Jeremia war einer der größten Propheten des Volkes Israel. Er wurde im Jahre 627 v. Chr. berufen. Er hatte die schwere Aufgabe, sein Volk Israel, insbesondere Juda, vor dem drohenden Gericht zu warnen, das sich jedoch aufgrund des anhaltenden Ungehorsams der Menschen nicht aufhalten ließ, was zur nationalen Katastrophe der Zerstörung Jerusalems und des Tempels und des darauffolgenden babylonischen Exils führte.
Die Berufung Mohammeds fand mehr als 1200 Jahre nach der Jeremias statt. Da Jeremia im Koran nicht erwähnt wird, müssen wir annehmen, dass Mohammed entweder von Jeremia nichts oder sehr wenig wusste. Das ist schade. Er hätte von ihm viel lernen können.
Es folgen die Texte, die über die Berufung der beiden berichten. Ich beginne mit Jeremia.
4 Das Wort des HERRN erging an mich: 5 Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt, zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt. 6 Da sagte ich: Ach, Herr und GOTT, ich kann doch nicht reden, ich bin ja noch so jung. 7 Aber der HERR erwiderte mir: Sag nicht: Ich bin noch so jung. Wohin ich dich auch sende, dahin sollst du gehen, und was ich dir auftrage, das sollst du verkünden. 8 Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin mit dir um dich zu retten – Spruch des HERRN. 9 Dann streckte der HERR seine Hand aus, berührte meinen Mund und sagte zu mir: Hiermit lege ich meine Worte in deinen Mund. 10 Sieh her! Am heutigen Tag setze ich dich über Völker und Reiche; du sollst ausreißen und niederreißen, vernichten und zerstören, aufbauen und einpflanzen.
11 Das Wort des HERRN erging an mich: Was siehst du, Jeremia? Ich antwortete: Einen Mandelzweig sehe ich. 12 Da sprach der HERR zu mir: Du hast richtig gesehen; denn ich wache über mein Wort und führe es aus.
13 Abermals erging an mich das Wort des HERRN: Was siehst du? Ich antwortete: Einen dampfenden Kessel sehe ich; sein Rand neigt sich von Norden her. 14 Da sprach der HERR zu mir: Von Norden her ergießt sich das Unheil über alle Bewohner des Landes. 15 Ja, ich rufe alle Stämme der Nordreiche – Spruch des HERRN -, damit sie kommen und ihre Richterstühle an den Toreingängen Jerusalems aufstellen, gegen all seine Mauern ringsum und gegen alle Städte von Juda. 16 Dann werde ich mein Urteil über sie sprechen für alles Böse, weil sie mich verlassen, anderen Göttern geopfert und das Werk ihrer eigenen Hände angebetet haben.
17 Du aber gürte dich, tritt vor sie hin und verkünde ihnen alles, was ich dir auftrage! Erschrick nicht vor ihnen, sonst setze ich dich vor ihren Augen in Schrecken! 18 Siehe, ich selbst mache dich heute zur befestigten Stadt, zur eisernen Säule und zur bronzenen Mauer gegen das ganze Land, gegen die Könige, Beamten und Priester von Juda und gegen die Bürger des Landes. 19 Mögen sie dich bekämpfen, sie werden dich nicht bezwingen; denn ich bin mit dir, um dich zu retten – Spruch des HERRN. (Jeremia 1,4-19)
Über Mohammed:
ʿAʾischa, Mutter der Gläubigen, Allahs Wohlgefallen auf ihr, überlieferte:
„Das erste, mit dem der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Heil auf ihm, die Offenbarung begann, war das wahrhaftige Traumgesicht während des Schlafs, er hatte keinen Traum gesehen, der sich nicht wie das Morgenlicht bewahrheitet hat. Danach wurde ihm (von Allah) die Einsamkeit lieb gemacht. Dazu wählte er die Berghöhle von Hiraʾ, in die er sich gewöhnlich für mehrere Nächte zurückzog und Allahs Nähe suchte – eine Art Gottesverehrung. Anschließend begab er sich zu seiner Familie und kümmerte sich um die Versorgung der nächsten Runde, er kehrte dann abermals zu Chadidscha zurück, um sich für ähnliche Versorgung vorzubereiten. (Und dies geschah so weiter,) bis die Wahrheit zu ihm kam, während er sich in der Berghöhle von Hiraʾ aufhielt. Dort kam der Engel zu ihm und sagte: „Lies!