Matthäus beginnt sein Evangelium mit dem Stammbaum Jesu (Matthäus 1,1-17). Eigentlich ist es der Stammbaum Josefs, der nicht der biologische Vater Jesu war. Doch vor dem Gesetz galt Josef, da er der Mann Marias, der Mutter Jesu war, als sein Vater. In rechtlicher Hinsicht war Josef der Vater Jesu. Deswegen hat Matthäus den Stammbaum Josefs an den Anfang seines Evangeliums gestellt. In rechtlicher Hinsicht war Jesus über Josef der Nachkomme Abrahams und Davids. Auch Maria war eine Nachkommin Abrahams. Ob sie auch aus der Nachkommenschaft Davids stammt, ist aber nicht so klar, da ihre Verwandte Elisabeth aus dem Geschlecht Aarons stammte (Lukas 1,5), also priesterlicher Abstammung war.
Im Judentum folgen die Stammbäume der männlichen Linie. Deswegen ist es interessant, dass im Stammbaum Jesu vier (mit Maria: fünf) Frauen erwähnt sind. Ich gehe davon aus, dass Matthäus mit der namentlichen Erwähnung gerade dieser Frauen etwas sagen wollte.
Tamar
Juda zeugte den Perez und den Serach mit der Tamar. (Matthäus 1,3a)
Die Geschichte von Juda und Tamar wird in Genesis 38 erzählt. Tamar war eine kanaanäische Frau, die Juda seinem erstgeborenen Sohn Er zur Frau genommen hat. Dieser starb kinderlos, ebenso dessen Bruder Onan, der nach den damaligen Gebräuchen Tamar geheiratet hatte, damit er seinem verstorbenen Bruder Nachkommenschaft verschaffe. Seinen dritten Sohn wollte er ihr aber nicht mehr geben, jedoch ohne ihr das auszudrücken. Als Juda einmal unterwegs war, setzte sie sich an seinen Weg. Er hielt die verschleierte Frau für eine Dirne und zeugte mit ihr Zwillinge. Nach den damaligen Rechtsvorstellungen hat Tamar auf diese Weise für ihr Recht gekämpft. Es ging ihr nicht um sexuelle Begierden oder Geld. Die Sünde lag vor allem auf der Seite von Juda, der einerseits seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist und andererseits kein Problem darin sah, zu einer vermeintlichen Prostituierten zu gehen.
Rahab
Salmon zeugte den Boas mit der Rahab. (Matthäus 1,5)
Rahab war eine Bewohnerin Jerichos, die die von Josua ausgesandten Kundschafter bei sich aufnahm und dabei ein Risiko einging. Sie hatte erkannt, dass Gott ihr Land den Israeliten gegeben hatte, aber auch, dass der Gott Israels der wahre Gott ist. Sie hat sich darum auf die Seite Israels gestellt. Ihre Geschichte ist in Josua 2 zu lesen. In Josua 2,1 wird sie eine Dirne genannt. Ob dieses Wort in ihrem Fall tatsächlich eine Prostituierte meinte, ist umstritten. Die spätere jüdische Überlieferung sieht sie eher als eine Art Gastwirtin.
Rut
Boas zeugte den Obed mit der Rut. (Matthäus 1,5b)
Die Geschichte der Moabiterin Rut erfahren wir im Buch Rut. Anders als die beiden vorgenannten Frauen können ihr keinerlei moralische Vorwürfe gemacht werden. Sie war die Schwiegertochter der Israelitin Noomi, die gemeinsam mit ihrem Mann während einer Hungersnot nach Moab gezogen ist. Noomis Mann und Söhne starben in Moab. Rut blieb ihrer Schwiegermutter treu und folgte ihr zurück in ihre Heimatstadt Bethlehem. Sie nahm den Glauben an den Gott Israels an.
Batseba
David zeugte den Salomo mit der Frau des Urija. (Matthäus 1,6b)
Ihre Geschichte lesen wir in 2 Samuel 11. Batseba war die Frau des Hethiters Urija, daher möglicherweise wie ihr Mann ursprünglich eine Nichtisraelitin. Urija, der möglicherweise aus dem von David eroberten Jerusalem stammte, hat aber den Glauben Israels angenommen. Dafür spricht sein Name, der „Mein Licht ist Jahwe“ bedeutet. Es ist aber auch möglich, dass sie israelitischer Herkunft war und ihr Vater Eliam einer der dreißig Helden Davids war (2 Samuel 23,34). Bekannt wurde sie durch den Ehebruch, den David mit ihr begangen hatte. Als sie davon schwanger war, ließ David, da sich ihr Mann Urija, der ein Kämpfer im Heer Davids war, sich weigerte, bei seiner Frau zu übernachten, diesen in der Schlacht durch das Schwert der Ammoniter töten.
Zu allen vier Frauen
Mindestens drei der vier Frauen waren Nichtisraelitinnen, möglicherweise auch Batseba. Drei der vier Frauen standen in einem sündhaften Zusammenhang. Am offensichtlichsten war es bei Batseba und Tamar, wobei die Initiative von den Männern ausging. Bei Rahab hängt es davon ab, ob sie tatsächlich eine Prostituierte war. Nur Rut ist in dieser Hinsicht eine Ausnahme.
Wenn Matthäus genau diese vier Frauen im Stammbaum Jesu erwähnt, macht er dadurch auch eine Aussage über Jesus. Der Stammbaum Jesu war kein rein israelitischer. Er hatte nichtisraelitische Vorfahren. In der Geschichte seiner Vorfahren kam es zu schwerwiegenden Sünden. Die Bibel beschönigt diese Sünden nicht.
Jesus kam zu den Sündern, um Befreiung von der Sünde zu schenken.
Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen. (Matthäus 1,21)
Jesus kam nicht nur für das Volk Israel. In seinem Stammbaum waren nichtisraelitische Frauen. Er ist der Retter der Welt, wie es die Samariter in Johannes 4,42 bezeugten:
Und zu der Frau sagten sie: Nicht mehr aufgrund deiner Rede glauben wir, denn wir haben selbst gehört und wissen: Er ist wirklich der Retter der Welt.
Darum hat Jesus seine Jünger nach seiner Auferstehung auch zu allen Völkern gesandt:
19 Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes 20 und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt. (Matthäus 28,19-20)
Auf diese Aspekte hat Matthäus durch die Erwähnung dieser Frauen im Stammbaum Jesu hingewiesen. Jesus ist der Erlöser für alle Menschen. Jeder Mensch ist gerufen, an ihn zu glauben und dadurch Befreiung von seinen Sünden zu erfahren.