Ist Jesus bei Gott oder in einem unteren Himmel?

Die Bibel und der Koran stimmen darin überein, dass Jesus nach seinem Wirken auf der Erde zu Gott erhöht worden ist.

In der Bibel wird das schon im Alten Testament in Psalm 110 über den Messias gesagt:

So spricht der HERR zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten und ich lege deine Feinde als Schemel unter deine Füße. (Psalm 110,1)

Jesus selbst hat das vor dem Hohepriester bekannt:

Da wandte sich der Hohepriester nochmals an ihn und fragte: Bist du der Christus, der Sohn des Hochgelobten? 62 Jesus sagte: Ich bin es. Und ihr werdet den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und mit den Wolken des Himmels kommen sehen. (Markus 14,61b-62)

Die „Macht“ ist ein umschreibendes Wort für Gott. Jesus hat sich mit diesem Wort auf Psalm 110,1 bezogen.

Weitere Stellen aus dem Neuen Testament:

Nachdem Jesus, der Herr, dies zu ihnen gesagt hatte, wurde er in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes. (Markus 16,19)

55 Er (Stephanus) aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen 56 und rief: Siehe, ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen. (Apostelgeschichte 7,55-56)

20 Er ließ sie wirksam werden in Christus, den er von den Toten auferweckt und im Himmel auf den Platz zu seiner Rechten erhoben hat, 21 hoch über jegliche Hoheit und Gewalt, Macht und Herrschaft und über jeden Namen, der nicht nur in dieser Weltzeit, sondern auch in der künftigen genannt wird. (Epheser 1,20-21)

9 Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, 10 damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu 11 und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters. (Philipper 2,9-11)

3 Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Abbild seines Wesens; er trägt das All durch sein machtvolles Wort, hat die Reinigung von den Sünden bewirkt und sich dann zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt; 4 er ist um so viel erhabener geworden als die Engel, wie der Name, den er geerbt hat, ihren Namen überragt. (Hebräer 1,3-4)

Der Koran spricht an zwei Stellen davon, dass Jesus nun bei Gott ist:

Als Allah sagte: „O ʿĪsā, Ich werde dich (nunmehr) abberufen und dich zu mir emporheben und dich von denen, die ungläubig sind, reinigen und diejenigen, die dir folgen, bis zum Tag der Auferstehung über diejenigen stellen, die ungläubig sind. Hierauf wird eure Rückkehr zu Mir sein, und dann werde Ich zwischen euch richten über das, worüber ihr uneinig zu sein pflegtet. (Sure 3,55)

157 und dafür, daß sie sagten: „Gewiß, wir haben al-Masīḥ ʿĪsā, den Sohn Maryams, den Gesandten Allahs getötet.“ – Aber sie haben ihn weder getötet noch gekreuzigt, sondern es erschien ihnen so. Und diejenigen, die sich darüber uneinig sind, befinden sich wahrlich im Zweifel darüber. Sie haben kein Wissen darüber, außer daß sie Mutmaßungen folgen. Und sie haben ihn mit Gewißheit nicht getötet. 158 Nein! Vielmehr hat Allah ihn zu Sich erhoben. Allah ist Allmächtig und Allweise. (Sure 4,157-158)

Beide Stellen sind wichtig für die koranische Lehre über den Tod Jesu. Doch soll darüber hier nicht die Rede sein. Gedanken dazu sind hier und hier zu lesen. Unabhängig davon, was diese Verse über den Tod Jesu aussagen, bezeugen sie eindeutig, dass Jesus („ʿĪsā“) nun bei Gott („Allah“) ist, der ihn zu sich erhoben hat. Es ist koranische Lehre, dass Jesus nach seiner Erhöhung in der Gegenwart Gottes lebt.

Die islamische Tradition, die sich auf Mohammed zurückführt, behauptet aber anderes. Ibn Hischam schreibt unter Verwendung des Werkes von Ibn Ishak1:

