26 Darum lieferte Gott sie entehrenden Leidenschaften aus: Ihre Frauen vertauschten den natürlichen Verkehr mit dem widernatürlichen; 27 ebenso gaben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau auf und entbrannten in Begierde zueinander; Männer treiben mit Männern Unzucht und erhalten den ihnen gebührenden Lohn für ihre Verirrung. (Römer 1,26-27)
Vorbemerkungen
Diese Verse von Paulus sind ein großer Anstoß für Vertreter eines „zeitgemäßen“ Christentums. Die negative Bewertung gleichgeschlechtlicher Handlungen passt nicht in das Bild eines vom Zeitgeist geprägten „aufgeschlossenen“ Menschen.
Die Katholiken sind in der Theorie noch mehr ihrer Tradition verpflichtet, wie es ein Text aus dem „Katechismus der Katholischen Kirche“ zeigt:
[…] Gestützt auf die Heilige Schrift, die sie als schlimme Abirrung bezeichnet [Vgl. Gen 19, 1-29; Röm 1,24-27; 1 Kor 6,10; 1 Tim 1,10.], hat die kirchliche Überlieferung stets erklärt, „daß die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind“ (CDF, Erkl. „Persona humana“ 8). Sie verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen. (KKK 2357)
Katholische Exegeten sind da aber mitunter anderer Ansicht, wie dieses Interview mit einer katholischen Theologin zeigt.
Die Protestanten sind hier schon weiter fortgeschritten. So hat der Wiener Professor Wilhelm Pratscher bereits 1993 in einem Vortrag vor dem Theologischen Ausschuss der Generalsynode der Evangelischen Kirche A. und H.B. in Österreich1 wortreich festgehalten, dass die Position von Paulus für uns heute nicht mehr relevant ist. Inzwischen ist die „Segnung“ gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in vielen Gemeinden zur Normalität geworden.
Die Argumente, die dafür vorgebracht werden, dass die Worte von Paulus für uns nicht mehr relevant sind, können in etwa so zusammengefasst werden:
- Im Römerbrief ist nicht die Homosexualität das Thema, sondern die Sündhaftigkeit des Menschen, der die Rechtfertigung durch den Glauben an Jesus braucht.
- Paulus spricht vom „natürlichen Verkehr“. Die Begründung mit der „Natur“ setzt aber keine für alle Zeiten und Kulturen gültigen Regeln voraus, sondern weist auf zeit- und kulturbedingte Wertvorstellungen hin, wie man am Beispiel der Haartracht in 1 Korinther 11,14-15 sehen kann.
- Man kann die heutige Homosexualität nicht mit der in der Antike praktizierten Homosexualität auf einer Ebene sehen, da die Antike keine auf Treue und gegenseitiges Vertrauen hin konzipierte gleichgeschlechtlichen Partnerschaften kannte. In der Antike waren derartige Beziehungen Ausdruck einer Machtposition.
- Die heutige Wissenschaft hat Erkenntnisse über die Sexualität, die in der Antike und damit auch Paulus unbekannt waren. Wir dürfen diese Erkenntnisse nicht vernachlässigen.
Ich hoffe, dass ich damit die wesentlichen Argumente einigermaßen korrekt zusammengefasst habe. Ich möchte mich nun mit diesen Punkten auseinandersetzen.
„Nicht die Homosexualität ist das Hauptthema.“
Es ist korrekt, dass Paulus in Römer 1 in erster Linie nicht die Homosexualität im Blick hatte, sondern die Verderbtheit des Menschen, der Gott ablehnt. Der Hauptpunkt ist, dass die Menschen die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten (Vers 18). Sie haben Gott, den sie als Schöpfer aus der Natur erkennen konnten, nicht die ihm gebührende Ehre gegeben und sind daher in eine Vielzahl von Sünden verfallen, als deren erste der Götzendienst genannt wird (Verse 19-23). Die in den Versen 25-26 angesprochenen sexuellen Verirrungen werden bereits als eine Strafe für den Ungehorsam geschildert. Gott hat sie den entehrenden Leidenschaften ausgeliefert. Das meint natürlich kein aktives Handeln Gottes in dem Sinn, dass Gott sie zum Sündigen gebracht hätte. Aber in der Schöpfungsordnung Gottes ist es die Folge der Ablehnung des Schöpfers, dass man immer tiefer in verschiedene Sünden hineingerät.
Paulus brauchte seinen Lesern nicht näher begründen, dass gleichgeschlechtliche Handlungen sündhaft sind. Das war ihnen genauso klar wie ihm. Es geht hier nicht um eine Belehrung der Gemeinde über die Sündhaftigkeit homosexueller Akte, sondern Paulus konnte ein in allen christlichen Gemeinden als sündhaft abgelehntes Verhalten als Beispiel für die schlimmen Folgen der Ablehnung Gottes erwähnen. Es wäre ihm wohl nie in den Sinn gekommen, dass in einer christlichen Gemeinde je die Frage auftauchen könnte, ob dieses Verhalten akzeptabel sein könnte oder gleichgeschlechtliche Verbindungen sogar gesegnet werden sollten.
