Vom Füßewaschen und vom Füßeküssen

Am Abend vor seinem Tod hat Jesus seinen Jüngern die Füße gewaschen.

1 Es war vor dem Paschafest. Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung. 2 Es fand ein Mahl statt und der Teufel hatte Judas, dem Sohn des Simon Iskariot, schon ins Herz gegeben, ihn auszuliefern. 3 Jesus, der wusste, dass ihm der Vater alles in die Hand gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott zurückkehrte, 4 stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch. 5 Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war. […] 12 Als er ihnen die Füße gewaschen, sein Gewand wieder angelegt und Platz genommen hatte, sagte er zu ihnen: Begreift ihr, was ich an euch getan habe? 13 Ihr sagt zu mir Meister und Herr und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. 14 Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. 15 Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe. 16 Amen, amen, ich sage euch: Der Sklave ist nicht größer als sein Herr und der Abgesandte ist nicht größer als der, der ihn gesandt hat. 17 Wenn ihr das wisst – selig seid ihr, wenn ihr danach handelt. (Johannes 13,1-5.12-17)

Der Herr und Meister war sich nicht zu schade, sich zu erniedrigen und an seinen Jüngern den Dienst eines Sklaven zu erweisen. Dadurch fasste er in einer Handlung zusammen, wozu er gekommen war.

Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele. (Markus 10,45)

Zugleich gab er dadurch seinen Jüngern ein Beispiel. Sie sollten nicht übereinander herrschen, sondern einander dienen, bereit sein, einander auch die „niedrigsten“ Dienste zu leisten.

43 Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, 44 und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. (Markus 10,43-44)

Der Sinn dieses Beispiels war nicht, dass es unter seinen Jüngern ein Ritual des Füßewaschens gibt, wie es bei den Adventisten vor jedem Brotbrechen stattfindet oder bei den Katholiken an jedem Gründonnerstag. Die Gesinnung des Dienens und der selbstlosen Hingabe soll ein Charakteristikum der Jünger Jesu sein, das ihr ganzes Leben durchzieht.

Mehr als ein Jahrtausend später hat ein Mann, der sich selbst als Stellvertreter Jesu Christi und Nachfolger Petri betrachtet hat, folgenden Satz niedergeschrieben:

Quod solius papae pedes omnes principes deosculentur.
Dass alle Fürsten nur des Papstes Füße küssen.

Es handelt sich um den neunten Satz des Dictatus Papae, einem Dokument von Hildebrand von Soana (Papst Gregor VII.) aus dem Jahr 1075. Dadurch wollte der Papst seine Oberherrschaft über alle Fürsten ausdrücken. Er ist es, der über ihnen steht und allein ihm dürfen sie die Füße küssen. Welch ein Gegensatz zu Jesus, als dessen Stellvertreter er sich aufgespielt hat!

Der wahre Herr der Welt wird ganz klein und erledigt einen Sklavendienst. Sein angeblicher Stellvertreter spielt sich zum Herrn der Welt auf.

Seine Ambitionen konnte er auch damals nicht durchsetzen. Er musste Rom verlassen und starb in der Verbannung. 1606 wurde er heiliggesprochen. Offensichtlich galt er im gegenreformatorischen Katholizismus als besonderes Vorbild. Der Fußkuss als Zeichen der Unterordnung unter den Papst blieb bis ins 20. Jahrhundert und wurde erst von Angelo Roncalli (Johannes XXIII.) abgeschafft.

Was haben Hildebrand und alle anderen Päpste bis ins 20. Jahrhundert von dem Vorbild Jesu verstanden, wenn sie ein derartiges Ritual der Unterwerfung verlangten oder zumindest zuließen? Gewiss haben auch diese Päpste bei der jährlichen Gründonnerstagsliturgie anderen die Füße gewaschen, weil es Bestandteil der Liturgie war. Aber die grundsätzliche Gesinnung wird durch das Ritual des Fußkusses ausgedrückt. Bei Amtsträgern, die sich bis heute mit „Heiliger Vater“ anreden lassen, sollte man sich darüber nicht wundern.

Wir sollten nicht diesen Leuten nachfolgen, sondern dem wahren Herrn der Welt, der sich für uns erniedrigt hat, der das nicht nur durch die Fußwaschung ausgedrückt hat, sondern durch sein ganzes Leben auf dieser Erde. Er hat sein Leben ganz hingegeben bis in den Tod hinein.

Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe. (Johannes 13,15)

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