Sowohl im Neuen Testament als auch im Koran wird Jesus, wenn auch in unterschiedlicher Hinsicht, mit Adam verglichen. Was können wir aus diesem Vergleich lernen?
Im Neuen Testament
12 Deshalb: Wie durch einen einzigen Menschen die Sünde in die Welt kam und durch die Sünde der Tod und auf diese Weise der Tod zu allen Menschen gelangte, weil alle sündigten – 13 Sünde war nämlich schon vor dem Gesetz in der Welt, aber Sünde wird nicht angerechnet, wo es kein Gesetz gibt; 14 dennoch herrschte der Tod von Adam bis Mose auch über die, welche nicht durch Übertreten eines Gebots gesündigt hatten wie Adam, der ein Urbild des Kommenden ist. 15 Doch anders als mit der Übertretung verhält es sich mit der Gnade; sind durch die Übertretung des einen die vielen dem Tod anheimgefallen, so ist erst recht die Gnade Gottes und die Gabe, die durch die Gnadentat des einen Menschen Jesus Christus bewirkt worden ist, den vielen reichlich zuteilgeworden. 16 Und anders als mit dem, was durch den einen Sünder verursacht wurde, verhält es sich mit dieser Gabe: Denn das Gericht führt wegen eines Einzigen zur Verurteilung, die Gnade führt aus vielen Übertretungen zur Gerechtsprechung. 17 Denn ist durch die Übertretung des einen der Tod zur Herrschaft gekommen, durch diesen einen, so werden erst recht diejenigen, denen die Gnade und die Gabe der Gerechtigkeit reichlich zuteilwurde, im Leben herrschen durch den einen, Jesus Christus. 18 Wie es also durch die Übertretung eines Einzigen für alle Menschen zur Verurteilung kam, so kommt es auch durch die gerechte Tat eines Einzigen für alle Menschen zur Gerechtsprechung, die Leben schenkt. 19 Denn wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern gemacht worden sind, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden. (Römer 5,12-19)
Der in Vers 12 genannte „einzige Mensch“, durch den die Sünde in die Welt kam, ist Adam, der erste Mensch. Paulus stellt in diesem Abschnitt die Tat Adams (den Sündenfall) der Gnadentat Jesu Christi (der Erlösung durch seine Hingabe bis zum Tod am Kreuz) gegenüber. Durch Adam kamen die Sünde, die Verurteilung und der Tod in die Welt. Durch Jesus kamen die Gnade, die Gerechtsprechung, das Leben. Wer durch seine persönliche Sünde der Sünde Adams zustimmt, hat alle Folgen der Sünde zu tragen. Durch den Glauben an Jesus erhält man Anteil an der Gnade, der Gerechtigkeit und dem Leben, das die Sünde, die Verurteilung und den Tod überwindet. Das Werk Jesu ist stärker als das Werk Adams.
In Vers 14 wird Adam ein Urbild des Kommenden genannt. Mit Adam hat die Menschheit begonnen. Mit Jesus begann eine neue Menschheit. Adam schenkte das irdische Leben. Jesus schenkt das ewige Leben. In dieser Hinsicht ist Jesus der neue und vollkommene Adam.
20 Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen. 21 Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten. 22 Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden. (1 Korinther 15,20-22)
45 So steht es auch in der Schrift: Adam, der erste Mensch, wurde ein irdisches Lebewesen. Der letzte Adam wurde lebendig machender Geist. 46 Aber zuerst kommt nicht das Überirdische; zuerst kommt das Irdische, dann das Überirdische. 47 Der erste Mensch stammt von der Erde und ist Erde; der zweite Mensch stammt vom Himmel. 48 Wie der von der Erde irdisch war, so sind es auch seine Nachfahren. Und wie der vom Himmel himmlisch ist, so sind es auch seine Nachfahren. 49 Wie wir nach dem Bild des Irdischen gestaltet wurden, so werden wir auch nach dem Bild des Himmlischen gestaltet werden. (1 Korinther 15,45-49)
Das Hauptthema von 1 Korinther 15 ist die Auferstehung. Die Verse 20-22 erinnern an Römer 5. Auch hier ist die Gegenüberstellung zwischen Adam, der den Tod gebracht hat, und Jesus, der als der Erste der Entschlafenen die Auferstehung bringt. Hier geht es in Vers 22 beim Lebendigmachen um die Auferstehung. In Römer 5 ist das durch die Erlösung geschenkte Leben weiter gefasst. Es geht dort auch um das neue Leben, das ein Christ aus der Kraft der Erlösung schon in dieser irdischen Existenz führt.
