22 Wer ist der Lügner, wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist? Das ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet. 23 Jeder, der den Sohn leugnet, hat auch den Vater nicht; wer den Sohn bekennt, hat auch den Vater. (1 Johannes 2,22-23)
Als Johannes diese Worte geschrieben hat, hat er definitiv nicht an den mehr als ein halbes Jahrtausend später kommenden Islam gedacht. Es ging auch nicht um einen eventuell später auftretenden großen Widersacher Christi, den man meist „Antichrist“ nennt. Johannes hatte konkrete Irrlehrer seiner Zeit im Auge. Es ist aber nicht so einfach, festzustellen, was diese Irrlehrer genau gelehrt haben. Es wird öfters angenommen, dass Johannes an Kerinth gedacht habe, dessen Lehre von Irenäus so beschrieben wird:
Ein gewisser Cerinth aus Asien lehrte, nicht von dem ersten Gott sei die Welt gemacht worden, sondern von einer Kraft, die von dem Urprinzip des Universums weit entfernt und getrennt war und den über alles erhabenen Gott nicht einmal kannte. Jesus aber sei nicht aus einer Jungfrau geboren, vielmehr sei er der Sohn Josephs und Mariens, gezeugt wie die übrigen Menschen, übertreffe jedoch alle an Gerechtigkeit, Klugheit und Weisheit. Nach der Taufe sei auf ihn von dem erhabenen Urprinzip Christus in Gestalt einer Taube herabgestiegen, und dann habe er den unbekannten Vater gepredigt und Gewaltiges vollbracht; zum Schluß aber sei der Christus wieder von Jesus gewichen, und Jesus habe gelitten und sei von den Toten auferstanden. Christus aber sei von Leiden verschont geblieben, da er geistig war. (Irenäus, Gegen die Häresien 1,26,1)
Diese Lehre ist gewiss nicht die Lehre des Islam, da Muslime an die Geburt Jesu aus der Jungfrau Maria glauben, andererseits aber den Tod Jesu am Kreuz leugnen. Es wird auch nicht gelehrt, dass der Geist Gottes oder Christus auf Jesus herabgestiegen sei und ihn wieder verlassen habe. Schon gar nicht lehrt der Islam, dass der Schöpfer ein anderer sei als der einzig wahre Gott.
Obwohl Johannes nicht den Islam im Fokus hatte, können wir aus diesem Text etwas über die geistliche Beurteilung des Islam lernen.
Die Irrlehrer werden durch zwei Punkte charakterisiert:
- Sie leugnen, dass Jesus der Christus ist.
- Sie leugnen den Vater und den Sohn.
Der erste Punkt trifft formell auf den Islam nicht zu. Elfmal wird Jesus im Koran al-Masih, der Gesalbte, genannt. Das entspricht dem griechischen Wort Christós. Doch hat dieses Wort im Islam seinen Inhalt verloren, den es auf dem Alten Testament aufbauend im Neuen Testament hat. Ähnlich wie viele heutige „Christen“ denken, dass Christus einfach der zweite Name von Jesus sei, ist es auch im Islam. Jesus wird al-Masih (= Christus) genannt, ohne dass über die Bedeutung dieses Wortes reflektiert wird.
Dass der Christus der Erlöser ist, wie es der Engel den Hirten von Bethlehem verkündet hat, wird im Islam nicht thematisiert.
Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr. (Lukas 2,11)
Der Islam kennt Jesus nicht als den Erlöser von den Sünden. Der Koran leugnet in Sure 4,157-158 das Leiden und Sterben des Christus, obwohl Jesus nach seiner Auferstehung gesagt hat:
Musste nicht der Christus das erleiden und so in seine Herrlichkeit gelangen? (Lukas 24,26)
Insofern leugnet der Islam trotz der Verwendung des Titels al-Masih / Christós, dass Jesus der Christus ist, weil der Bedeutungsinhalt dieses Wortes geleugnet wird. So bleibt dieses Wort nur als leere und bedeutungslose Hülle übrig.
Die Gottessohnschaft Jesu wird in Sure 9,30 ausdrücklich geleugnet:
Die Juden sagen: „‚Uzair ist Allahs Sohn“, und die Christen sagen: „Al-Masih ist Allahs Sohn.“ Das sind ihre Worte aus ihren (eigenen) Mündern. Sie führen ähnliche Worte wie diejenigen, die zuvor ungläubig waren. Allah bekämpfe sie! Wie sie sich (doch) abwendig machen lassen!
Es ist klar, dass die Gottessohnschaft des Messias nicht im sexuellen Sinn gemeint ist, wie manche Muslime es den Christen unterstellen. Daran hat nie ein Christ gedacht. Nur eine böse und abartige Fantasie kann auf solche Gedanken kommen. Wäre der Koran das direkte Wort Gottes, dann würde der Autor wissen, was mit dem christlichen Bekenntnis zu Christus als dem Sohn Gottes gemeint ist.
Als Simon Petrus Jesus als den Christus und Sohn Gottes bekannte, antwortete ihm Jesus:
Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel. (Matthäus 16,17)
Wenn nun der Islam Jesus als den Sohn Gottes leugnet, widerspricht er direkt den Worten Jesu, der das Bekenntnis Petri zu Jesus als Christus und Sohn Gottes auf eine Offenbarung des himmlischen Vaters zurückführte.
Wer Jesus als den Sohn Gottes leugnet, leugnet zugleich Gott als den Vater.
Darum trifft das Urteil, das Johannes über die Verführer seiner Zeit gesprochen hat, auch auf den Islam zu:
Das ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet.
Der Islam ist nicht die Bestätigung des Evangeliums, sondern ein Weg, der der Wahrheit Gottes widerspricht.
Wenn Johannes, der einer der am engsten mit Jesus verbundenen Jünger war, ein derart hartes Urteil über die Leugner der Gottessohnschaft Jesu spricht, sollte das auch Muslimen zu denken geben. Wer die Wahrheit sucht, soll sie in den Quellen suchen, die unverfälscht die Worte Jesu überliefern.
Sucht und ihr werdet finden! (Matthäus 7,7b)