Jesaja vor der Heiligkeit Gottes

1 Im Todesjahr des Königs Usija, da sah ich den Herrn auf einem hohen und erhabenen Thron sitzen und die Säume seines Gewandes füllten den Tempel aus. 2 Serafim standen über ihm. Sechs Flügel hatte jeder: Mit zwei Flügeln bedeckte er sein Gesicht, mit zwei bedeckte er seine Füße und mit zwei flog er. 3 Und einer rief dem anderen zu und sagte: Heilig, heilig, heilig ist der HERR der Heerscharen. Erfüllt ist die ganze Erde von seiner Herrlichkeit. 4 Und es erbebten die Türzapfen in den Schwellen vor der Stimme des Rufenden und das Haus füllte sich mit Rauch. 5 Da sagte ich: Weh mir, denn ich bin verloren. Denn ein Mann unreiner Lippen bin ich und mitten in einem Volk unreiner Lippen wohne ich, denn den König, den HERRN der Heerscharen, haben meine Augen gesehen. 6 Da flog einer der Serafim zu mir und in seiner Hand war eine glühende Kohle, die er mit einer Zange vom Altar genommen hatte. 7 Er berührte damit meinen Mund und sagte: Siehe, dies hat deine Lippen berührt, so ist deine Schuld gewichen und deine Sünde gesühnt. 8 Da hörte ich die Stimme des Herrn, der sagte: Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen? Ich sagte: Hier bin ich, sende mich! (Jesaja 6,1-8)

Diese Worte des Propheten Jesaja über seine Berufung im Jahre 740 vor Christus haben ihre Bedeutung bis in unsere Zeit bewahrt. Jesaja schreibt über ein einmaliges Ereignis, seine Berufung zum Propheten. Aus seiner Erfahrung können auch Menschen des 21. Jahrhunderts lernen.

Es ist klar, dass es heute niemanden gibt, der wie Jesaja zum Propheten berufen wird. Die Offenbarung Gottes hat im Kommen des Messias, des Wortes Gottes in Person, ihren krönenden Abschluss gefunden. Doch Gott ist ewig und unveränderlich. Gott, der Jesaja zu seinem Propheten berufen hat, ruft auch heute noch. Nicht, um einen Dienst wie Jesaja zu haben, aber zur Gemeinschaft mit unserem himmlischen Vater. Folgen wir seinem Ruf, dann sendet er auch uns.

Die Berufung Jesajas fand offensichtlich im Tempel in Jerusalem statt. Diesen Tempel gibt es schon lange nicht mehr. Aber Gott ist nicht an ein Gebäude aus Steinen gebunden. In einer Vision schaute Jesaja die Herrlichkeit des unsichtbaren Gottes, die auch für Jesaja unbeschreiblich war. Bereits die Säume des Gewandes erfüllten den Tempel. Gottes Herrlichkeit überschreitet alles Irdische. Bereits Salomo sagte anlässlich der Einweihung des Tempels:

Wohnt denn Gott wirklich auf der Erde? Siehe, selbst der Himmel und die Himmel der Himmel fassen dich nicht, wie viel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe. (1 Könige 8,27)

In seiner Vision hörte Jesaja das Lob der Engelsmächte, den Lobpreis der Heiligkeit Gottes, dessen Herrlichkeit die ganze Erde erfüllt. Gott ist der einzige, der wirklich heilig ist. Er ist vollkommen in seiner Liebe, Güte und Gerechtigkeit. Er ist reines Licht ohne den geringsten Makel der Finsternis.

Das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkünden: Gott ist Licht und keine Finsternis ist in ihm. (1 Johannes 1,5)

Wie weit sind wir uns dieser Reinheit und Heiligkeit bewusst? Besonders unter religiös geprägten Menschen, für die (erfreulicherweise) das Gebet ein Teil des täglichen Lebens ist, fehlt oft das Bewusstsein der Heiligkeit des vollkommenen Schöpfers und Herrn des Universums.

