Das Zeugnis Jesu über sich selbst – wahr oder nicht wahr?

Wenn ich über mich selbst Zeugnis ablege, ist mein Zeugnis nicht wahr. (Johannes 5,31)

13 Da sagten die Pharisäer zu ihm: Du legst über dich selbst Zeugnis ab; dein Zeugnis ist nicht wahr. 14 Jesus erwiderte ihnen: Auch wenn ich über mich selbst Zeugnis ablege, ist mein Zeugnis wahr. Denn ich weiß, woher ich gekommen bin und wohin ich gehe. Ihr aber wisst nicht, woher ich komme und wohin ich gehe. (Johannes 8,13-14)

Diese beiden Aussagen sehen auf den ersten Blick wie ein Widerspruch aus. Die Pharisäer sagen in Johannes 8,13 über Jesus dasselbe, was er in 5,31 über sich selbst gesagt hat. Doch lässt Jesus die Kritik seiner Gegner nicht gelten.

Wie meistens hilft ein Blick auf den Zusammenhang der jeweiligen Stellen.

Johannes 5

In Johannes 5 war der Ausgangspunkt die Heilung eines Gelähmten am Sabbat, die dazu führte, dass Jesus von den jüdischen Führern verfolgt wurde (Johannes 5,16). Da Jesus sich mit dem Wirken des Vaters verteidigte und sich so auf eine Stufe mit Gott stellte, wurde der Konflikt noch verschärft. In der darauffolgenden Rede betonte Jesus seine Autorität insbesondere am Beispiel der Totenauferweckung. In Vers 30 wies Jesus wieder auf seine vollkommene Abhängigkeit vom Vater hin.

Von mir selbst aus kann ich nichts tun; ich richte, wie ich es vom Vater höre, und mein Gericht ist gerecht, weil ich nicht meinen Willen suche, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.

Weil Jesus in vollkommener Einheit mit dem Vater ist, weil er einzig den Willen des Vaters sucht, richtet er gerecht. Die Einheit mit dem Vater ist der Grund für seine Autorität.

In diesem Zusammenhang sagte Jesus, dass er das nicht so einfach behauptet, sondern wies, um es seinen Gesprächspartnern leichter zu machen, auf Zeugen hin, die den hohen Anspruch, den er für sich selbst erhoben hat, stützen.

In Vers 32 weist er auf „einen anderen“ hin, der über ihn Zeugnis ablegt. Dieser „andere“ ist Gott. Jesus führt das zuerst nicht näher aus, sondern spricht über das Zeugnis von Johannes dem Täufer (Verse 33-35). Dann kommt er wieder auf das Zeugnis Gottes zurück (Verse 36-38). Dieses Zeugnis wird in den Werken Jesu sichtbar. In Vers 39 und später in den Versen 45-47 weist Jesus noch auf das Zeugnis der Schriften hin. In den Versen dazwischen spricht Jesus über die Hindernisse zum Glauben: Fehlende Liebe zu Gott und Ehrsucht.

Aus diesem Zusammenhang wird klar, dass Jesus nicht sagen wollte, dass sein Zeugnis über sich selbst unglaubwürdig ist, sondern dass er sich auf das Zeugnis anderer berufen kann, auf das Zeugnis des Täufers, vor allem aber auf das Zeugnis Gottes, der in den Werken Jesu und in der Schrift für seinen ewigen Sohn Zeugnis gibt.

Klaus Berger gibt die Verse 31-32 so wieder:

Wenn nur ich selbst Zeugnis über mich ablege, dann ist meine Zeugenaussage nicht glaubwürdig. Wenn ein anderer, Gott, Zeugnis über mich ablegt, weiß ich, daß dieses Zeugnis Beweiskraft besitzt.

Das „nur“ in Vers 31 steht nicht im Text, ist aber sinngemäß richtig ergänzt.

Johannes 8

Den Ausgangspunkt der Diskussion Jesu mit den Pharisäern lesen wir in Vers 12:

Als Jesus ein andermal zu ihnen redete, sagte er: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.