“ Darauf sagte er: „Ich kann nicht lesen.“ (Der Prophet berichtete davon, indem) er sagte: „Da ergriff er mich und drückte mich bis zu meiner Erschöpfung, ließ mich dann los und sagte erneut: „Lies!“ Ich sagte (wieder): „Ich kann nicht lesen.“ Da ergriff er mich und drückte mich zum zweiten Male bis zur Erschöpfung, ließ mich dann los und sagte: „Lies!“ Ich sagte: „Ich kann nicht lesen“, dann ergriff er mich und drückte mich zum dritten Mal, alsdann ließ er mich los und sagte: „Lies im Namen deines Herrn, Der erschaffen hat, den Menschen erschaffen hat aus einem Anhängsel. Lies, und dein Herr ist der Edelste, …“ [Qurʾān 96:1-3]
Mit diesen Ayah (Versen) kehrte der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Heil auf ihm, mit einem bebenden Herzen zurück. Dann trat er bei (seiner Frau) Chadidscha Bint Chuwailid, Allahs Wohlgefallen auf ihr, ein und sagte: „Hüllt mich ein, hüllt mich ein!“ Sie hüllten ihn ein, bis die Furcht von ihm abließ. Hier dann erzählte er Chadidscha und berichtete ihr von dem Ereignis: „Ich bangte um mein Leben.“ Darauf sagte Chadidscha: „Niemals wirst du bei Allah eine Schande erleben denn du bist wahrlich derjenige, der die Verwandtschaftsbande pflegt, dem Schwachen hilft, dem Mittellosen gibt, den Gast freundlich aufnimmt und dem Notleidenden unter die Arme greift.“ (aus Sahīh al-Buchārī, Hadith Nr.3)
Ein Unterschied zwischen Jeremia und Mohammed war ihre Ausgangsposition. Jeremia war ein unverheirateter (Jeremia 16) junger Mann. Mohammed war der Überlieferung zufolge schon vierzig Jahre alt und mit Chadidscha, einer reichen Frau, die 15 Jahre älter als er war, verheiratet. Sie hatte ihn, der ihr Angestellter war, geheiratet.
Bei Mohammed wurde die Berufung durch Träume und Zeiten der Einsamkeit in einer Höhle vorbereitet. Von Jeremia wird Derartiges nicht berichtet. Der Ruf Gottes traf ihn unvermittelt.
Bei Jeremia heißt es, dass das Wort des HERRN an ihn erging. Er wurde direkt von Gott gerufen. Jeremia führte in seinem Bericht nicht näher aus, wie er wusste, dass es Gott war, der zu ihm sprach. Der Anruf Gottes war so klar und deutlich, dass er wusste, dass der HERR ihn rief. Daran gab es für ihn keinen Zweifel.
Mohammed wurde nicht direkt von Gott gerufen. Der „Engel“ kam zu ihm. Es war also bestenfalls eine Mittelsperson. Keinesfalls war es Gott direkt. Ist das nicht befremdlich, dass der angeblich größte und letzte aller Propheten nicht einmal von Gott direkt gerufen wurde, sondern diese Aufgabe durch einen Engel ausführen ließ?
Bei Jeremia lesen wir, dass Gott ihm bereits bei seiner Berufung einen Ausblick auf seine Aufgabe gegeben hat. Seine Hauptaufgabe, die Ankündigung des Strafgerichts über Jerusalem, wird klar genannt.
Der Engel, der Mohammed berufen hat, hat nichts dergleichen gesagt. Sein einziges Wort war: „Lies!“
Jeremia wurde schon bei der Berufung auf die Schwierigkeiten vorbereitet, mit denen sein Auftrag verbunden sein würde. Zugleich wurde er von Gott getröstet: Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin mit dir, um dich zu retten – Spruch des HERRN.
In Vers 17 finden wir eine Art Drohung. Wenn Jeremia vor seinen Gegnern erschrickt, würde das negative Konsequenzen haben. Aber zugleich gab es die Zusage Gottes, dass er seinem Propheten die Stärke verleihen würde, die er braucht. Mit Gott auf seiner Seite gibt es keinen Grund, sich zu fürchten, denn ich bin mit dir, um dich zu retten – Spruch des HERRN. Jeremia konnte so seinen Dienst in der Kraft Gottes beginnen.
Ganz anders war das bei Mohammed. Der Engel drückte ihn zweimal bis zur Erschöpfung. Nachdem er ihn das dritte Mal gedrückt hatte, sagte ihm der Engel die ersten drei Verse der 96. Sure. Das waren die ersten koranischen Verse, die Mohammed empfangen hatte.