Als Jesaja sich dieser Heiligkeit Gottes bewusst wurde, erkannte er, wie sündhaft und unwürdig er ist. Angesichts des heiligen Gottes sah er, dass er in seinen Sünden nicht bestehen kann. Wir dürfen davon ausgehen, dass Jesaja kein Verbrecher war. Er war ein gläubiger Israelit, dessen Wunsch es war, nach dem Gesetz Gottes zu leben. Anderenfalls hätte Gott ihn nicht berufen. Doch vor dem heiligen Gott sah Jesaja, dass es in seinem Leben nichts gab, dessen er sich rühmen konnte. Er sah seine Sünden und seine unreinen Lippen. Er erkannte eine Verlorenheit. Die Sünde trennt uns von Gott.

Jede echte Begegnung mit Gott führt uns zur Demut, zur Erkenntnis unserer Kleinheit und vor allem unserer Sünden. Nicht, weil Gott die Gemeinschaft mit uns nicht will, sondern weil er uns verändern will, damit wir vor ihm bestehen können. Gott will uns nicht verloren gehen lassen, sondern erlösen. Der erste Schritt dazu ist die Erkenntnis unserer Sünden.

Einer der Seraphim berührte Jesajas Mund mit einer der glühenden Kohlen vom Altar. Ein Symbol für die reinigende Liebe Gottes. Wir können uns unsere Sünden nicht selbst vergeben. Wir brauchen die Zuwendung Gottes, seine Vergebung. Voraussetzung dafür ist unsere Sündenerkenntnis und der Wunsch, von den Sünden frei zu werden. Eine glühende Kohle am Mund mag schmerzen. So mag auch die Konfrontation mit unserer Schuld schmerzhaft sein, oder das Aufgeben lieb gewonnener sündhafter Gewohnheiten. Doch Vergebung gibt es nur, wenn wir Gott erlauben, uns die Sünden wegzunehmen. Er reinigt unseren Mund, unser Denken von allem, was seiner Heiligkeit widerspricht. Er möchte alles Böse von uns entfernen.

3 Von Unzucht aber und Unreinheit jeder Art oder von Habgier soll bei euch, wie es sich für Heilige gehört, nicht einmal die Rede sein. 4 Auch Sittenlosigkeit und albernes oder zweideutiges Geschwätz schicken sich nicht für euch, sondern vielmehr Dankbarkeit. 5 Denn das sollt ihr wissen: Kein unzüchtiger, schamloser oder habgieriger Mensch – das heißt kein Götzendiener – erhält ein Erbteil im Reich Christi und Gottes. (Epheser 5,3-5)

Diese Reinigung ist Gottes Werk. Doch wirkt Gott nicht ohne uns.

Jesaja erfuhr, wie Gott ihn reinigte. Nun konnte Gott seinen Ruf an ihn richten. Der Ruf erfolgte nur indirekt: Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen? 1

Doch Jesaja erkannte, dass der Ruf ihm galt. Von seiner Sünde gereinigt, war er bereit, von Gott gesandt zu werden. Nicht in stolzer Selbstsicherheit, sondern im demütigen Wissen um seine Unvollkommenheit und Abhängigkeit von Gott. Er bat Gott darum, ihn zu senden, weil er darauf vertraute, dass Gottes Weg immer der beste Weg ist, auch wenn er konkret nicht wusste, wie dieser Weg aussehen wird, und wohin er ihn führen wird. Dankbares Vertrauen bestimmte seine Antwort auf Gottes Ruf.

Die Frage an uns heute ist: Lassen wir uns reinigen? Lassen wir uns rufen? Lassen wir Gott Herr sein in unserem Leben?

 


  1. Beachtenswert ist der Wechsel vom Singular in den Plural. Ist das bereits ein alttestamentlicher Hinweis auf den dreieinen Gott? 

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