Apollos – ein ungetaufter Christ?

24 Ein Jude namens Apollos kam nach Ephesus. Er stammte aus Alexandria, war redekundig und in der Schrift bewandert. 25 Er war unterwiesen im Weg des Herrn. Er sprach mit glühendem Geist und trug die Lehre von Jesus genau vor; doch kannte er nur die Taufe des Johannes. 26 Er begann, mit Freimut in der Synagoge zu sprechen. Priscilla und Aquila hörten ihn, nahmen ihn zu sich und legten ihm den Weg Gottes noch genauer dar. 27 Als er nach Achaia gehen wollte, schrieben die Brüder den Jüngern und ermunterten sie, ihn aufzunehmen. Nach seiner Ankunft wurde er den Gläubigen durch die Gnade eine große Hilfe. 28 Denn mit Nachdruck widerlegte er die Juden, indem er öffentlich aus der Schrift nachwies, dass Jesus der Christus sei. (Apostelgeschichte 18,24-28)

Diese Ereignisse trugen sich zu, nachdem Paulus nach seinem ersten nur kurzen Aufenthalt in Ephesus nach Jerusalem weitergereist war. Seine Mitarbeiter Priscilla und Aquila begegneten in Ephesus in der Synagoge Apollos, der seinen jüdischen Volksgenossen das Evangelium von Jesus Christus vermitteln wollte. Der Apostelgeschichte zufolge war der schriftkundige Jude im Weg des Herrn, d. h., in der christlichen Lehre unterrichtet. Nur im Hinblick auf die Taufe gab es eine Lücke, da er nur die Taufe des Johannes kannte. Diese unterschied sich von der von Jesus angeordneten Taufe darin, dass sie nur eine Taufe zur Umkehr war, aber keine Taufe im Namen des Herrn Jesus war. Ihr fehlte der Symbolgehalt des Hineingenommenwerdens in den Tod Jesu, wie es Paulus in Römer 6,1-11 dargelegt hat. Ihr fehlte auch das Charakteristikum des Hineingetauftwerdens in den Leib der Gemeinde (1 Korinther 12,13). Abgesehen von diesem Punkt scheint er alles richtig gelehrt zu haben.

Da er nur die Johannestaufe kannte, ist offensichtlich, dass er selber nicht mit der christlichen Taufe getauft worden war, sondern nur mit der Taufe zur Umkehr, wie Johannes sie gelehrt und praktiziert hatte.

Trotzdem haben ihn Priscilla und Aquila wie einen Bruder behandelt. Sie haben ihm den Weg Gottes noch genauer dargelegt. Aber sein Christsein wurde nicht infrage gestellt.

Es heißt auch, dass Apollos „mit glühendem Geist“ sprach. Dieselbe Formulierung ζέων τῷ πνεύματι / zéōn tō pneúmati finden wir ihn Römer 12,11.

(Seid) im Fleiß nicht säumig, brennend im Geist; dem Herrn dienend (Elberfelder)

Im Römerbrief geht es um den Heiligen Geist. Wenn Lukas in der Apostelgeschichte Apollos mit denselben Worten beschreibt, setzt das wohl auch voraus, dass er den Heiligen Geist hatte.

Es wird nichts von einer Taufe erwähnt. Priscilla und Aquila haben, so scheint es, sogar einen Wunsch unterstützt, nach Achaia, d. h., nach Korinth zu reisen und den dortigen Brüdern eine entsprechende Nachricht geschrieben. In der Ortsgemeinde von Korinth hatte Apollos dann eine große Verantwortung zu tragen. Er hat das von Paulus begonnene Werk fortgesetzt.

Paulus hat das so ausgedrückt:

Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen, Gott aber ließ wachsen. (1 Korinther 3,6)

Aber wäre es nicht möglich, dass Apollos von Priscilla und Aquila getauft wurde und Lukas das einfach nicht erwähnt hat?

Es ist klar, dass Lukas nirgends eine vollständige Beschreibung von allem, was vorgefallen ist, bringt, sondern dass er über die Dinge schreibt, die ihm unter Führung des Heiligen Geistes wichtig waren. Aber in diesem Zusammenhang schreibt er nur von einer genaueren Darlegung des Weges Gottes, was wohl bedeutet, dass er von Priscilla und Aquila als Christ betrachtet wurde, der noch nicht alles wusste, aber grundsätzlich ein Bruder war und nicht erst ein Christ werden musste. Da die Taufe den Beginn eines Christenlebens anzeigt, war es nicht angebracht, jemanden zu taufen, dessen Leben als Christ offensichtlich schon viel früher begonnen hatte. Immerhin sieht es so aus, als ob Apollos zur Verkündigung nach Ephesus gekommen wäre.