Mohammed verließ die Höhle mit bebendem Herzen und kam voller Furcht zu seiner Frau. Er war, anders als Jeremia, voller Angst und Schrecken, er blickte nicht in Zuversicht auf die ihm zugedachte Aufgabe. Chadidscha tröstete Mohammed damit, dass er doch immer ein guter Mensch war und dass er deswegen von Allah keine Schande erleben werde.
In der Biographie Mohammeds von Ibn Ishak1 lesen wir, wie Chadidscha bei einer späteren Erscheinung deren Ursprung überprüft hat.
Ismail I. Abi Hakim, ein Freigelassener der Familie Zubeir’s hat mir erzählt, er habe von Chadidjeh folgendes gehört:
Ich sagte zu Mohammed: „kannst Du mich davon benachrichtigen, wenn Dein Freund Dir erscheint?“ er sagte: „ja.“ Ich bat ihn diess zu thun. Als nun Gabriel ihm wieder erschien, benachrichtigte er mich davon. Ich sagte ihm: „setze Dich auf meinen linken Schenkel!“ als er dies gethan hatte, fragte ich ihn: „siehst du ihn noch?“ er sagte: „ja.“ Da liess ich ihn auf meinen rechten Schenkel sitzen und fragte ihn wieder, ob er ihn noch sehe, und als er meine Frage wieder bejahte, liess ich ihn auf meinen Schoos sitzen, und fragte nochmals, ob er ihn sehe, und als er wieder ja sagte, seufzte ich, und warf meinen Schleier ab, dann fragte ich wieder, ob er ihn noch sehe, und er sagte: „nein.“ Da sagte ich: „freue Dich, mein Vetter, und sei festen Muthes, bei Gott! es ist ein Engel und kein Satan.“ Als ich diese Tradition dem Abd Allah I. Hasan mittheilte, sagte er: „ich habe dieselbe Tradition von meiner Mutter Fatimeh, der Tochter Husein’s, im Namen Chadidjeh’s gehört, nur hat nach dieser Tradition Chadidjeh den Propheten unter ihr Hemd genommen, worauf Gabriel verschwand.
Diese Begebenheit zeigt, dass auch Chadidscha nicht ganz überzeugt war, dass Mohammeds Erscheinungen wirklich von einem von Gott gesandten Engel kamen. Sonst wäre sie nicht auf die Idee gekommen, das zu prüfen. Offenbar dachte sie, dass kein Engel eine unverschleierte Frau sehen wollte oder gar den Propheten unter dem Hemd seiner Gattin und sich daher in dieser für ihn unangenehmen Situation entfernen würde. Diese Methode der Unterscheidung zwischen einer göttlichen und satanischen Erscheinung erinnert an die Weise, wie 1917 die Seherkinder von Fatima eine ähnliche Unterscheidung getroffen haben.
Für Jeremia und alle anderen biblischen Propheten war es immer ohne jeden Zweifel klar, dass sie von Gott berufen worden waren.
Sollte das nicht zu denken geben, dass nur beim angeblich letzten und größten aller Propheten derartige Zweifel auftraten?
Hätte Mohammed (oder seine Frau) die Berufungsgeschichte Jeremias (und anderer Propheten) gekannt und seine eigenen Erfahrungen damit verglichen, wäre ihm – ein für Gott offenes Herz vorausgesetzt – klar werden müssen, dass Gott seine Propheten anders ruft, dass er sie nicht im Zweifel darüber lässt, dass er es ist, der sie sendet, dass Gott seinen Dienern Kraft und Zuversicht schenkt, dass er sie nicht in panischer Angst entlässt, selbst dann, wenn er wie Jesaja im Bewusstsein der Heiligkeit Gottes und seiner eigenen Sündhaftigkeit einen Schrecken erfährt.
Hätte Mohammed seine Erfahrung vor Gott geprüft, hätte er den wahren Gott gefunden, der durch seinen ewigen Sohn Jesus Christus endgültig zu uns gesprochen hat. Leider war dem nicht so.
1 Vielfältig und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; 2 am Ende dieser Tage hat er zu uns gesprochen durch den Sohn […] (Hebräer 1,1-2a)
- Das Leben Mohammeds nach Mohammed Ibn Ishak bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischam, aus dem Arabischen übersetzt von Dr. Gustav Weil, 1. Band, Stuttgart 1864, S.115-116. ↩