Dass Paulus nicht extra begründet hat, dass praktizierte Homosexualität sündhaft ist, sondern dieses einfach als unter Christen allgemein bekannt vorausgesetzt hat, kann also kein Grund sein, heute das Gegenteil anzunehmen.
Zur Begründung mit der „Natur“
In Römer 1,26-27 schreibt Paulus zweimal über den „natürlichen“ Verkehr, der aufgegeben wurde. Damit meinte er die eheliche Beziehung zwischen Mann und Frau. Nun wird eingewandt, dass Paulus auch in der Frage der Haartracht in 1 Korinther 11 mit der „Natur“ argumentiert.
14 Lehrt euch nicht schon die Natur, dass es für den Mann eine Schande, 15 für die Frau aber eine Ehre ist, lange Haare zu tragen? Denn der Frau ist das Haar als Hülle gegeben. (1 Korinther 11,14-15)
Im Zusammenhang ging es um die Frage der Kopfbedeckung der Frau bei den Gemeindeversammlungen. Paulus verwies darauf, dass die Frau im langen Haar gewissermaßen eine natürliche Hülle hatte. In der damaligen Kultur war für Männer kurzes Haar üblich, für Frauen langes Haar. Es gab und gibt Kulturen, in denen auch für Männer langes Haar durchaus üblich war bzw. ist. Insofern ist die „Natur“ hier nicht ganz so fix. Es stimmt zwar, dass bei Männern insbesondere im fortgeschrittenen Alter der Haarwuchs häufiger geringer wird, als es bei Frauen der Fall ist. Aber in diesem Zusammenhang kann man zustimmen, dass Paulus mit „Natur“ die in seiner Kultur vorgegebene Norm gemeint hat.
Doch kann man die Frage von sexuellen Beziehungen tatsächlich auf derselben Ebene wie die Frage der Haartracht behandeln? Dadurch erklärt man die Sexualität und den Umgang mit ihr zu einer Äußerlichkeit, die im Grunde belanglos ist. Es geht bei der Sexualität nicht um die Anpassung an kulturell bedingte äußere Normvorstellungen. Es geht immer um das Wesen des Menschen, von dem seine Geschlechtlichkeit nicht getrennt werden kann. Gott hat den Menschen als Mann und Frau mit dem Auftrag zur Fruchtbarkeit geschaffen (Genesis 1,27-28). Mann und Frau sind ein Fleisch (Genesis 2,24). Dieser Schöpfungswille Gottes wird in einer Ehe zwischen einem Mann und einer Frau verwirklicht. Mann und Mann oder Frau und Frau sind nicht ein Fleisch. Ein wesentlicher Aspekt der Sexualität, die Fruchtbarkeit, ist in einer derartigen Verbindung von vornherein nicht gegeben.
„Antike Homosexualität entspricht nicht der heutigen Form.“
Es stimmt wohl, dass in der Antike der Gedanke an eine gleichgeschlechtliche Ehe in den meisten Fällen undenkbar war.2 In homosexuellen Akten stand wohl die Lustbefriedigung im Vordergrund, wobei immer klar war, wer die höhergestellte Person war.
Dieses Machtdenken mag heute verschwunden sein oder eine geringere Rolle spielen. Doch zumindest bei der Homosexualität, die jährlich im „Pride month“ auf diversen Umzügen propagiert wird, geht es in erster Linie um Schamlosigkeit und Lustbefriedigung und nicht um Treue in monogamen Beziehungen, die bis zum Tod währen. Man kann gewiss nicht alle Beziehungen in einen Topf werfen.
Es stellt sich aber auch die Frage, wenn es in der ganzen Weltgeschichte bis vor Kurzem keine gleichgeschlechtlichen Ehen im heute verstandenen Sinn gegeben hat, ob diese Form der „Ehe“ wirklich Gottes Wille sein kann. Warum ist bis ins 20. Jahrhundert niemand auf die Idee gekommen, so zu leben? Sollte das nicht zum Nachdenken führen, ob das wirklich der Wille Gottes sein kann?
Gerade im Zusammenhang mit Ehe und Sexualität finden wir im Neuen Testament Punkte, in der sich die christliche Lehre sehr stark von der außerchristlichen Praxis abhebt. Am klarsten ist das in der strikten Ablehnung der Ehescheidung. Aber auch im Hinblick auf die Einehe, die zwar wörtlich nicht als Gebot aufscheint, aber durchgehend vorausgesetzt wird, unterscheidet sich das Christentum von der Umgebung. Wenn nun eine gleichgeschlechtliche Ehe Gottes Wille wäre, warum hat die Gemeinde damals das nicht praktiziert? Warum wurde nicht gesagt, dass es zwar falsch ist, wenn Männer ihre Sklaven sexuell missbrauchen, dass aber eine auf lebenslange Treue ausgelegte geschlechtliche Beziehung zwischen zwei Männern oder zwei Frauen unter dem Segen Gottes steht?