Ein zuverlässiger Mann hat mir von Abu Said Alchudri berichtet, er habe gehört, wie Mohammed erzählte: als ich in Jerusalem das Nöthige vollbracht hatte, brachte man mir eine Leiter, wie ich nie etwas Schöneres gesehen habe, es ist die, nach welcher die Todten bei der Auferstehung ihre Blicke richten. Mein Freund (Gabriel) liess mich hinaufsteigen, bis wir an eines der Himmelsthore kamen, welches das Thor der Wache hiess. […]
Nach Abu Said’s Bericht, hat Mohammed gesagt: als ich in den untern Himmel kam, sah ich einen Mann da sitzen, welchem die Seelen der Menschen vorgestellt wurden. […] Ich fragte Gabriel: wer ist dieser Mann? er antwortete: es ist Dein Vater Adam […]
er ließ mich dann in den zweiten Himmel steigen, und hier sah ich die beiden Vetter Christus und Johannes.
Dann in den dritten Himmel, da war ein Mann, der wie der Vollmond aussah, und als ich nach seinem Namen fragte, sagte mir Gabriel: es ist dein Bruder Josef, der Sohn Jakobs.
Er brachte mich dann in den vierten Himmel, da sah ich wieder einen Mann, welchen Gabriel Idris nannte und ich sagte darauf: „wir haben ihm einen hohen Platz angewiesen.“
Er führte mich dann in den fünften Himmel, da war ein Greis mit weissem Haupthaar und langem weissem Barte, ich habe nie einen schönern Greis gesehen, ich fragte nach seinem Namen und Gabriel sagte mir, es ist Harun, der Sohn Amrans, der beliebte unter seinem Volke.
Im sechsten Himmel, den ich hierauf bestieg, sah ich einen grossen Mann, mit gebogener Nase, als wäre er vom Stamme Schanua, ich fragte Gabriel: wer ist dieser Mann? er antwortete: es ist Dein Bruder, Moses, der Sohn Amran’s.
Er ließ mich dann in den siebenten Himmel steigen, da sass ein Mann, der mir sehr ähnlich sah, auf einem Throne vor dem Thore des Paradieses, durch welches jeden Tag 70.000 Engel eingehen, die bis zum Tage der Auferstehung nicht wieder herauskommen. Ich fragte Gabriel: wer ist dieser Mann? Er antwortete: es ist Dein Vater Abraham. […]
Nachdem er zum siebenten Himmel gelangt war, führte ihn Gabriel zu seinem Herrn […]

Die sieben Himmel drücken offensichtlich eine Reihenfolge aus. Im höchsten Himmel ist Abraham. Aber selbst Abraham ist noch nicht in der Gegenwart seines Herrn, der einsam über allem thront.

Jesus wurde in dieser Überlieferung ziemlich weit unten, nämlich im zweiten Himmel gemeinsam mit Johannes dem Täufer, verortet, also relativ weit weg von der Gegenwart Gottes. Damit steht die islamische Überlieferung in offenem Widerspruch zum Koran.

Diese Geschichte ist aber für Muslime sehr wichtig, da durch sie die Pflicht zum fünfmal täglichen Gebet begründet wird, die im Koran nicht zu finden ist.

Nachdem er zum siebenten Himmel gelangt war, führte ihn Gabriel zu seinem Herrn, und er schrieb ihm fünfzig Gebete täglich vor. Als ich, so erzählt Mohammed weiter, auf dem Rückwege wieder an Moses, euerm guten Herrn vorüber kam, fragte er mich, wie viele Gebete mir vorgeschrieben worden seien. Ich antwortete: fünfzig täglich. Da sagte er: das Gebet ist mühsam, und Dein Volk ist schwach, geh zu Deinem Herrn zurück, und bitte ihn, dass er es Dir und Deinem Volke leichter mache. Ich folgte diesem Rathe, und es wurden mir zehn abgenommen. Moses fand aber vierzig noch zu viel, und rieth mir um weitere Erleichterung zu bitten, und es wurden mir abermals zehn abgenommen. Moses fand es aber immer noch zu viel, und ich kehrte so oft wieder zurück, bis mir endlich nur fünf Gebete täglich auferlegt wurden. […]

Eine höchst seltsame Geschichte, die das fünfmal tägliche Gebet begründet …

Diese Überlieferung, die so stark in den Tagesablauf jedes Muslims eingreift, widerspricht durch die „Versetzung“ Jesu in den zweiten Himmel ganz offensichtlich dem Koran, der doch als das ewige und unabänderliche Wort Allahs betrachtet wird.

Die „Himmelfahrt“ Mohammeds soll noch während seiner Zeit in Mekka geschehen sein. Die 3. und die 4. Sure wurden ihm aber erst in Medina „offenbart“. Hat sich Mohammed in Medina nicht mehr an seine Himmelsreise erinnert? Oder wollte ihm Allah durch die Offenbarung dieser Suren zeigen, dass seine Himmelsreise nur in seiner Fantasie stattgefunden hat? Oder wurde die Geschichte von der Himmelfahrt irgendwann später von jemandem erfunden, der die Koranstellen gerade nicht im Kopf hatte und in seiner antichristlichen Haltung Jesus möglichst weit weg von Gott positionieren wollte?

Auf jeden Fall wird ersichtlich, auf welch unsicherem Grund der Islam aufbaut. Es gibt nicht nur jede Menge Widersprüche im Koran, sondern eine der wichtigsten Überlieferungen stellt sich offen gegen das angeblich reine Wort Allahs.

Aus diesem Gestrüpp der Widersprüche kommt heraus, wer sich davon abwendet und sich Jesus zuwendet, dem ewigen Wort Gottes. Er ist die Wahrheit. Bei ihm gibt es keine Lüge. Er ist auf ewig in der Gegenwart seines himmlischen Vaters und weist uns den Weg dorthin.

Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich. (Johannes 14,6)


  1. Das Leben Mohammeds nach Mohammed Ibn Ishak bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischam, aus dem Arabischen übersetzt von Dr. Gustav Weil, 21. Band, Stuttgart 1864, S. 200-203, (268-271). 

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