[…] damit ich als Diener Christi Jesu für die Heiden wirke und das Evangelium Gottes wie ein Priester verwalte; denn die Heiden sollen eine Opfergabe werden, die Gott wohlgefällig ist, geheiligt im Heiligen Geist. (Römer 15,16)
Im Alten Testament nehmen die Opfer und das dazugehörige Priestertum viel Raum ein. Da die Opfer ihre Erfüllung in der vollkommenen Hingabe Jesu Christi erfahren haben, kennt die neutestamentliche Gemeinde weder ein Opfer noch ein Priestertum. Jesus Christus ist der einzige und ewige Hohepriester, der sich selber ein für alle Mal als vollkommenes Opfer dargebracht hat. Das wird besonders im Hebräerbrief dargelegt.
[…] 24 er aber hat, weil er in Ewigkeit bleibt, ein unvergängliches Priestertum. 25 Darum kann er auch die, die durch ihn vor Gott hintreten, für immer retten; denn er lebt allezeit, um für sie einzutreten. 26 Ein solcher Hohepriester ziemte sich in der Tat für uns: einer, der heilig ist, frei vom Bösen, makellos, abgesondert von den Sündern und erhöht über die Himmel; 27 einer, der es nicht Tag für Tag nötig hat, wie die Hohepriester zuerst für die eigenen Sünden Opfer darzubringen und dann für die des Volkes; denn das hat er ein für alle Mal getan, als er sich selbst dargebracht hat. 28 Das Gesetz nämlich macht Menschen zu Hohepriestern, die der Schwachheit unterworfen sind; das Wort des Eides aber, der später als das Gesetz kam, setzt den Sohn ein, der auf ewig vollendet ist. (Hebräer 7,24-28)
Das ein für alle Mal dargebrachte Opfer Jesu bedarf keiner Erneuerung oder Wiederholung. Darum spricht das Neue Testament von keinem Priesterdienst in der Gemeinde.
Es gibt nur das allgemeine Priestertum aller Gläubigen:
Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat. (1 Petrus 2,9)
Ich ermahne euch also, Brüder, kraft der Barmherzigkeit Gottes, eure Leiber als lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer darzubringen – als euren geistigen Gottesdienst. (Römer 12,1)
Leider hat sich im Laufe der Jahrhunderte innerhalb der offiziellen Kirchen in Abwendung von der urkirchlichen Lehre und Praxis ein Amtspriestertum etabliert, das keinerlei biblische Basis hat. Es ist zwar korrekt, dass sich das deutsche Wort „Priester“ aus dem griechischen πρεσβύτερος / presbýteros entwickelt hat. Doch bedeutet dieses Wort nicht „Priester“, sondern „Älterer“ und meint im Neuen Testament ältere und erfahrene Brüder, die mehr Verantwortung als andere zu tragen hatten. Keinesfalls hatten diese Presbyter irgendwelche Opfer darzubringen. Das dem deutschen Wort „Priester“ inhaltlich entsprechende griechische Wort lautet ἱερεύς / hiereús. Dieses bezeichnet nirgendwo im Neuen Testament ein Dienstamt in der christlichen Gemeinde.
Nirgendwo? Nennt sich nicht Paulus in Römer 15,16 „Priester“?
Was die Einheitsübersetzung mit „wie ein Priester verwalten“ wiedergibt, wird im Griechischen durch ein einziges Wort, das Verb ἱερουργέω / hierourgéō ausgedrückt. Es ist offensichtlich, dass in diesem Verb das Wort für „Priester“ enthalten ist.
Aber was ist das Opfer dieses priesterlichen Dienstes? Es sind die Heiden, die nichtjüdischen Völker, denen Paulus das Evangelium gebracht hat, damit sie dadurch dem Volk Gottes hinzugefügt werden.
Es geht hier nicht um ein Opfer für die Sünden, durch welches wir mit Gott versöhnt werden können. Dieses Opfer hat Jesus ein für alle Mal vollbracht. Die bisher vom Gottesvolk getrennten Völker sollten durch den Dienst von Paulus und anderen Verkündigern die ihnen durch Jesus geschenkte Versöhnung erfahren. Diese Menschen, die diese Versöhnung im Glauben annehmen, werden dadurch zu Kindern Gottes und Teil der königlichen Priesterschaft, von der Petrus in 1 Petrus 2,9 geschrieben hat. Diese Menschen bringen dadurch sich selbst als Gott wohlgefälliges Opfer dar.
In dieser Hinsicht ist die Verkündigung des Evangeliums ein priesterlicher Dienst, zu dem Paulus als Apostel in besonderer Weise berufen wurde, welcher aber auch die Aufgabe jedes einzelnen Christen ist. Die großen Taten dessen zu verkünden, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat, ist das königliche Priestertum jedes Gläubigen. Dadurch sollen andere Menschen aus der Finsternis in Gottes Licht gerufen werden.
In Römer 15,16 geht es um die Verkündigung des Evangeliums, nicht um ein „Messopfer“, das nur von besonders geweihten Männern dargebracht werden darf. Jeder Christ soll und darf seine eigene Lebenshingabe und insbesondere seinen Teil an der Verkündigung des Evangeliums als einen priesterlichen Dienst verstehen, den er Gott in Dankbarkeit für das vollkommene Opfer des einzigen Hohepriesters Jesus Christus erweist.
Ihm, der uns liebt und uns von unseren Sünden erlöst hat durch sein Blut, 6 der uns zu einem Königreich gemacht hat und zu Priestern vor Gott, seinem Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen. (Offenbarung 1,5b-6)