Mohammed im Hohelied?

Sein Gaumen ist Süße, alles ist Wonne an ihm. Das ist mein Geliebter, ja, das ist mein Freund, ihr Töchter Jerusalems. (Hohelied 5,16)

Das Argument und seine Grenzen

Nach Ansicht einiger Verkünder des Islams finden wir in diesem Vers Mohammed namentlich genannt.

Das erschließe sich aber nur bei der Lektüre des hebräischen Textes.

חִכֹּו֙ מַֽמְתַקִּ֔ים וְכֻלֹּ֖ו מַחֲמַדִּ֑ים זֶ֤ה דֹודִי֙ וְזֶ֣ה רֵעִ֔י בְּנֹ֖ות יְרוּשָׁלִָֽם׃

Vereinfacht transkribiert lautet der Text:

chikko mamtaqqim wekullo machamaddim sä dodi wesä re’i benot jeruschalajim

Eine annähernd wörtliche Übersetzung lautet:

sein Gaumen (ist) Süße (Plural) und sein Alles begehrenswert (Plural), das (ist) mein Geliebter und das (ist) mein Freund, Töchter Jerusalems.

Das Wort machamaddim steht nach Ansicht dieser Apologeten für Mohammed (muchammad). Die Pluralendung -im sei dabei als „Plural des Respekts“ zu verstehen. Die hebräische Grammatik kennt jedoch diesen „Plural des Respekts“ nicht. Bei einer logischen Betrachtungsweise müsste nicht nur das Wort für „Wonne“ (machamaddim), sondern auch das Wort für Süße (mamtaqqim) ebenfalls im „Plural des Respekts“ formuliert sein und auf einen Propheten namens Mamtaq hinweisen, der aber bis jetzt noch nicht gekommen ist. Überdies wird das hebräische Wort machmad nur mit einem Mem geschrieben. Muchammad wird mit einem Doppelbuchstaben geschrieben. Das zweite „a“ in machamaddim ist unbetont, im Gegensatz zum entsprechenden Laut in Muchammad. Ganz vollkommen ist diese „Prophetie“ also nicht.

Das Wort machmad „Begehrenswertes, Kostbarkeit“ leitet sich vom Verb chamad ab und findet sich zwölfmal im Alten Testament. Es handelt sich um folgende Stellen:
1 Könige 20,6; 2 Chronik 36,19; Hohelied 5,16; Jesaja 64,10; Klagelieder 1,10; 2,4; Ezechiel 24,16.21,25; Hosea 9,6.16; Joel 4,5.

Als Beispiel sei hier Jesaja 64,10 zitiert:

Unser heiliges und prachtvolles Haus, wo unsere Väter dich priesen, ist ein Raub des Feuers geworden; alles, was uns begehrenswert (= Mohammed) war, liegt in Trümmern.

Offensichtlich passt das als Prophetie auf Mohammed nicht. Oder sollte hier seine Zerstörung angekündigt werden?

Bei den anderen genannten Stellen kommt man zu einem ähnlichen Ergebnis.

Zum Zusammenhang von Hohelied 5,16

In Hohelied 5,9 wird „die Schönste der Frauen“ gefragt, was ihr Geliebter den anderen voraushat. Daraufhin beschreibt sie ihn wie folgt:

10 Mein Geliebter ist weiß und rot, ausgezeichnet vor Tausenden. 11 Sein Haupt ist reines Gold, seine Locken sind Rispen, rabenschwarz. 12 Seine Augen sind wie Tauben an Wasserbächen, gebadet in Milch, sitzend am Wasser. 13 Seine Wangen sind wie Balsambeete, darin Gewürzkräuter sprießen, seine Lippen wie Lilien; sie tropfen von flüssiger Myrrhe. 14 Seine Hände sind Rollen aus Gold, mit Steinen aus Tarschisch besetzt. Sein Leib ist eine Platte aus Elfenbein, mit Saphiren bedeckt. 15 Seine Schenkel sind Säulen aus Marmor, auf Sockel von Feingold gestellt. Seine Gestalt ist wie der Libanon, erlesen wie Zedern. 16 Sein Gaumen ist Süße, alles ist Wonne an ihm. Das ist mein Geliebter, ja, das ist mein Freund, ihr Töchter Jerusalems.

