Ihr habt gehört, dass ich zu euch sagte: Ich gehe fort und komme wieder zu euch. Wenn ihr mich liebtet, würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als ich.
(Johannes 14,28)
Es gibt nur einen Gott. Wenn Jesus Gott ist, dann hat er in derselben Weise wie sein himmlischer Vater an dem einen unteilbaren göttlichen Wesen teil. Innerhalb des dreieinen Gottes kann es keinen größeren oder kleineren Gott geben. Das wäre nicht mehr ein einziger Gott, sondern ein Zusammenschluss mehrerer göttlicher Wesen, von denen einer größer und ein anderer kleiner wäre. Wenn Jesus sagte, dass der Vater größer als er ist, sagte er dadurch, dass er nicht Gott ist?
Jesus hat in verschiedener Weise seinen Anspruch, Gott zu sein, bekräftigt. Eine Zusammenstellung dazu gibt es in einem eigenen Beitrag. Jesus hat diesen Anspruch auch in den Gesprächen bei seinem letzten Zusammensein mit seinen Jüngern, kurze Zeit vor seiner Gefangennahme, seinem Leiden und Sterben, zum Ausdruck gebracht.
13 Alles, um was ihr in meinem Namen bitten werdet, werde ich tun, damit der Vater im Sohn verherrlicht wird. 14 Wenn ihr mich um etwas in meinem Namen bitten werdet, werde ich es tun. (Johannes 14,13-14)
Jesus hat verheißen, dass er die Gebete seiner Jünger erfüllen wird. Wer außer Gott kann Gebete erhören?
Jesus antwortete ihm: Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten; mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen. (Johannes 14,23)
Der Vater und Jesus nehmen gemeinsam Wohnung bei dem, der ihn liebt. Es geht um die gemeinsame geistliche Gegenwart von Vater und Sohn im Gläubigen.
Wenn Jesus nun im selben Rahmen, in dem er den Vater größer als sich selbst nannte, auch seinen göttlichen Anspruch ausgedrückt hat, was wollte er damit sagen?
Eine Möglichkeit wäre, dass er dadurch zum Ausdruck bringen wollte, dass es, auch wenn es hinsichtlich der Allmacht, Allwissenheit und Allgegenwart keinen Unterschied zwischen dem Vater und Jesus geben kann, es doch einen Unterschied hinsichtlich des Ursprungs gibt. Der Vater ist ohne Ursprung. Der Sohn geht in ewiger Zeugung aus dem Vater hervor. Das ist nicht so zu verstehen, dass es zuerst nur den Vater gab und sich der Vater eines Tages entschloss, einen Sohn zu zeugen. In Gott gibt es keine Zeit, kein Früher und Später. Zeit ist eine Dimension der Schöpfung, in der es Veränderung gibt, nicht aber des ewigen Gottes, der alles geschaffen hat. Der Hervorgang des Sohnes aus dem Vater gehört zum ewigen Wesen Gottes. Gott ist die Liebe, die sich in seinem inneren Wesen vollkommen verwirklicht.
Es ist aber die Frage, ob Jesus das damit ausdrücken wollte. Der Zusammenhang weist in eine andere Richtung.
Jesus spricht in Johannes 14,28 von seinem Fortgehen und Wiederkommen. In dieser Situation, am Abend vor seiner Hinrichtung, hat Jesus damit sein Sterben und seine Auferstehung gemeint.
Gestorben ist Jesus nur als Mensch. Hinsichtlich seiner Gottheit konnte er nicht sterben. Das bedeutet aber nicht, dass Jesus in seinem Sterben als Mensch von Gott verlassen worden wäre. Auch auferstanden ist Jesus als Mensch, da er als Gott nicht gestorben ist.
Wenn Jesus von seinem Tod und seiner Auferstehung spricht, spricht er klar über sich als Mensch. In dieser Hinsicht ist der Vater größer als der Mensch Jesus.
Jesus sagte seinen Jüngern, dass sie sich freuen sollten, dass er zum Vater geht. Sein Gehen zum Vater meint seine Verherrlichung. Gottes Sohn hat sich erniedrigt, wurde Mensch. Als Mensch hat er sich so tief erniedrigt, den schändlichen Tod eines Verbrechers zu sterben, vor den Menschen wie ein von Gott Verfluchter dazustehen. Doch in seiner Verherrlichung hat wurde er über die ganze Schöpfung erhöht und erhielt einen Namen, der über allen Namen steht.
Paulus hat das im Philipperbrief so ausgedrückt:
6 Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, 7 sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; 8 er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. 9 Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, 10 damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu 11 und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters. (Philipper 2,6-11)
Gottes Sohn hat sich entäußert, um uns Menschen gleich zu sein. Als Mensch war er natürlich geringer als Gott. Als Kind und Jugendlicher war er sogar Josef und Maria untergeordnet und gehorsam (Lukas 2,51). Doch nun ist er über alle Schöpfung erhaben. Die Menschheit, die der Sohn in seiner Menschwerdung angenommen hat, hat er bei seiner Auferstehung nicht abgelegt, sondern verherrlicht. Der eine Jesus ist der Herr zur Ehre seines Vaters. Diese Ehre sollen wir ihm geben.
[…] damit alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt auch den Vater nicht, der ihn gesandt hat.
(Johannes 5,23)