Und wenn ihr befürchtet, nicht gerecht hinsichtlich der Waisen zu handeln, dann heiratet, was euch an Frauen gut scheint, zwei, drei oder vier. Wenn ihr aber befürchtet, nicht gerecht zu handeln, dann (nur) eine oder was eure rechte Hand besitzt. Das ist eher geeignet, daß ihr nicht ungerecht seid. (Sure 4,3)
Ich habe vor Kurzem im Beitrag über Polygamie in der Bibel und im Koran über diesen Vers geschrieben. Ich möchte hier nur auf einen Aspekt eingehen, der mir beim Lesen dieses Verses aufgefallen ist.
Es heißt:
[…] dann heiratet, was euch an Frauen gut scheint […]
Es ist hier nur vom Mann die Rede. Der Mann soll heiraten, was ihm gut scheint – bis zu vier Frauen. Die Frauen erscheinen als diejenigen, über die ungefragt entschieden wird. Es steht hier auch: was euch an Frauen gut scheint. Die Frau wird wie eine Sache behandelt. Später im Vers, wenn es um die Sklavinnen geht, wird ähnlich formuliert: was eure rechte Hand besitzt.
Ich nehme an und hoffe, dass es unter Muslimen in Mitteleuropa in der Regel anders ist, als es dieser Koranstelle entspricht.1 Das hat aber mehr mit dem kulturellen Umfeld hierzulande zu tun als mit den Gesetzen des Islam.
Ich habe nicht den Überblick über alle Frauen Mohammeds. Bei manchen erscheint es mir klar zu sein, dass sie nicht ernsthaft gefragt wurden, ob sie in Mohammeds Harem eintreten wollen.
Aischa, die den auf sie zurückgeführten Hadithen zufolge im Alter von sechs Jahren Mohammeds Frau wurde, der die Ehe mit ihr vollzog, als sie neun war, konnte bei ihrer Eheschließung gar nicht wissen oder abschätzen, was mit ihr geschah. Eine eventuelle Befragung kann man in diesem Alter nicht als ernsthaft beurteilen.
Im Falle von Zainab, der Frau Zaids, des Adoptivsohns Mohammeds, war es sogar so, dass Allah seinem Propheten befohlen hat, sie zu ehelichen (aus biblischer Perspektive: mit ihr die Ehe zu brechen; vergleiche Lukas 16,18).
Als dann Zaid keinen Wunsch mehr an ihr hatte, gaben Wir sie dir zur Gattin, damit für die Gläubigen kein Grund zur Bedrängnis bestehe hinsichtlich der Gattinnen ihrer angenommenen Söhne, wenn diese keinen Wunsch mehr an ihnen haben. Und Allahs Anordnung wird (stets) ausgeführt. (aus Sure 33,37)
Wenn Allah sie ihm zur Gattin gegeben hat und Allahs Anordnung ausgeführt werden muss, gibt es auch keinen Grund, sie zu fragen. In ihrem Fall könnte es aber auch gewesen sein, dass Zainab es war, die Mohammed verführte und ihn so weit brachte, dass Allah diese Ehe anordnete.
Die Jüdin Safīya bint Huyaiy wurde von Mohammed geheiratet, kurz nachdem er ihren Mann Kinana foltern und töten lassen hatte. Ihren Vater hatte er schon etwa ein Jahr vorher exekutieren lassen. Wie freiwillig diese Eheschließung war, sei dahingestellt, auch wenn sie ihn islamischer Überlieferung zufolge als „Gesandten Gottes“ begrüßt hatte.
In einem Hadith lesen wir über den Fall, dass sich eine Frau Mohammed anbot:
Überliefert von Sahl bin Sa`d:
Während wir in der Gesellschaft des Propheten saßen, kam eine Frau zu ihm und bot sich ihm (zur Heirat) an. Der Prophet schaute sie an, senkte seinen Blick und hob ihn wieder, aber er antwortete nicht. Einer seiner Gefährten sagte: „Verheirate sie mit mir, o Gesandter Allahs!“ Der Prophet fragte ihn: „Hast du etwas?“ Er sagte: „Ich habe nichts.“ Der Prophet sagte: „Nicht einmal einen Eisenring?“ Er sagte: „Nicht einmal einen eisernen Ring, aber ich werde mein Gewand in zwei Hälften reißen und ihr die eine Hälfte geben und die andere Hälfte behalten.“ Der Prophet sagte: „Nein. Kennst du etwas vom Koran (auswendig)?“ Er sagte: „Ja.“ Der Prophet sagte: „Geh, ich habe zugestimmt, sie mit dem, was du aus dem Qur’an kennst (als ihre Mahr), mit dir zu verheiraten.“ (Sahih al-Buchari 5132)
Einerseits ging in diesem Fall die Initiative von der Frau aus. Andererseits haben es sich die beiden Männer (Mohammed und sein Gefährte) untereinander ausgemacht, wer sie bekommen sollte. Die Frau musste mit dem von den Männern beschlossenen Ergebnis zufrieden sein.
Wenn wir einen Blick auf die Bibel werfen, dann ist klar, dass vor allem im Alten Testament eine patriarchale Gesellschaftsordnung gegeben war. Da ist es durchaus möglich, dass z. B. bei den Frauen, die Salomo aus politischen Gründen geheiratet hat, die Entscheidung von Salomo und dem Vater der Braut getroffen wurde. Aber in diesen Fällen handelte es sich – anders als im Koran – nicht um ein Gebot Gottes.
Im Falle Rebekkas wird berichtet, dass sie ausdrücklich gefragt wurde, ob sie mit dem Knecht Abrahams mitgehen will, um Isaaks Frau zu werden:
Sie riefen Rebekka und fragten sie: Willst du mit diesem Mann ziehen? Ja, antwortete sie. (Genesis 24,58)
Rebekka war damals auch kein kleines Kind mehr, wie manche islamische Apologeten immer wieder behaupten, sondern eine kräftige junge Frau, die fähig war, Wasser für zehn durstige Kamele zu schöpfen. Mehr dazu im Beitrag über Kinderehe in der Bibel.
Gott hat den Menschen als sein Bild männlich und weiblich erschaffen (Genesis 1,27). Die Frau ist nicht „etwas“, über das der Mann nach Belieben verfügen kann. Sie ist für den Mann eine Hilfe, die ihm ebenbürtig ist (Genesis 2,18).
Unter Christen gilt:
Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus. (Galater 3,28)
Wenn das mehr als ein halbes Jahrhundert später im Koran ganz anders steht, dann gewiss nicht deswegen, weil Gott vergesslich wäre. In Sure 4 finden wir nicht das ewige Wort Gottes, sondern eine Beschreibung der Sitten unter den Arabern des 7. Jahrhunderts.
Wer Gottes Willen sucht, findet ihn in der Bibel.