Ähnlich wie in Kapitel 5 hat Jesus auf seinen göttlichen Anspruch hingewiesen. Wer anders als Gott ist das Licht der Welt? Wenn Jesus in Matthäus 5,14 seine Jünger das Licht der Welt nennt, sind sie das Licht in einem anderen Sinn. Weil sie im Licht Gottes wandeln, können sie für andere leuchten. In Johannes 8,12 ist der Anspruch Jesu, das Licht der Welt zu sein, mit dem Aufruf, ihm nachzufolgen, verbunden. Das erinnert an Stellen aus den Psalmen:

Der HERR ist mein Licht und mein Heil: Vor wem sollte ich mich fürchten? Der HERR ist die Zuflucht meines Lebens: Vor wem sollte mir bangen? (Psalm 27,1)

Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, in deinem Licht schauen wir das Licht. (Psalm 36,10)

Auch wenn die Pharisäer den Anspruch Jesu in seiner vollen Tragweite nicht verstanden haben mögen, war zumindest klar, dass er eine sehr hohe Autorität für sich beanspruchte. Da Jesus diesen Anspruch, ohne sich auf das Zeugnis anderer zu berufen, in den Raum gestellt hatte, sagten ihm die Pharisäer sinngemäß, dass das nur seine eigene Behauptung ist. Ein Selbstzeugnis gilt nicht. Bei Klaus Berger lautet Johannes 8,13 so:

Da sagten die Pharisäer: »Du willst Zeuge in eigener Sache sein. Solche Art Zeugnis gilt nicht.«

Falls die Pharisäer aus Johannes 8 auch bei der Diskussion in Johannes 5 dabei waren, könnte es sogar sein, dass sie bewusst an Jesu frühere Aussage anknüpften, um ihn mit seinen eigenen Worten zu schlagen.

In seiner Antwort betonte Jesus, dass sein Selbstzeugnis trotzdem wahr ist. Er kennt seinen Ursprung und sein Ziel. Jesu Ursprung in Gott konnte kein Mensch wissen. Das war das Wissen, das er mit seinem Vater, der ihn gesandt hat, teilte. Deswegen wies er in Vers 18 auch auf den Vater hin, der über ihn Zeugnis ablegt. So ist das im Gesetz geforderte Zeugnis von zweien (Vers 17) gegeben. Jesus führte in diesem Zusammenhang nicht mehr näher aus, worin das Zeugnis des Vaters besteht. Zumindest schreibt Johannes darüber nichts. Jesus hatte das bereits in der ersten Situation in Kapitel 5 dargelegt. Offensichtlich fehlte den Pharisäern das ernsthafte Interesse an der Wahrheit Gottes. Deswegen hat Jesus auf die Frage, wo sein Vater sei, nur damit geantwortet, dass sie weder ihn noch seinen Vater kennen.

Zusammenfassung

Jesus wusste, wer er ist. Deswegen sind auch wir auf sein Selbstzeugnis angewiesen. Dieses Zeugnis wird bestärkt durch die Propheten vor ihm, die auf ihn hingewiesen haben, durch das Zeugnis seiner Wunder, die er nur in der Kraft Gottes wirken konnte. Der von Jesus geheilte Blindgeborene drückte es so aus:

31 Wir wissen, dass Gott Sünder nicht erhört; wer aber Gott fürchtet und seinen Willen tut, den erhört er. 32 Noch nie hat man gehört, dass jemand die Augen eines Blindgeborenen geöffnet hat. 33 Wenn dieser nicht von Gott wäre, dann hätte er gewiss nichts ausrichten können. (Johannes 9,31-33)

Gott hat den Anspruch Jesu auch durch seine Auferstehung bestätigt.

Johannes 5,31 ist nicht als eine absolute Aussage Jesu über sich selbst zu verstehen, sondern als eine Hilfe an die Menschen, auf das Zeugnis des Vaters und der Propheten zu achten, das mit dem Zeugnis Jesu in Einheit ist.

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