„Gegrüßet seist du Maria“

Das „Gegrüßet seist du Maria“ oder lateinisch „Ave Maria“ ist neben dem „Vater Unser“ eines der Grundgebete der Katholiken und stellt auch das Hauptelement des Rosenkranzes dar. Was können wir aus biblischer Sicht dazu sagen?

Der Text

Der derzeit aktuelle Text lautet:

Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade.
Der Herr ist mit dir.
Du bist gebenedeit unter den Frauen
und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus.

Heilige Maria, Mutter Gottes,
bitte für uns Sünder
jetzt und in der Stunde unseres Todes.
Amen.

Er besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil greift zwei Worte der Bibel auf, der zweite Teil ist eine Anrufung Marias ohne biblisches Vorbild.

Ein biblisches Gebet?

Immerhin geht der erste Teil dieses Gebets auf die Bibel zurück.

Es beginnt mit einem Zitat aus Lukas 1,28:

Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.

Es geht hier um die heilsgeschichtlich bedeutsame Situation, als der Engel Gabriel zu Maria kam, um ihr anzukündigen, dass sie die Mutter des Messias werden solle. Der Gebetstext spricht aber von Maria nicht als der Begnadeten, sondern er nennt sie voll der Gnade. Das entspricht der lateinischen Übersetzung der Vulgata, nicht aber dem griechischen Text. Der Engel wollte Maria sagen, dass ihr die übergroße Gnade Gottes widerfahren ist, dass sie die Mutter des Erlösers werden durfte. Er hat aber nicht darüber gesprochen, dass sie quasi zur Quelle der Gnaden für die Gläubigen werden sollte. Insofern entspricht der Gebetstext nicht den biblischen Worten.

Das Gebet setzt fort mit den Worten Elisabeths zu Maria.

39 In diesen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. 40 Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. 41 Und es geschah, als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt 42 und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. 43 Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? (Lukas 1,39-43)

Nachdem ihr die Geburt Jesu angekündigt wurde, besuchte Maria ihre Verwandte Elisabeth, die Mutter von Johannes dem Täufer werden sollte. Deren Grußwort an Maria wird im Gebet aufgegriffen. Das Wort gebenedeit ist eine altertümliche Form des Wortes gesegnet, die vom lateinischen benedictus abgeleitet ist. Im Gebetstext wird Lukas 1,42 nur durch das Wort Jesus ergänzt, wodurch klargestellt werden soll, wer die Frucht des Leibes Marias ist.

Trotz dieser beiden Bibelzitate kann man nicht sagen, dass das „Gegrüßet seist du Maria“ ein biblisches Gebet ist. In Lukas 1 geht es um zwei konkrete Begebenheiten im Leben Marias, in denen diese Worte ihren Sinn hatten. Wir sind heute weder in der Situation des Engels, der Maria die wichtigste Botschaft ihres Lebens gebracht hat, noch in der Situation Elisabeths, die von ihrer Verwandten besucht wurde.

Der Schlussteil mit der direkten Anrufung Marias ist ohne jedes biblische Beispiel. Alle in der Bibel überlieferten Gebete richten sich ausnahmslos an Gott oder seinen ewigen, wesensgleichen Sohn Jesus Christus.

Einerseits wird Maria nicht um die Vergebung der Sünden gebeten, sondern nur um ihre Fürbitte für uns Sünder. Andererseits wird Maria doch in eine übermenschliche Position gebracht. Sie ist der Adressat des Gebets, das ist etwas, was die Begrenztheit eines Menschen bei Weitem überschreitet. Bei aller Hochachtung vor Maria, der Mutter Jesu ist sie doch nicht unsere Mittlerin. Der einzige Mittler ist Jesus:

Denn: Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und Menschen: der Mensch Christus Jesus. (1 Timotheus 2,5)

Auch die Anrede Marias als Mutter Gottes ist zumindest missverständlich. Es wird hier sogar über die Formulierung des Konzils von Ephesus hinausgegangen, wo Maria Gottesgebärerin (theotokos) genannt wurde. Da Jesus wesensmäßig ab der Empfängnis im Schoße Marias wahrer Mensch und wahrer Gott in einer Person war, kann man Maria Gottesgebärerin nennen, obwohl die Bibel dieses Wort nicht kennt. Sie hat Jesus geboren, der Gott ist. Doch kann dieses Wort – und noch mehr das Wort Gottesmutter – sehr leicht missverstanden werden, so als ob Maria der Ursprung des ursprungslosen Gottes wäre. Das würde sie noch über Gott erheben. Daher sollte man diese Begriffe, obwohl sie auch richtig verstanden werden können, wohl eher meiden. Die Schreiber der Bibel haben diese Worte weder gekannt noch verwendet.

Ebenso weist die Betonung der Todesstunde in eine falsche Richtung. Mir ist kein biblisches Wort bekannt, die besonders auf die Stunde des Sterbens hinweist. In der Bibel geht es immer darum, sich jetzt Gott zuzuwenden, die Sünden jetzt aufzugeben und nicht irgendwann. Wer jetzt nach einem gottgefälligen Leben trachtet, darf vertrauen, dass Gott in seiner Treue ihn bewahren und tragen wird, bis er das Ziel in der ewigen Gemeinschaft mit dem Vater erreicht hat.

Zusätzlich ist ebenso wie beim Vater Unser auf die Problematik von Formelgebeten hinzuweisen. Gott möchte uns eine Beziehung schenken, in der wir mit unseren Worten vor ihn treten, nicht vorformulierte Texte wiederholen. Eltern mögen sich freuen, wenn ihnen ihre Kinder manchmal ein Gedicht aufsagen. Wenn die Beziehung aber nur daraus besteht, ist etwas in der Erziehung falsch gelaufen.

Wir dürfen Jesus vertrauen, der seinen Jüngern verheißen hat:

13 Alles, um was ihr in meinem Namen bitten werdet, werde ich tun, damit der Vater im Sohn verherrlicht wird. 14 Wenn ihr mich um etwas in meinem Namen bitten werdet, werde ich es tun.
(Johannes 14,13-14)

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