Auch der Vergleich mit der in der Apostelgeschichte gleich anschließend erzählten Begebenheit ist hilfreich.

1 Während Apollos sich in Korinth aufhielt, durchwanderte Paulus das Hochland und kam nach Ephesus hinab. Er stieß dort auf einige Jünger 2 und fragte sie: Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, als ihr gläubig wurdet? Sie antworteten ihm: Wir haben noch nicht einmal gehört, dass es einen Heiligen Geist gibt. 3 Da fragte er: Auf welche Taufe seid ihr denn getauft worden? Sie antworteten: Auf die Taufe des Johannes. 4 Paulus sagte: Johannes hat mit der Taufe der Umkehr getauft und das Volk gelehrt, sie sollten an den glauben, der nach ihm komme: an Jesus. 5 Als sie das hörten, ließen sie sich auf den Namen Jesu, des Herrn, taufen. 6 Paulus legte ihnen die Hände auf und der Heilige Geist kam auf sie herab; sie redeten in Zungen und weissagten. 7 Es waren im Ganzen ungefähr zwölf Männer. (Apostelgeschichte 19,1-6)

Als Paulus nach Ephesus kam, stieß er auf einige Jünger, die bisher noch keinen Kontakt mit Priscilla und Aquila oder mit Apollos gehabt hatten. In gewisser Weise waren sie Apollos ähnlich. Auch sie kannten nur die Taufe des Johannes. Sie werden „Jünger“ genannt. Trotzdem gab es noch einen gravierenden Mangel.

Wir haben noch nicht einmal gehört, dass es einen Heiligen Geist gibt.

Da sie die Taufe des Johannes kannten und daher wohl Juden waren, musste ihnen vom Alten Testament her bekannt sein, dass es den Heiligen Geist gibt. So bedeutet ihre Aussage, dass sie nicht wussten, dass der Heilige Geist schon ausgegossen wurde und so die Weissagungen der Propheten erfüllt worden sind. Das bedeutet aber auch, dass sie trotz ihres Lebens als Jünger noch keine Christen waren.

Wer aber den Geist Christi nicht hat, der gehört nicht zu ihm. (Römer 8,9b)

Deswegen ließen sie sich auf den Namen Jesu, des Herrn, taufen. Dadurch wurden sie zu Christen. Lukas beschreibt nicht, was das Wort „Jünger“ in diesem Zusammenhang bedeutet. Meinte er, dass sie schon Jünger Jesu waren und eine sehr mangelhafte Erkenntnis hatten, aber das, was sie über ihn wussten, in ihrem Leben praktizierten? Oder bedeutet es, dass sie Jünger Johannes des Täufers waren? Auf jeden Fall hat sich ihr Leben von dem anderer Menschen unterschieden. Es fehlte nicht mehr viel zum Christsein. Als sie von Paulus bekamen, was ihnen noch fehlte, haben sie es dankbar angenommen.

Es ist auffällig, dass diese beiden Begebenheiten in der Apostelgeschichte unmittelbar hintereinander stehen. Sicher ereigneten sie sich auch in zeitlicher Nähe. Aber könnte es nicht auch sein, dass Lukas dadurch, dass er diese beiden ähnlichen und doch unterschiedlichen Fälle unmittelbar nacheinander erzählte, etwas ausdrücken wollte?

Apollos war ein Christ und eifriger Verkünder des Herrn Jesus mit einer mangelhaften Erkenntnis. Bei ihm war die Taufe nicht angebracht, weil er schon Christ war. Die „ungefähr zwölf Männer“ waren am Weg zum Christsein. Doch fehlte ihnen der Heilige Geist, ohne den man nicht Christ sein kann. Deswegen wurden sie durch die Taufe zu Christen.

Wir können daraus lernen, dass nicht ein Ritual den Menschen zum Christen macht, sondern der Schritt der Umkehr verbunden mit einer Kenntnis des Evangeliums. Gott bestätigt diesen Schritt durch die Gabe des Heiligen Geistes, auch wenn die Symbolhandlung der Taufe fehlt, wie es bei Apollos der Fall war.

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