18 Ich danke Gott, ich rede mehr in Sprachen als ihr alle.
19 Aber in der Gemeinde will ich ⟨lieber⟩ fünf Worte mit meinem Verstand reden, damit ich auch andere unterweise, als zehntausend Worte in einer Sprache. (1 Korinther 14,18-19 – Elberfelder)
In der Gemeinde von Korinth hatte die Gabe der Zungenrede oder Glossolalie einen hohen Stellenwert. Von manchen wurde sie zu hoch bewertet. Deswegen hat Paulus in den Kapiteln 12-14 des 1. Korintherbriefs über die Geistesgaben und besonders über die Zungenrede im Vergleich zur Gabe der prophetischen Rede geschrieben.
Paulus hat die Zungenrede nicht abgelehnt, wollte aber, dass sie im Zusammenhang des gegenseitigen Aufbaus gesehen wird. Wenn die Zungenrede nicht verstanden wird, dient sie nur zur Erbauung des Zungenredners, aber nicht der Erbauung der Gemeinde.
Deswegen soll einer, der in Zungen redet, beten, dass er es auch übersetzen kann. (1 Korinther 14,13)
Wenn aber niemand übersetzen kann, soll der Zungenredner in der Gemeinde schweigen. Er soll es bei sich selber tun und vor Gott. (1 Korinther 14,28)
In diesem Zusammenhang verweist Paulus in Vers 18 auf sein eigenes Beispiel. Obwohl er selbst mehr in Zungen spricht als alle Korinther, will er in der Gemeinde zur Erbauung der Gemeinde lieber wenige Worte mit Verstand sprechen als viele Worte in Zungen.
Muss man das so verstehen, dass Paulus tatsächlich quantitativ mehr in Zungen gebetet hat als alle Korinther? Wollte Paulus sagen, dass er der Glossolalie mehr Zeit widmet als sie? Möglicherweise war Paulus bekannt, dass in Korinth zwar die Zungenrede bei ihren Gemeindeversammlungen sehr betont wurde, dass die Sache im persönlichen Gebetsleben aber anders war und dass Paulus, der in der Gemeinde nicht in Zungen betete, es dennoch in seinen persönlichen Gebeten mehr tat als viele Korinther.
Aber man muss dieses „mehr“ (griechisch: μᾶλλον / mãllon) nicht notwendigerweise quantitativ verstehen.
Das Wörterbuch von Bauer schlägt für 1 Korinther 14,18 vor:
In höherem Grade als ihr alle kann ich zungenreden.
Da es die biblische Form der Zungenrede nicht mehr gibt, ist nicht so einfach zu sagen, was der „höhere Grad“ bedeutet. Vielleicht ist es so zu verstehen, dass bei Paulus, da er der Zungenrede den richtigen Platz gegeben hat, einfach ein Ausdruck seiner offenen und ehrlichen Hingabe an Gott war. Wenn für die Korinther der Gedanke dabei war oder das Motiv mitgeschwungen hat, dass die Zungenrede besonders geistlich sei, dass sie in besonderer Weise das geistliche Niveau des Beters zeige, war das Gebet nicht so rein, wie es sein sollte. In dieser Weise war es bei Paulus, der dieses Nebenmotiv nicht kannte, „mehr“ oder „in höherem Grade“. Er war in seinem Gebet ganz auf Gott ausgerichtet.
Ich möchte nicht ausschließen, dass Paulus tatsächlich sagen wollte, dass er zeitlich mehr in Zungen betet als die Korinther. Ich halte aber den Vorschlag von Bauer für überlegenswert.