Maria, die Mittlerin?

Denn: Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und Menschen: der Mensch Christus Jesus. (1 Timotheus 2,5)

Mit diesem klaren Vers aus einem Paulusbrief sollte die Frage nach der Mittlerschaft Marias schon beantwortet sein. Im Griechischen steht für „Einer“ ein Zahlwort. Das Griechische kennt keinen unbestimmten Artikel. Die biblische Lehre ist eindeutig: Jesus Christus ist der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen.

Nun aber behauptet das römisch-katholische Lehramt in Kenntnis dieses Bibelwortes dennoch die Mittlerschaft Marias.

Sollte etwa jemand das große Vertrauen auf den Schutz und die Hilfe der heiligen Jungfrau für zu weitgehend halten und einen Vorwurf dagegen erheben wollen? Ganz gewiss, niemand anders als Christus, welcher in einer Person zugleich Gott und Mensch ist und so das Menschengeschlecht bei dem himmlischen Vater wieder zu Gnaden gebracht hat, kommt der Name und das Amt des vollkommenen Mittlers zu. „Ein Mittler ist zwischen Gott und den Menschen, der Mensch Christus Jesus, der sich selbst zum Lösegeld für alle hingegeben hat.“ Aber wenn, wie der Engel der Schule lehrt, „nichts im Wege steht, dass auch andere in gewisser Beziehung als Mittler zwischen Gott und den Menschen bezeichnet werden, sofern sie nämlich vorbereitend und dienstbar zur Verbindung des Menschen mit Gott mitwirkten, wie die Engel und die Seligen des Himmels, die Propheten und die Priester beider Testamente, dann fürwahr kommt diese Ruhmesauszeichnung der erhabenen Jungfrau in reicherem Maße zu. Denn auch nicht eine einzige Persönlichkeit kann gedacht werden, welche zur Versöhnung Gottes mit den Menschen gleich wie sie gewirkt hätte oder je wirken könnte. Sie hat, als die Menschen dem ewigen Verderben jäh entgegengingen, ihnen den Erlöser zugeführt, schon damals, als sie die Botschaft des geheimnisvollen Friedenswerkes, welche der Engel auf die Erde gebracht hatte, an Stelle der ganzen menschlichen Natur mit wundervoller Zustimmung entgegennahm: Aus ihr ist Jesus geboren worden, sie ist seine wahre Mutter und aus diesem Grunde die würdige und gottgefällige Mittlerin zum Mittler. (Leo XIII, Enzyklika Fidentem piumque Nr. 3)

Leo XIII. zitierte sogar 1 Timotheus 2,5. Aber unter Berufung auf den „Engel der Schule“, mit dem Thomas von Aquin gemeint ist, hält er daran fest, dass auch andere in gewissem Sinne Mittler sein können. Das ist von vornherein nicht falsch. Wenn ein Christ einen Menschen zum Glauben an Jesus führt, ist das eine vermittelnde Tätigkeit. Die Verkündigung des Evangeliums ist etwas, das wesentlich zum Christsein dazugehört. Insofern ist dann jeder Christ ein „Mittler zum Mittler“. Durch ihr Ja zum Willen Gottes, durch ihre Bereitschaft, die Mutter des Erlösers zu werden, hat Maria auch ihren Beitrag geleistet. Dafür dürfen und sollen wir dankbar sein. Aber hätte Maria Nein gesagt, dann wäre die Erlösung daran nicht gescheitert. Gottes ewiger Sohn hätte auch durch eine andere Frau Mensch werden können. Gott hat in seinem Vorherwissen ihren Gehorsam gekannt und sie zu dieser Aufgabe erwählt. Doch hat nicht Maria den Menschen „den Erlöser zugeführt“. Das war das Werk Gottes. Maria war sein Werkzeug dazu.

Das Ziel dieses Rundschreibens von Leo XIII. war die Werbung für das sogenannte Rosenkranzgebet. Dieses „Gebet“, das durch zahlreiche Wiederholungen geprägt ist, richtet sich vor allem an Maria. Leo XIII. vermischt hier also zwei Ebenen. Die eine Ebene ist die historische oder heilsgeschichtliche Ebene, auf der Gott die freie Entscheidung Marias zur Erfüllung seines ewigen Heilsplans verwendet hat.

Die andere Ebene ist die Ebene des Gebets. Der Papst ruft dazu auf, Maria im Gebet anzurufen. Es geht hier nicht mehr darum, dass Maria in einer wichtigen geschichtlichen Situation durch ihren Gehorsam in einer gewissen Weise „Mittlerin“ war, sondern, dass sie auch jetzt Mittlerin ist, dass alle Christen sich im Gebet an sie wenden sollen.

Unter der Voraussetzung, dass Maria ein Mensch ist, und nichts anderes als ein Mensch, ist das nicht möglich. Als Mensch ist sie ein begrenztes Wesen und kann nicht alle an sie gerichteten Gebet hören. Das würde Allwissenheit voraussetzen, eine Eigenschaft, die nur Gott zukommt. Auch wenn Maria jetzt in der Gegenwart Gottes lebt, kann sie unsere Gebete nicht hören.

Mittlerschaft setzt auch voraus, dass mir derjenige, der mich zu jemand anderem vermitteln soll, näher steht und ich ihn besser kenne als den, zu dem hin er mich vermitteln soll. Nun wissen wir über Jesus aus dem Evangelium viel mehr als über Maria. Und Jesus hat auch verheißen, dass er seinen Jüngern nahe ist.

Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. (Matthäus 18,20)

Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt. (Matthäus 28,20b)

Dank seiner göttlichen Natur überschreitet Jesus die Grenzen der menschlichen Natur und ist seinen Jüngern ganz nahe. Insofern ist ein Mittler nicht nötig.

Aber – so wird eingewandt – wir sollen doch füreinander beten. Ja, das sollen wir. Christen beten füreinander. Sie tun das, weil sie übereinander wissen. Sie kennen die Freuden und Leiden, die Probleme und Sünden ihrer Geschwister und machen diese zu ihren eigenen Gebetsanliegen. Maria in ihrer Begrenztheit kennt all diese Anliegen nicht.

Wenn es unter den Jüngern einen gab, der berechtigten Grund gehabt hätte, Maria um ihre Fürbitte anzurufen, dann war es Johannes, der nach dem Tod Jesu Maria zu sich nahm und für sie wie für seine Mutter gesorgt hat (Johannes 19,27). Johannes hat aber in keiner seiner Schriften irgendetwas darüber geschrieben. Er hat nicht zum Gebet zu Maria aufgerufen. Also hat Johannes diese „Mittlerschaft“ nicht gekannt. Wenn Johannes Maria nicht als seine Mittlerin angerufen hat, dann ist es auch für uns nicht richtig.

Die frühchristliche Literatur der ersten beiden Jahrhunderte kennt kein Gebet zu Maria. Darum sollen auch wir an der alten Tradition festhalten und direkt zu unserem einzigen Mittler Jesus Christus gehen. Er hat uns ermuntert:

28 Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken. 29 Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele. 30 Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht. (Matthäus 11,28-30)

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