Wenn wir in Vers 16 statt „Wonne“ (eigentlich „begehrenswert“) den Namen Mohammed lesen, dann heißt es:

Sein Gaumen ist Süße, alles ist Mohammed an ihm.

Es würde nicht heißen: Er ist Mohammed, sondern „Mohammed“ ist eine Eigenschaft dieses Mannes, der aber nicht Mohammed ist. Sonst hätte die Frau einfach gesagt: Er ist Mohammed. Würde man trotzdem diese Beschreibung als Beschreibung Mohammeds verstehen, würde sich die Frage stellen, ob diese Beschreibung tatsächlich auf Mohammed zutreffen würde. Da die Sprache sehr bilderreich ist, wäre es vermutlich zu schaffen, das als eine Beschreibung Mohammeds zu interpretieren. Doch was wäre die Konsequenz, wenn dieser Mann wirklich Mohammed wäre?

Das Hohelied wird unterschiedlich interpretiert. Es gibt zwei Hauptrichtungen der Interpretation. Seit dem 18. Jahrhundert sieht man im Hohelied häufig eine Sammlung von profanen Liebesliedern, oft mit Salomo in der Rolle des Geliebten. Die traditionelle Sicht sieht in diesen Texten die Beziehung zwischen Gott und seinem Volk beschrieben. Gott ist der liebende Bräutigam, das Volk Israel ist die Braut. Dieses Thema wird auch in anderen Texten der Bibel angesprochen (z. B. Hosea, Psalm 45). Es gibt gute Gründe dafür, dass die traditionelle Interpretation nicht später in den Text hineingelesen wurde, sondern dass bereits der Verfasser das Buch mit diesem Verständnis geschrieben hat.

In beiden Fällen gibt es aber ein großes Problem. Geht es um die Liebe zwischen Salomo und Schulammit (7,1), dann fragt man sich, was mit der Frau los ist, wenn sie bei der Beschreibung ihres Geliebten gar nicht Salomo, sondern Mohammed in ihren Gedanken hat. Das wäre dann keine Liebe, sondern Untreue. Mohammed würde die Ehe zwischen Salomo und Schulammit brechen. Sollte dann Hohelied 5,16 prophetisch den Ehebruch Mohammeds ankündigen?

Geht es um die Liebe zwischen Gott und seinem Volk, dann gibt es zwei Möglichkeiten:
a) Wenn die Beschreibung der Verse 10-16 eine Beschreibung Mohammeds ist, wäre die Konsequenz, dass Mohammed Gott ist.
b) Geht es bei der Beschreibung um Gott (natürlich können diese Bilder dann nicht als Darstellung Gottes verstanden werden, sondern es ist ein anderer Sinn mit diesen Bildern zu verbinden), dann würde Vers 16 sagen, dass alles an Gott Mohammed ist. Das Ergebnis wäre nur geringfügig anders als bei der ersten Möglichkeit. Letztlich würde man zum Schluss kommen, dass Mohammed von göttlicher Natur ist.

Man hat also die Wahl, ob Mohammed als Ehebrecher oder als Gott angekündigt wird. Dass Mohammed Ehebruch begangen hat (Sure 33,37 im Vergleich mit Lukas 16,18), ist zwar traurige Realität, aber dann doch nicht so wichtig, dass das Jahrhunderte zuvor prophezeit wird.
Dass Mohammed göttlichen Wesens ist, passt auch nicht ganz zum Islam.

Bedenkt man die Folgen, die das mohammedanische Verständnis von Hohelied 5,16 nach sich zieht, ist es für Muslime wohl weiser, auf diese „Ankündigung“ Mohammeds zu verzichten.

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