija davon erfuhr, bekam er Angst, floh und gelangte nach Ägypten. 22 Der König Jojakim aber schickte Leute nach Ägypten, nämlich Elnatan, den Sohn Achbors, mit einigen Männern. 23 Sie holten Urija aus Ägypten und brachten ihn zu König Jojakim; dieser ließ ihn mit dem Schwert erschlagen und seinen Leichnam zu den Gräbern des niedrigen Volkes werfen. (Jeremia 26,20-23)
Im Anschluss an den Bericht über das Nachspiel der Tempelrede Jeremias, das fast mit der Ermordung des Propheten geendet hätte, folgen diese Zeilen über den anderweitig nicht erwähnten Propheten Urija, den der König Jojakim töten ließ.
Wir wissen nicht viel über ihn. Aber er war ein Mann im Dienste Gottes, der sein Leben für diesen Dienst hingegeben hat.
Sein Name bedeutet: „Mein Licht (oder: mein Feuer) ist JHWH.“ Er stammte aus Kirjat-Jearim, einer nach Josua 9,17 gibeonitischen Stadt. Möglicherweise war Urija nichtisraelitischer Abstammung doch mehr als ein halbes Jahrtausend nach der Landnahme schon voll integriert. Seine Eltern haben ihm einen Namen gegeben, der ein klares Bekenntnis zum Gott Israels ausdrückt.
Wir wissen nichts über das Alter oder die Berufung dieses Propheten, nur dass er mit ähnlichen Worten wie Jeremia das Gericht über Jerusalem und Juda angekündigt hat. Er hatte genauso wie Jeremia erkannt, wie sehr sich das Volk gegen Gott gestellt hatte.
Nach dem Tod des gottesfürchtigen Königs Joschija wurde Jojakim nach der nur drei Monate währenden Regierung seines Bruders Joahas vom Pharao Necho zum König gemacht (2 Könige 23,31-35).
Jojakim machte das Reformwerk seines Vaters zunichte. Das forderte den Protest der Propheten heraus. Der König ließ diese Kritik nicht zu. Er wollte den Tod der Propheten. Jeremia wurde nach seiner Tempelrede durch den Hinweis der Hofbeamten auf den Propheten Micha, der mehr als 100 Jahre zuvor ebenso die Zerstörung Jerusalems angekündigt hatte (Micha 3,12), gerettet (Jeremia 26,16-19).
Urija hatte keinen Schutz. Als er von den Tötungsplänen des Königs hörte, flüchtete er nach Ägypten. Doch hatte Jojakim, der vom Pharao zum König gemacht worden war, so gute Verbindungen dorthin, dass er Urija dort fassen und nach Jerusalem holen konnte, wo er ihn töten ließ. Ob es vorher einen Prozess gab, wird nicht berichtet. Jeremia hatte durch seine Tempelrede offensichtlich so viel Aufsehen erregt, dass eine öffentliche Verhandlung nicht zu vermeiden war. Bei Urija gab es entweder keinen Prozess oder eine kurze Scheinverhandlung.
Es heißt, dass Urija aus Angst geflohen ist. Wäre es besser gewesen, nicht zu fliehen und auf den Schutz Gottes zu vertrauen?
Jeremia empfing bei seiner Berufung diese Worte:
Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin mit dir um dich zu retten – Spruch des HERRN. (Jeremia 1,8).
17 Du aber gürte dich, tritt vor sie hin und verkünde ihnen alles, was ich dir auftrage! Erschrick nicht vor ihnen, sonst setze ich dich vor ihren Augen in Schrecken! 18 Siehe, ich selbst mache dich heute zur befestigten Stadt, zur eisernen Säule und zur bronzenen Mauer gegen das ganze Land, gegen die Könige, Beamten und Priester von Juda und gegen die Bürger des Landes. 19 Mögen sie dich bekämpfen, sie werden dich nicht bezwingen; denn ich bin mit dir, um dich zu retten – Spruch des HERRN. (Jeremia 1,17-19)
Hätte sich nicht auch Urija von diesem Grundsatz, keine Angst zu haben, leiten lassen sollen? Angst ist kein guter Ratgeber. Aber wir können nicht sagen, dass Flucht grundsätzlich falsch ist. Auch Jesus hat seinen Jüngern für den Fall der Verfolgung die Flucht angeraten:
Wenn man euch in der einen Stadt verfolgt, so flieht in eine andere. (Matthäus 10,23a)
So sollten wir den Propheten nicht aus sicherer Entfernung für seine Flucht verurteilen. Er ist seiner Überzeugung bis zum Tod treu geblieben.
Es ist keineswegs sicher, dass Urija, wenn er nicht geflohen wäre, nicht getötet worden wäre. Der König hatte die feste Absicht, das zu tun.
Wir können auch nicht sagen, dass Gott seine Diener und Propheten aus allen Gefahren rettet. In Apostelgeschichte 12 wird Jakobus, der Bruder des Johannes, mit dem Schwert hingerichtet, Petrus aber auf wunderbare Weise gerettet.
Nach Jeremia 26,22 wurde Urija von Elnatan, dem Sohn Achbors aus Ägypten geholt. Wir begegnen diesem Mann noch einmal in Kapitel 36. Baruch las im fünften Jahr Jojakims im Auftrag Jeremias im Tempelvorhof eine Schriftrolle mit Worten des Propheten Jeremia vor. Diese Rolle wurde beschlagnahmt und landete letztlich vor dem König, der sie sich vorlesen lies. Nach der Verlesung je eines Abschnitts von drei oder vier Spalten schnitt der König diesen Abschnitt von der Rolle und warf ihn ins Feuer.
Selbst als Elnatan, Delaja und Gemarja den König drängten, die Rolle nicht zu verbrennen, hörte er nicht auf sie. (Jeremia 36,25)
Dieser Elnatan war nach 36,12 der Sohn Achbors, derselbe Elnatan, der Urija aus Ägypten geholt hatte. Wenn der Bericht über Urija in Kapitel 26 chronologisch richtig eingeordnet ist, wurde Urija bereits in der Anfangszeit der Regierung Jojakims getötet. Die Verbrennung der Schriftrolle war im fünften Jahr des Königs. Soll man das so verstehen, dass Elnatan nicht so schlimm war wie der König? Wollte er Urija nur deswegen nach Jerusalem holen, damit ihm dort ein gerechter Prozess gemacht würde? War er mit der Tötung des Propheten doch nicht einverstanden? Wollte er nun ein ähnliches Vorgehen gegen Jeremia verhindern? Er musste erkannt haben, dass die Worte Jeremias von Gott sind. Warum sonst hätte er den König gedrängt, die Rolle nicht zu verbrennen? Hat der Tod Urijas Elnatan zum Nachdenken gebracht?
Wir können diese Fragen nicht beantworten, da wir zu wenig wissen. Es ist aber eine interessante Beobachtung, dass einer der Männer Jojakims diesen später von seinem Kampf gegen die Worte des Propheten abhalten will.
Urija ist dem Wort seines Herrn treu geblieben und hat sein Leben für Gott gegeben. Darin ist er ein Vorbild für alle Generationen der Gläubigen nach ihm. Das Feuer des HERRN hat in ihm gebrannt, das Licht Gottes hat aus ihm geleuchtet.
Darum wollen auch wir, die wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, alle Last und die Sünde abwerfen, die uns so leicht umstrickt. Lasst uns mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen, der vor uns liegt, […] (Hebräer 12,1)