Sonnenumglänzete, sternenbekränzete …

Der Titel dieses Beitrags stammt aus dem Marienlied „Wunderschön prächtige“. Die Formulierung hat ihren Hintergrund in den Worten von Offenbarung 12,1:

Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt.

Wer ist diese Frau? Geht es hier um Maria, die Mutter Jesu, wie die Worte des katholischen Kirchenliedes nahelegen?

Lesen wir auch die nächsten Verse aus Offenbarung 12:

2 Sie war schwanger und schrie vor Schmerz in ihren Geburtswehen. 3 Ein anderes Zeichen erschien am Himmel und siehe, ein Drache, groß und feuerrot, mit sieben Köpfen und zehn Hörnern und mit sieben Diademen auf seinen Köpfen. 4 Sein Schwanz fegte ein Drittel der Sterne vom Himmel und warf sie auf die Erde herab. Der Drache stand vor der Frau, die gebären sollte; er wollte ihr Kind verschlingen, sobald es geboren war. 5 Und sie gebar ein Kind, einen Sohn, der alle Völker mit eisernem Zepter weiden wird. Und ihr Kind wurde zu Gott und zu seinem Thron entrückt. 6 Die Frau aber floh in die Wüste, wo Gott ihr einen Zufluchtsort geschaffen hatte; dort wird man sie mit Nahrung versorgen, zwölfhundertsechzig Tage lang. (Offenbarung 12,2-6)

Diese Worte sprechen von den Geburtswehen, von einem Drachen, der das neugeborene Kind verschlingen will, von einer wunderbaren Rettung des Kindes und von einer Flucht der Frau in die Wüste. Passt das alles auf Maria?

Unbestritten ist, dass Maria die Mutter des Messias ist. Der „Sohn, der alle Völker mit eisernem Zepter weiden wird“, ist der Messias. Diese Formulierung klingt an Psalm 2,8-9 an:

8 Fordere von mir und ich gebe dir die Völker zum Erbe und zum Eigentum die Enden der Erde. 9 Du wirst sie zerschlagen mit eisernem Stab, wie Krüge aus Ton wirst du sie zertrümmern.

Die Geburtswehen scheinen auf den ersten Blick auch kein Problem darzustellen. Doch stehen sie in Widerspruch zu einer katholischen Tradition, die auf das apokryphe Protoevangelium des Jakobus (Kapitel 19) zurückgeht. Nach dieser Tradition wurde Jesus auf wunderbare Weise ohne Wehen geboren.

Nach der Entrückung des Messias, also nach der Himmelfahrt Jesu, flieht die Frau in die Wüste. Derartiges ist aus dem Leben Marias nicht bekannt.

Es spricht daher einiges gegen die Deutung der Frau aus Offenbarung 12 auf Maria.

Die Symbolik von Sonne, Mond und zwölf Sternen erinnert an den Traum Josefs in Genesis 37,9-10.

9 Er hatte noch einen anderen Traum. Er erzählte ihn seinen Brüdern und sagte: Siehe, ich träumte noch einmal: Und siehe, die Sonne, der Mond und elf Sterne warfen sich vor mir nieder. 10 Als er davon seinem Vater und seinen Brüdern erzählte, schalt ihn sein Vater und sagte zu ihm: Was soll der Traum, den du da geträumt hast? Sollen wir etwa, ich, deine Mutter und deine Brüder, kommen und uns vor dir zur Erde niederwerfen?

In diesem Traum ging es um die Familie Jakobs, aus der das Volk Israel, das Volk Gottes, hervorgehen sollte. Das weist uns in die Richtung, dass die Frau in Offenbarung 12 für das Volk Gottes steht. Es ist das Volk Gottes im Übergang vom Volk Israel zum geistlichen Israel, der Gemeinde Jesu Christi. Das Volk bringt unter Schmerzen den Messias hervor und wird seinetwegen verfolgt. Die Flucht in die Wüste steht für eine Verfolgungszeit. Die 1260 Tage, also dreieinhalb Jahre, symbolisieren seit der Verfolgung der frommen Juden durch Antiochus IV. Epiphanes eine Zeit der Verfolgung und der Drangsal. Die Gemeinde wird verfolgt, zugleich aber von Gott bewahrt.

Das ist die Botschaft, die der verfolgten Gemeinde durch die Offenbarung des Johannes vermittelt wird. Die Gemeinde soll auch in der Verfolgung an Gott festhalten, der für sie sorgt und sie beschützt. Der Drache, der schon den Messias verschlingen wollte, setzt seinen Krieg gegen „ihre übrigen Nachkommen“ fort, „die die Gebote Gottes bewahren und an dem Zeugnis für Jesus festhalten“ (Offenbarung 12,17). Doch er wird diesen Krieg verlieren.

Es ist eine Botschaft des Trostes für die verfolgte Gemeinde, keine Huldigung der Mutter Jesu, die eine derartige Huldigung auch nicht will.

Die „sonnenumglänzete, sternenbekränzete“ Frau ist nicht Maria, es ist die Gemeinde derer, die Jesus nachfolgen, die bereit sind, ihr Leben für ihren Herrn hinzugeben. Es sind die, die den Drachen überwunden haben.

Sie haben ihn besiegt durch das Blut des Lammes und durch ihr Wort und ihr Zeugnis. Sie hielten ihr Leben nicht fest, bis hinein in den Tod. (Offenbarung 12,11)

 

 

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