8 Doch einst, als ihr Gott noch nicht kanntet, wart ihr Sklaven der Götter, die in Wirklichkeit keine sind. 9 Wie aber könnt ihr jetzt, da ihr Gott erkannt habt, mehr noch von Gott erkannt worden seid, wieder zu den schwachen und armseligen Elementarmächten zurückkehren? Warum wollt ihr von Neuem ihre Sklaven werden? 10 Warum achtet ihr so ängstlich auf Tage, Monate, bestimmte Zeiten und Jahre? 11 Ich fürchte, ich habe mich vergeblich um euch bemüht.
(Galater 4,8-11)
Im Galaterbrief erinnerte Paulus seine Leser an die Zeit, bevor sie Christen wurden. Sie waren als Heiden dem Dienst ihrer Götter verpflichtet. Die Götter konnten sie nur versklaven, ihnen aber keine Freiheit schenken. Im Grunde waren es nicht die Götter, die sie versklavten, da es diese Götter nicht gab und nicht gibt. Es waren religiöse Regeln, die sich die Menschen selbst gegeben hatten. Gott hat den Menschen eine Sehnsucht nach der Ewigkeit ins Herz gelegt. So gibt es beim Menschen einen Wunsch nach dem Religiösen, nach Ritualen, mit denen der Mensch denkt, er könne dem Göttlichen näherkommen oder die göttlichen Mächte gnädig stimmen. Doch diese Religionen können keine Beziehung zum Schöpfer bauen. Der Mensch wird zum Sklaven seiner Regeln.
Die Galater hatten durch die Verkündigung des Evangeliums den wahren und einzigen Gott gefunden. Sie haben Gott erkannt und wurden von ihm erkannt. Durch Jesus wurde ihnen eine lebendige Beziehung zu ihrem Schöpfer geschenkt, der sie als seine Kinder angenommen hat.
Doch dann kamen Leute zu ihnen, die ihnen vermittelten, dass sie nur dann Gott gefallen können, wenn sie sich an die Ritualvorschriften des alttestamentlichen Gesetzes hielten. Zu diesen Vorschriften gehörte auch ein Festkalender. Die galatischen Christen waren im Begriff, diesen Festkalender zu übernehmen. Sie hielten Tage (die wöchentlichen Sabbate), Monate (Neumonde), bestimmte Zeiten (die jährlichen Feste, vor allem das Paschafest, das Wochenfest und das Laubhüttenfest) und Jahre (das Sabbatjahr).
Als Paulus ihnen das Evangelium verkündete, lehrte er sie nicht das Halten dieser Feste. Die christliche Freiheit ist nicht an Rituale oder bestimmte Zeiten gebunden. Die Liebe, die ihnen Gott ins Herz gelegt hatte, führte bereits die ersten Christen zu täglicher Gemeinschaft.
Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel, brachen in ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mahl in Freude und Lauterkeit des Herzens. (Apostelgeschichte 2,46)
Diesem Vorbild der Urgemeinde von Jerusalem folgten auch die anderen Gemeinden. Es war ja dieselbe Liebe, die sie miteinander verband. Auch wenn die tägliche Gemeinschaft vielleicht nicht allen Brüdern und Schwestern möglich war, vor allem für Sklaven war das nicht so einfach, war das tägliche Zusammensein der Normalfall. Deswegen hat auch der Sabbat, der im Judentum als besonderer Tag für Gott sehr wichtig war, seine Bedeutung verloren. Jeder Tag ist ein besonderer Tag für Gott. Man findet im Neuen Testament keine Aufforderung, den Sabbat zu halten, auch keinen Bericht darüber, dass er in der Gemeinde gehalten wurde. Das bedeutet aber nicht, dass der Siebentage-Rhythmus mit mindestens einem freien Tag pro Woche unwichtig wäre. Er hat durchaus eine wichtige soziale Bedeutung. Doch kann man nicht sagen, dass ein Wochentag eine besondere Bedeutung hätte. Jeder Tag soll als ein Gott geweihter Tag ein Sabbat sein.
Man findet im Neuen Testament auch keinen Hinweis darauf, dass die Christen irgendwelche anderen christlichen Feste gefeiert worden wären. Über das am frühesten bezeugte christliche Fest, das Fest der Auferstehung Jesu, kann man erst aus Quellen des 2. Jahrhunderts lesen. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich ein Kirchenjahr mit den drei Hauptfesten Ostern, Pfingsten und Weihnachten herausgebildet. Ostern und Pfingsten schließen an das jüdische Pascha- bzw. Wochenfest an. Das Weihnachtsfest findet zwar annähernd zeitgleich mit dem jüdischen Tempelweihfest (Chanukka) statt, leitet sich aber nicht davon ab, sondern steht im Zusammenhang mit der Wintersonnenwende, die in den verschiedensten Religionen gefeiert wird, in der römischen Religion als das Fest des Sol Invictus, des unbesiegten Sonnengottes.
Wenn Paulus die Galater für das Halten von Festen tadelte, war seine Intention nicht, dass sie anstelle der jüdischen Feste doch die christlichen Feste feiern sollten. Diese christlichen Feste gab es damals noch gar nicht.
Es ging Paulus darum, dass sie sich nicht wiederum einem formalistischen System unterordnen sollten. Sie sollten in christlicher Freiheit ihr Leben in Liebe miteinander teilen und Gott dadurch verherrlichen. Es hing wohl auch mit einem Mangel an Liebe zusammen, dass die Galater den alttestamentlichen Festkalender so positiv sahen.
Die alttestamentlichen Feste haben ihre Erfüllung im Kommen des Erlösers gefunden. So ist nicht nur die Rückkehr zu diesen Festen eine Infragestellung der Erlösung, sondern auch die Einführung neuer Feste, auch wenn man vorgibt, gerade in diesen Festen die Erlösung zu feiern.
1 Ich ermahne euch also, Brüder, kraft der Barmherzigkeit Gottes, eure Leiber als lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer darzubringen – als euren geistigen Gottesdienst. 2 Und gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene (Römer 12,1-2)