Das Geheimnis der Frömmigkeit

Wahrhaftig, groß ist das Geheimnis unserer Frömmigkeit: Er wurde offenbart im Fleisch, gerechtfertigt durch den Geist, geschaut von den Engeln, verkündet unter den Völkern, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit. (1 Timotheus 3,16)

Mit diesen Worten führt uns Paulus zur Mitte des christlichen Glaubens. Das Wort „Geheimnis“ (auf Griechisch: μυστήριον / mysterion) heißt nicht, dass es geheim gehalten werden muss und es niemand wissen darf. Die Jünger haben ihre Botschaft, die dieses Geheimnis enthält, immer öffentlich verkündet. Dieses große Geheimnis ist einerseits wohlbekannt, andererseits in der Tiefe des Inhalts schwer in seiner Fülle zu erfassen. Das heißt, dass es dazu einlädt, immer wieder darüber nachzudenken, um es besser zu verstehen. Das von der Einheitsübersetzung mit „Frömmigkeit“ übersetzte griechische Wort εὐσεβεία / eusebeia kann auch mit „Gottesfurcht“ oder „Gottesverehrung“ wiedergegeben werden. Das „Geheimnis der Frömmigkeit“ ist die zentrale Wahrheit des christlichen Glaubens.

Er wurde offenbart im Fleisch,

„Er“, das ist Jesus. Spätere Handschriften lesen: „Gott“. Diese Lesart ist möglicherweise durch einen Abschreibfehler entstanden, wenn das mit „er“ übersetze Wort ὃς / hos, (in alten Handschriften OC geschrieben) als θς (in alten Handschriften ΘC geschrieben), die Abkürzung für θεός / theos („Gott“) gelesen wurde. Im Text gibt es keine Angabe, wer dieser „Er“ ist. Doch da er im Fleisch offenbart wurde, musste er auch schon vorher existiert haben. Das weist zumindest auf eine Präexistenz dieses „Er“ hin. Aus Johannes 1,14 wissen wir, dass das ewige Wort Gottes Fleisch geworden ist. Johannes 1,1 zeigt uns, dass dieses ewige Wort Gottes selber Gott ist. Insofern sind die späteren Handschriften inhaltlich korrekt. Als Beweisstelle für die Gottheit Jesu lässt sich dieser Vers in seiner ursprünglichen Form jedoch nicht verwenden, zumindest nicht direkt.

Das ist das große Geheimnis unseres Glaubens, dass das ewige Wort Gottes, das göttlichen Wesens ist, nicht nur in unsere Welt hereingesprochen hat, sondern einer von uns wurde. Gott ist uns so nahegekommen, wie es nur möglich war. Der Apostel Johannes hat das so ausgedrückt:

1 Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefasst haben vom Wort des Lebens – 2 das Leben ist erschienen und wir haben gesehen und bezeugen und verkünden euch das ewige Leben, das beim Vater war und uns erschienen ist – , […] (1 Johannes 1,1-2)

Johannes war einer derjenigen, der das fleischgewordene Wort, das von Anfang an war, gehört, gesehen und mit seinen Händen angefasst hat. Die Menschwerdung des Wortes Gottes ist der krönende und abschließende Höhepunkt der göttlichen Offenbarung. In Jesus Christus ist Gott selbst zu uns gekommen.

gerechtfertigt durch den Geist,

Jesus ist den Tod eines Ungerechten, ja eines Verbrechers gestorben, ohne ein Verbrecher zu sein. Aber in den Augen der Menschen, ja selbst seiner Jünger, war dieser schmachvolle Tod etwas, das absolut nicht zum Messias passt. Durch die Auferstehung hat sein himmlischer Vater gezeigt, dass Jesus tatsächlich der ist, der er vorgegeben hat zu sein: der Messias, der Sohn Gottes. So wurde Jesus durch die Auferstehung im Geist gerechtfertigt.

[…] und als Sohn Gottes in Kraft eingesetzt dem Geist der Heiligkeit nach aufgrund der Totenauferstehung: Jesus Christus, unseren Herrn. (Römer 1,4; Elberfelder)

Sohn Gottes war er auch auf der Erde, aber in Erniedrigung. Durch die Auferstehung wurde er wieder zum Sohn Gottes in Kraft.

Und wenn er (der Heilige Geist) kommt, wird er die Welt der Sünde überführen und der Gerechtigkeit und des Gerichts […] der Gerechtigkeit, weil ich zum Vater gehe und ihr mich nicht mehr seht; (Johannes 16,8.10)

Der Heilige Geist bezeugt die Gerechtigkeit des Sohnes Gottes. Er ist auferstanden und zum Vater gegangen.

geschaut von den Engeln,

Auf den ersten Blick könnte man meinen, es ginge hier darum, dass Jesus nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt in der himmlischen Herrlichkeit von den Engeln geschaut wurde. Doch scheint das nicht ganz in den Zusammenhang zu passen. Die Elberfelder Bibel merkt in einer Fußnote an, dass das Wort wörtlich „erschienen“ heißt. Das lässt doch eher an die Erscheinungen Jesu nach seiner Auferstehung denken, als ihn seine Jünger sahen. Das griechische Wort ἄγγελος / angelos heißt nicht nur „Engel“, sondern hat die Grundbedeutung „Bote“. Jesus ist den Boten, seinen Jüngern, erschienen. Er hat sie ausgesandt, wie wir in Matthäus 28,19-20 lesen:

Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt. 

Davon sprechen die beiden nächsten Gliedsätze von 1 Timotheus 3,16:

verkündet unter den Völkern, geglaubt in der Welt,

Die Boten, die Jünger Jesu, haben den Auftrag ihres Herrn erfüllt. Sie haben innerhalb einer Generation die wichtigsten Gegenden des Römischen Reiches mit der Botschaft des Evangeliums erreicht, im Osten haben sie die Grenzen des Reichs überschritten, möglicherweise bereits in der ersten Generation bis nach Indien. Es hat natürlich nicht nur gläubige Aufnahme des Evangeliums gegeben, sondern auch viel Ablehnung und Verfolgung. Trotzdem war diese Verkündigung ein Siegeszug. An vielen Orten fanden sich Menschen, die die Botschaft der Apostel gerne und mit Freude angenommen haben. Das Evangelium wurde in der Welt geglaubt. Dieser Auftrag besteht bis heute. Jeder Jünger Jesu tut sein Bestes, um die Botschaft Jesu weiterzugeben. Die Freude, die sein Leben erfüllt, soll auch andere Menschen zum Guten führen.

aufgenommen in die Herrlichkeit.

Nach dem „Exkurs“ über die Verkündigung und den Glauben der Welt kehrt der Apostel wieder zu Jesus zurück. Jesus hat sein Ziel erreicht: die ewige Herrlichkeit bei seinem himmlischen Vater. Aus der Tiefe der Erniedrigung wurde er erhöht.

Jesus selbst sagte zu seinen Jüngern nach der Auferstehung:

Musste nicht der Christus das erleiden und so in seine Herrlichkeit gelangen? (Lukas 24,26)

Gott hat das Gebet Jesu in Johannes 17,5 gehört:

Jetzt verherrliche du mich, Vater, bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war!

Im Philipperbrief drückt es Paulus so aus:

9 Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, 10 damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu 11 und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters. (Philipper 2,9-11)

Es liegt nun an uns, vor ihm unsere Knie zu beugen und ihn als unseren Herrn zu bekennen, im Wort und in der Tat.

Wer siegt, der darf mit mir auf meinem Thron sitzen, so wie auch ich gesiegt habe und mich mit meinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe. (Offenbarung 3,21)

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