Der treue Gefährte in Philipper 4 – Paulus‘ Ehefrau?

2 Ich ermahne Evodia und ich ermahne Syntyche, einmütig zu sein im Herrn. 3 Ja, ich bitte auch dich, treuer Gefährte, nimm dich ihrer an! Sie haben mit mir für das Evangelium gekämpft, zusammen mit Klemens und meinen anderen Mitarbeitern. Ihre Namen stehen im Buch des Lebens. (Philipper 4,2-3)

In Anspielung auf diese Stelle schrieb Klemens von Alexandrien (150-215):

Auch Paulus trägt kein Bedenken, in einem seiner Briefe seine Gattin anzureden, die er nur nicht mit sich herumführte, um in der Ausübung seines Amtes nicht gehindert zu sein. (Klemens von Alexandrien, Stromata, III,53,1)

Dieser Verweis auf das Beispiel von Paulus war eines von vielen Argumenten, die Klemens gegen

diejenigen aber, die unter einem frommen Vorwand durch ihre Enthaltsamkeit sich sowohl gegen die Schöpfung als auch gegen den heiligen Weltschöpfer, den allmächtigen, alleinigen Gott, versündigen und lehren, man dürfe Ehe und Kinderzeugen nicht zulassen und nicht zum Ersatz für sich selbst andere zum Unglücklichwerden in die Welt hereinbringen und dem Tode keine neue Nahrung zuführen […] (Klemens von Alexandrien, Stromata III,45,1)

schreibt.

Eusebius von Cäsarea hat diese Erklärung von Klemens in seiner Kirchengeschichte III,30, wie es scheint, zustimmend zitiert.

Auch Origenes soll in seinem Kommentar zum Römerbrief 1,1 Philipper 4,3 so verstanden haben. Diese Stelle konnte ich jedoch nicht verifizieren.

Das griechische Wort für „Gefährte“ – σύζυγος / sýzygos – hatte im Profangriechischen unter anderem tatsächlich die Bedeutung „Ehegatte“ und konnte sowohl für den Ehemann als auch für die Ehefrau verwendet werden. Das verwandte Verb συζεύγνυμι / syzeúgnymi „zusammenjochen“ wird im Neuen Testament für die Verbindung zwischen Mann und Frau in der Ehe verwendet.

Sie sind also nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen. (Matthäus 19,6 // Markus 10,9)

Für „verbunden“ steht im Griechischen das Verb syzeúgnymi.

Auch Chrysostomus scheint in seinem Erklärungsversuch die Bedeutung „Ehegattin“ vorauszusetzen:

Einige behaupten, die Bitte hier sei an seine Frau gerichtet. Allein das ist nicht der Fall, sondern er wendet sich damit an irgendeine Frau, oder auch den Mann einer der beiden Frauen. (Johannes Chrysostomus, Kommentar zum Philipperbrief 14,3)

Dass Paulus im Philipperbrief nicht seine Frau gemeint haben konnte, geht aus dem bereits früher geschriebenen 1. Korintherbrief hervor:

Ich wünschte, alle Menschen wären unverheiratet wie ich. Doch jeder hat seine eigene Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so. (1 Korinther 7,7)

Das Wort „unverheiratet“ steht zwar nicht im Text, aber aus dem Zusammenhang geht klar hervor, dass das gemeint ist. Wenn Paulus im Jahre 55, als er den Korinthern schrieb, unverheiratet war und diesen Stand wünschenswert nannte, ist nicht anzunehmen, dass er kurz danach geheiratet und dann seine Frau in Philippi zurückgelassen hätte.

Es wird öfters vermutet, dass „Syzygos“ ein Eigenname sei. So hat die Jerusalemer Bibel übersetzt:

Ja, ich bitte auch dich, Syzygos, wahrer „Gefährte“, nimm dich ihrer an!

Nach dieser Erklärung wollte Paulus ausdrücken, dass sich Syzygos, als das erwiesen hat, was sein Namen sagt: als ein wahrer Gefährte.

Das Problem an dieser Erklärung ist, dass der Name Syzygos in der gesamten griechischen Literatur der Antike nicht bezeugt ist. Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass es diesen Eigennamen überhaupt gegeben hat. Somit konnte es auch in Philippi keinen Christen mit diesem Namen geben.

Vielleicht kann die Grundbedeutung des Wortes sýzygos helfen. Das Wort setzt sich zusammen aus σύν / sýn („mit“) und ζυγός / zygós („Joch“). Man könnte sagen, dass es sich um einen „Jochgenossen“ handelt. Wenn es sich bei diesem „Zusammengejochtsein“ nicht um eine Ehe handelt, würde sich nahelegen, dass Paulus jemanden meint, mit dem er im Dienst im Reich Gottes wie unter einem gemeinsamen Joch verbunden war.

Jesus hatte seine Jünger zu zweit ausgesandt.

Er rief die Zwölf zu sich und sandte sie aus, jeweils zwei zusammen. (Markus 6,7a)

Auch Paulus wurde gemeinsam mit Barnabas ausgesandt:

2 Als sie zu Ehren des Herrn Gottesdienst feierten und fasteten, sprach der Heilige Geist: Wählt mir Barnabas und Saulus zu dem Werk aus, zu dem ich sie berufen habe! 3 Da fasteten und beteten sie, legten ihnen die Hände auf und ließen sie ziehen. (Apostelgeschichte 13,2-3)

Am Beginn der zweiten Missionsreise trennten sich Paulus und Barnabas aber. Doch Paulus zog nicht alleine weiter. Sein neuer Jochgenosse war Silas.

Paulus aber wählte sich Silas und reiste ab, nachdem die Brüder ihn der Gnade des Herrn empfohlen hatten. (Apostelgeschichte 15,40)

Silas war der Begleiter von Paulus, als sie nach Philippi kamen. Gemeinsam verkündeten sie das Evangelium. Gemeinsam wurden sie aber auch ausgepeitscht. Gemeinsam verbrachten sie eine Nacht im Block im Gefängnis von Philippi. Gemeinsam lobten sie dort Gott und wurden durch ein Wunder Gottes befreit. (Apostelgeschichte 16,12-40) Die letzte Erwähnung von Silas ist in Apostelgeschichte 18,5, als er nach einem Aufenthalt in Mazedonien zu Paulus nach Korinth kam.

Silas war den Christen in Philippi also gut bekannt. Es ist durchaus möglich, dass er, als Paulus den Philipperbrief schrieb, in Philippi war. Meines Erachtens würde es gut passen, dass Paulus in Philipper 4,3 seinen treuen Jochgenossen Silas ermuntert hat, den beiden Schwestern Evodia und Syntyche, die beide für das Evangelium gekämpft haben, in ihrem Trachten nach Einheit behilflich zu sein. Da sowohl er selber als auch die Philipper wussten, wer gemeint war, hielt es Paulus nicht für nötig, seinen Namen zu nennen.

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