Was soll also geschehen, Brüder? Wenn ihr zusammenkommt, trägt jeder etwas bei: einer einen Psalm, ein anderer eine Lehre, der dritte eine Offenbarung; einer redet in Zungen und ein anderer übersetzt es. Alles geschehe so, dass es aufbaut. (1 Korinther 14,26)
Ein durchschnittlicher Mensch unserer Zeit denkt bei dem Wort „Gottesdienst“ im christlichen Zusammenhang an eine kirchliche Veranstaltung, die vor allem sonntags in speziell dafür errichteten Bauwerken stattfindet. Das Programm steht weitgehend von vornherein fest. Nur bei der Auswahl der Lieder gibt es Variationen. Für die gelesenen Bibeltexte gibt es zumindest bei den traditionellen Kirchen genaue Vorschriften. Die eigentlichen „liturgischen“ Texte sind vorgegeben und gehen oft auf eine jahrhundertealte Tradition zurück. Sie sollen wörtlich vorgetragen werden. Bei den Katholiken gab es nach dem Zweiten Vatikanum einige Lockerungen, der Priester kann nun zwischen mehreren „Hochgebeten“ wählen. Die Protestanten sind auch nicht ganz so streng. Aber immer gibt es einen Priester oder Pastor oder Prediger, der die Versammlung leitet und in der Hand hat. In der Regel ist er auch derjenige, der predigt. Die Gottesdienstteilnehmer sind weitgehend Zuschauer und tragen aktiv höchstens durch das Beten des „Vater Unsers“, manche liturgische Antworten und das Singen der vorgegebenen Lieder bei.
Bei dem, was Paulus den Korinthern über die Gemeindeversammlungen schreibt, gewinnt man ein anders Bild. Die einleitende Frage lautet wörtlich: „Was ist nun, Brüder?“ Paulus schreibt den Korinthern nicht etwas völlig Neues. Es war unter ihnen schon so, dass alle aktiv teilnehmen konnten und das auch taten. Das Problem war eher, dass manchmal zu wenig Ordnung war und dass das Zungenreden eine zu wichtige Position einnahm. Deswegen sollte nach den Versen 27-28 das Zungenreden begrenzt werden und nur mit entsprechender Auslegung geschehen. Auch das prophetische Reden sollte geordnet und mit Rücksichtnahme aufeinander geschehen (Verse 29-32).
Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern ein Gott des Friedens. (1 Korinther 14,33a)
Keinesfalls wollte Paulus den Korinthern eine liturgische Ordnung mit vorgegebenen Texten vorschreiben. Diese würde dem Bild des Leibes, das Paulus in Kapitel 12 für die Gemeinde verwendet hat, widersprechen.
Ein Leib braucht, um zu leben, die Aktivität aller Glieder. So ist eine christliche Versammlung nicht ein erbauliches religiöses Schauspiel, das mit einem Lehrvortrag verbunden ist, sondern die Gemeinschaft der Glieder des Leibes Christi, ein Familientreffen der Kinder Gottes.
Jeder darf und soll geben und jeder darf und soll empfangen. So geschieht alles zum gegenseitigen Aufbau.
Paulus schreibt nichts über eine besondere Funktion, die ein Priester oder Vorsteher bei der Versammlung haben sollte. Wenn jeder auf Gott und seine Geschwister achtet, wird Ordnung sein, ohne dass es eine besondere Person gibt, die die Versammlung organisiert und plant. Wenn jeder einzelne sich vom Heiligen Geist führen lässt, schafft der Heilige Geist diese Ordnung.
Nach Römer 12,1-2 umfasst der Gottesdienst das ganze Leben.
1 Ich ermahne euch also, Brüder, kraft der Barmherzigkeit Gottes, eure Leiber als lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer darzubringen – als euren geistigen Gottesdienst. 2 Und gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene!
Wer in seinem täglichen Leben sich selbst Gott als lebendiges Opfer hingibt, wird das auch beim Zusammensein mit seinen Geschwistern im Glauben tun. Er wird kein passiver Beobachter sein, sondern sich aktiv zum Aufbau der Gemeinde einbringen.
Das ist aber nur dann möglich, wenn jedes Gemeindeglied auch ein Glied am Leib Christi ist. Wo das nicht der Fall ist, wird das lebendige Gemeindeleben durch eine liturgische Ordnung ersetzt, die auch durchaus schöne und erbauliche Gebetstexte enthalten mag. Aber dadurch wird das mangelnde geistliche Leben nur überdeckt. Der fromme Schein kann das geistliche Sein nicht ersetzen.
Es soll nicht darum gehen, toten Kirchen eine aktivere Gemeinschaftsform vorzuschreiben. Dort, wo Menschen Jesus nachfolgen, ist ein biblisches Gemeinschaftsleben, wie es Paulus im Brief an die Korinther darlegt, die Folge, die aus der Liebe und Hingabe der Jünger erwächst.
9 Die Liebe sei ohne Heuchelei. Verabscheut das Böse, haltet fest am Guten! 10 Seid einander in brüderlicher Liebe zugetan, übertrefft euch in gegenseitiger Achtung! 11 Lasst nicht nach in eurem Eifer, lasst euch vom Geist entflammen und dient dem Herrn! (Römer 12,9-11)