In den Versen 45 und 49 ist nicht die Sünde Adams das Thema, sondern es wird die irdische Natur des ersten Adam mit der geistlichen Natur des letzten Adam, Jesus Christus, verglichen. Alle Nachkommen des ersten Adam haben teil an dessen irdischer und daher auch begrenzten und vergänglichen Natur. Die Menschen, die durch den Glauben „Nachfahren“ des vom Himmel stammenden „zweiten Menschen“ sind, werden so wie er für alle Ewigkeit in einer verwandelten, himmlischen Menschennatur leben.
Darum schreibt Paulus auch im Philipperbrief:
20 Denn unsere Heimat ist im Himmel. Von dorther erwarten wir auch Jesus Christus, den Herrn, als Retter, 21 der unseren armseligen Leib verwandeln wird in die Gestalt seines verherrlichten Leibes, in der Kraft, mit der er sich auch alles unterwerfen kann. (Philipper 3,20-21)
Im Zusammenhang der Verse 45-49 ist der Vergleich zwischen Jesus und Adam nicht der Vergleich zwischen Tod und Leben, sondern es geht um eine Reihenfolge: Zuerst kommt das Irdische, das wir durch Adam haben, und danach das Himmlische, das Jesus den Seinen schenkt.
Im Koran
Gewiß, das Gleichnis ʿĪsās ist bei Allah wie das Gleichnis Ādams. Er erschuf ihn aus Erde. Hierauf sagte Er zu ihm: „Sei!“ und da war er. (Sure 3,59)
Bezüglich Adams wird auf den biblischen Schöpfungsbericht angespielt, wo es in Genesis 2,7 heißt:
Da formte Gott, der HERR, den Menschen, Staub vom Erdboden, und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.
Der Vergleich mit Jesus besteht nicht darin, dass Adam aus Erde erschaffen wurde, sondern wohl in dem Wort „Sei!“. Dieses Wort lesen wir in Bezug auf Jesus in derselben Sure einige Verse zuvor.
Sie sagte: „Mein Herr, wie sollte ich ein Kind haben, wo mich (doch) kein menschliches Wesen berührt hat?“ Er (, der Engel,) sagte: „So (wird es sein); Allah erschafft, was Er will. Wenn Er eine Angelegenheit bestimmt, so sagt Er zu ihr nur: ‚Sei!‘ und so ist sie. (Sure 3,47)
Der Autor dieser Sure wollte offenbar betonen, dass Jesus ebenso wie Adam nur ein Geschöpf ist. Das göttliche Wort „Sei!“ hat ihn ins Dasein gerufen.
Auf diese Weise hat der Vergleich zwischen Jesus und Adam im Koran eine völlig andere Funktion als in der Bibel.
Im Neuen Testament geht es um eine Gegenüberstellung. Jesus hat dem durch die Sünde Adams entstandenen Unheil ein Ende gesetzt. Jesus ist wie Adam Mensch. Nur als Mensch konnte er sterben und auferstehen. Er ist aber mehr als nur Mensch. Er stammt vom Himmel (1 Korinther 15,47) und ist lebendigmachender Geist (1 Korinther 15,45). Wer kann lebendig machen außer Gott? So lehrt Paulus in 1 Korinther 15 sowohl die menschliche als auch die göttliche Natur Jesu.
Der Koran bestreitet sowohl die durch Jesus bewirkte Erlösung als auch seine göttliche Natur. Der Vergleich mit Adam soll zeigen, dass Jesus nicht mehr als ein Geschöpf Gottes war. Aber es wird auch darauf angespielt, dass Jesus nicht durch die Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau gezeugt wurde. So wie Adam ohne Vater war, war es auch Jesus. Doch zeigt nicht gerade dieses auch von Muslimen anerkannte Faktum, dass Jesus eine ganz besondere und herausragende Stellung hat? Über Mohammed, den angeblich größten und letzten aller Propheten, wird Derartiges nicht gesagt. Weist das nicht darauf hin, dass Gott, der mit Adam einen Anfang gesetzt hat, das auch mit Jesus getan hat?
Mit Adam hat das Menschengeschlecht begonnen. Jesus, der zweite Adam, ist der Anfang eines neuen Geschlechtes von Menschen, denen er durch den Glauben an ihn neues Leben schenkt.
Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. (2 Korinther 5,17)