Den Schaden meines Volkes möchten sie leichthin heilen, indem sie sagen: Frieden! Frieden! – Aber da ist kein Friede. (Jeremia 6,14)
Jeremia sprach hier über die religiösen Führer seiner Zeit. Der direkte Zusammenhang lautet so:
13 Sie alle, von ihrem Kleinsten bis zu ihrem Größten, sind nur auf Gewinn aus; vom Propheten bis zum Priester betrügen sie alle. 14 Den Schaden meines Volkes möchten sie leichthin heilen, indem sie sagen: Frieden! Frieden! – Aber da ist kein Friede. 15 Schämen müssten sie sich, weil sie Gräuel verübt haben. Doch sie schämen sich nicht; Scham ist ihnen unbekannt. Deshalb müssen sie mit denen fallen, die fallen. Sobald ich sie heimsuche, werden sie stürzen, spricht der HERR. (Jeremia 6,13-15)
Den Propheten und Priestern ging es nicht um die Menschen, für die sie geistliche Verantwortung tragen sollten. Ihr Streben war auf den irdischen Gewinn gerichtet, nicht auf den geistlichen „Gewinn“, den Gott seinen Dienern schenkt.
Mehr als 600 Jahre später hat Paulus über Menschen mit ähnlicher Gesinnung geschrieben:
[…] diese Leute sind von der Wahrheit abgekommen und meinen, die Frömmigkeit sei ein Mittel, um irdischen Gewinn zu erzielen. 6 Die Frömmigkeit bringt in der Tat reichen Gewinn, wenn man genügsam ist. 7 Denn wir haben nichts in die Welt mitgebracht und wir können auch nichts aus ihr mitnehmen. 8 Wenn wir Nahrung und Kleidung haben, soll uns das genügen. 9 Die aber reich sein wollen, geraten in Versuchung und Verstrickung und in viele sinnlose und schädliche Begierden, welche die Menschen ins Verderben und in den Untergang stürzen. 10 Denn die Wurzel aller Übel ist die Habsucht. Nicht wenige, die ihr verfielen, sind vom Glauben abgeirrt und haben sich viele Qualen bereitet. (1 Timotheus 6,5b-10)
Da sie selbst den Blick auf Gott verloren hatten, konnten sie auch denen, die sie warnen sollten, keine Hilfe geben. Sie haben die Menschen für ihre Sünden nicht ermahnt und haben ihnen leichtfertig Frieden zugesagt. Dabei ging es auch um den politischen Frieden. Es gab im Volk ein falsches Vertrauen auf die Anwesenheit des Tempels, offensichtlich unter der Annahme, dass Gott nicht zulassen würde, dass das Haus, in dem sein Name gegenwärtig ist, nicht in die Hände der Feinde fällt (vergleiche Jeremia 7,4).
Aber שָׁלוֹם / šālôm bedeutet viel mehr als die Abwesenheit von Krieg. Dieses Wort meint umfassendes Heil, Wohlergehen, Unversehrtheit. Dieser Friede hat seine Wurzel im Frieden mit Gott. Wenn religiöse Führer den Menschen oberflächlich Frieden zusagen, aber die Hindernisse für diesen Frieden nicht ansprechen, mag das für die Gefühle angenehmer sein und die Beliebtheit bei den Menschen fördern. Aber der durch fromme Worte herbeigeredete Friede ist keiner. Diese Worte heilen keine Wunden. Die Wunden verschwinden nicht, wenn man sie leugnet.
Nach Vers 15 hat die Sündenerkenntnis sehr grundlegend gefehlt. Scham ist ihnen unbekannt.
In Vers 16 zeigte Gott durch seinen Propheten den Ausweg auf. Doch die Reaktion war negativ.
So spricht der HERR: Stellt euch an die Wege und haltet Ausschau, fragt nach den Pfaden der Vorzeit, fragt, wo der Weg zum Guten liegt; geht auf ihm, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele! Sie aber sagten: Wir gehen nicht.
Die „Pfade der Vorzeit“ sollten die Menschen daran erinnern, wie Gott sein Volk in der Vergangenheit geführt hat, an die Gebote, die er ihnen gegeben hat. Dadurch hätten sie wahre Ruhe gefunden.
Jesus hat an dieses Wort Jeremias angeknüpft und darauf hingewiesen, dass die wahre Ruhe bei ihm gefunden wird.
Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele. (Matthäus 11,29)
Die Pfade der Vorzeit finden ihr Ziel und ihre Erfüllung in Jesus.
Doch auch für die Zeitgenossen Jeremias hätte es Ruhe und Frieden gegeben, wenn sie Gott gesucht hätten. So aber war das Strafgericht, das Jeremia wieder und wieder ankündigte, nicht aufzuhalten. Das Unheil musste kommen.
Höre, Erde! Siehe, ich bringe Unheil über dieses Volk als Frucht seiner Gedanken. Denn auf meine Worte haben sie nicht geachtet und meine Weisung haben sie verschmäht. (Jeremia 6,19)
Einerseits ist es Gott, der das Unheil bringt. Aber das Unheil ist die Frucht der Gedanken oder Pläne der Menschen. Die Missachtung der Worte und der Weisung Gottes führt die Menschen immer tiefer in die Sünde und den Unfrieden, innerlich und äußerlich. So ist das Unheil die Frucht der bösen Gedanken und Pläne der Menschen, die sich auch in den Taten und in der Lebensführung zeigen.
Dieses Unheil kann nicht durch religiösen Aktivismus behoben werden.
Was soll mir der Weihrauch aus Saba und das gute Gewürzrohr aus fernem Land? Eure Brandopfer gefallen mir nicht, eure Schlachtopfer sind mir nicht angenehm. (Jeremia 6,20)
Importware aus fernen Ländern und Tieropfer waren nicht billig. Die Menschen haben sich ihre Religion etwas kosten lassen. Doch konnte der Kult nicht die Umkehr ersetzen.
Schlachtopfer für Gott ist ein zerbrochener Geist, ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verschmähen. (Psalm 51,19)
Die Kritik, die Jeremia an den Priestern und Propheten seiner Zeit geübt hat, betrifft religiöse Führer aller Zeiten. Auch heute wird weitgehend ein oberflächlicher Friede vermittelt. Es wird nicht vor der Sünde gewarnt und zur Umkehr aufgefordert. Aber gerade dadurch wird den Menschen der Weg zum Frieden mit Gott verbaut oder zumindest erschwert.
Wer von seinen Sünden umkehrt und sich Gott zuwendet, für den gilt:
Er heilt, die gebrochenen Herzens sind, er verbindet ihre Wunden. (Psalm 147,3)