„Erkenntnisse der modernen Wissenschaft.“
Wilhelm Prascher schreibt:
Kann Theologie nur dann sachgemäß betrieben werden, wenn sie das jeweils gegebene Welt- und Wirklichkeitsverständnis berücksichtigt, so ist auch nach der heutigen humanwissenschaftlichen Bewertung der Homosexualität zu fragen: Die These, dass jeder Mensch von Geburt an bisexuell angelegt ist, hat in der noch offenen, unkanalisierten frühkindlichen Sexualität ein starkes Argument für sich.
Prascher beruft sich dabei unter anderem auf Helmut Kentler, einem offenen Förderer der Pädophilie. Wenn sich die Theologie der Evangelischen Kirche auf diesen Verbrecher stützt, ist wohl alles über diese Theologie gesagt, auch wenn Prascher, was anzunehmen ist, nichts über die Machenschaften dieses Mannes wusste.
Ich möchte mich in keiner Weise über die Entstehung homosexueller Neigungen äußern, weil ich darüber zu wenig weiß. Ich gehe davon aus, dass es in vielen Fällen nicht schuldhaft dazu kam. Es ist allerdings als ein Verbrechen an den Kinderseelen zu betrachten, wenn versucht wird, Kinder möglichst früh für diese Richtung zu öffnen, genauer gesagt, sie zu verführen.
Es ist leider zu befürchten, dass „die Wissenschaft“ oft nicht so objektiv ist, wie sie vorgeben möchte. „Wissenschaft“ steht oft im Dienste anderer Interessen.
Sollte Gott, der uns geschaffen hat, nicht fähig sein, uns Gebote zu geben, die unserem Wesen am besten entsprechen?
Schlussfolgerungen
Mir ist bewusst, dass ich hier in diesem Text nicht auf alles, was von Theologen zur Rechtfertigung gleichgeschlechtlicher Beziehungen vorgebracht wird, eingegangen bin. Besonders im letztgenannten Punkt der „Wissenschaft“ wäre eine eingehendere Betrachtung möglich.
Es kommt sicher auch auf die Einstellung an, die jemand zur Bibel hat. Wird die Bibel und besonders das Neue Testament nur als historisches Dokument gelesen, hat man viel mehr „Freiheit“, als wenn man von der Inspiration der biblischen Autoren ausgeht. Die Worte, die Paulus den Römern geschrieben hat, sind auch für uns heute der Maßstab, den wir nicht ohne Weiteres übergehen dürfen.
In der Gemeinde von Korinth gab es Brüder, die in ihrem vorchristlichen Leben Homosexualität praktiziert hatten.
9 Wisst ihr denn nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden? Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Lustknaben, noch Knabenschänder, 10 noch Diebe, noch Habgierige, keine Trinker, keine Lästerer, keine Räuber werden das Reich Gottes erben. 11 Und solche gab es unter euch. Aber ihr seid reingewaschen, seid geheiligt, seid gerecht geworden im Namen Jesu Christi, des Herrn, und im Geist unseres Gottes. (1 Korinther 6,9-11)
Durch ihre Umkehr zu Jesus Christus haben sie Vergebung und Befreiung erfahren. Das ist die Botschaft, die auch heute den Menschen, die Homosexualität praktizieren, gesagt werden soll. Es geht nicht darum, die Sünde eines Menschen als unumstößliche Gegebenheit zu akzeptieren, sondern dem Menschen aus Liebe die Wahrheit zu sagen, die ihn frei machen kann.
Das Ziel ist nicht die „Umpolung“ von Homosexualität zur Heterosexualität. Das Ziel ist die Freiheit, der Sieg über Versuchungen. Es ist ja auch nicht so, dass jede heterosexuelle Beziehung richtig ist. Paulus erwähnt in 1 Korinther 6 auch Unzüchtige und Ehebrecher, die, wenn sie nicht umkehren, das Reich Gottes nicht erben werden. Gottes Wille ist eine Beziehung in einer monogamen Ehe zwischen Mann und Frau, die bis zum Tode währt, oder Ehelosigkeit mit sexueller Enthaltsamkeit. So können gerade Christen, die um des Reiches Gottes willen auf eine Ehe verzichten, Brüdern oder Schwestern mit gleichgeschlechtlichen Neigungen ein Vorbild und eine Hilfe sein. Es ist die Beziehung zu Gott, die das Leben bestimmen soll. Aus ihr kommt die Kraft, über den sexuellen Neigungen zu stehen, unabhängig davon, ob diese hetero- oder homosexuell sind.
Paulus sieht die Ursache der Sünden darin, dass die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niedergehalten wird. Der Sieg über die Sünde beginnt damit, sich für die Wahrheit zu öffnen und ihr zu gehorchen. Wenn wir unserem Schöpfer die Ehre geben, die ihm gebührt, hilft er uns, unser Leben so zu gestalten, wie es seinem Willen entspricht.
Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht: Es ist eine Kraft Gottes zur Rettung für jeden, der glaubt, zuerst für den Juden, aber ebenso für den Griechen. (Römer 1,16)
- Homosexualität und Kirche. Diskussion und Beschlüsse in den Evangelischen Kirchen in Österreich 1992 – 2002, Wien 2002, S. 8-15. ↩
- Allerdings soll Nero einen kastrierten Mann als „Ehefrau“ geheiratet haben. ↩