Braucht Gott eine Frau, um einen Sohn zu haben?

Schöpfer der Himmel und der Erde! Wie sollte Er einen Sohn haben, wo Er keine Gefährtin hat und wo Er alles erschuf und alle Dinge kennt? (Sure 6,101 – Abu-r-Rida)

Im Zusammenhang der sechsten Sure richtet sich dieser Vers in erster Linie nicht gegen die christliche Lehre der Gottessohnschaft Jesu, sondern gegen heidnische Vorstellungen.

Die Verse 95-99 sprechen über den Schöpfer und seine Schöpfung:

95 Allah ist es, Der die Körner und die Kerne spaltet und das Lebendige aus dem Toten hervorbringt. Und (Er ist es,) Der das Tote aus dem Lebendigen hervorbringt. Dies ist doch Allah – wie laßt ihr euch also abwendig machen? –, 96 Er, Der den Morgen anbrechen läßt. Er hat die Nacht zur Ruhe(zeit) und die Sonne und den Mond als (Mittel der) Berechnung gemacht. Das ist die Anordnung des Allmächtigen und Allwissenden. 97 Und Er ist es, Der euch die Sterne gemacht hat, damit ihr euch durch sie rechtleiten laßt in den Finsternissen des Festlandes und des Meeres. Wir haben ja die Zeichen ausführlich dargelegt für Leute, die Bescheid wissen. 98 Und Er ist es, Der euch aus einem einzigen Wesen hat entstehen lassen. Dann gibt es einen Aufenthaltsort und einen Aufbewahrungsort. Wir haben die Zeichen ausführlich dargelegt für Leute, die verstehen. 99 Und Er ist es, Der vom Himmel Wasser herabkommen läßt. Damit bringen Wir den Wuchs aller Arten hervor; aus ihnen bringen Wir dann Grün hervor, aus dem Wir übereinandergeschichtete Körner hervorbringen – und aus den Palmen, aus ihren Blütenscheiden (entstehen) herabhängende Dattelbüschel –, und (auch) Gärten mit Rebstöcken und die Öl- und die Granatapfelbäume, die einander ähnlich und unähnlich sind. Schaut ihre Früchte an, wenn sie Früchte tragen, und (schaut) auf deren Reife! Seht, darin sind wahrlich Zeichen für Leute, die glauben. (Sure 6,95-99)

Allah wird hier als der Schöpfer und Erhalter der Welt vorgestellt. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf den Produkten der Landwirtschaft und den Gestirnen, die der Orientierung dienen. Das passt gut zu Arabern, die in einer fruchtbaren Oase leben und in der Wüste und am Meer zur Orientierung auf die Gestirne angewiesen sind.

Vers 100 klagt über die Teilhaber, die Allah zugeschrieben wurden:

Und sie haben Teilhaber Allah gegeben: die Ğinn, wo Er sie doch erschaffen hat. Und sie haben Ihm Söhne und Töchter angedichtet, ohne Wissen. Preis sei Ihm! Erhaben ist Er über das, was sie (Ihm) zuschreiben. (Sure 6,100)

Interessanterweise werden hier als Teilhaber nicht Göttinnen genannt, sondern die Dschinn, Wesen, die aus einer Feuerflamme erschaffen worden sind.

Und Er hat die Ğinn aus einer unruhigen Feuerflamme erschaffen. (Sure 55,15)

Das spricht dafür, dass hier heidnische Vorstellungen kritisiert werden und nicht die christliche Lehre. Bekanntlich kennt das Christentum keine aus Feuer geschaffenen Wesen. Neben den reinen Geistgeschöpfen, den Engeln, und den materiellen Geschöpfen gibt es keine weitere Kategorie von aus Feuer geschaffenen Wesen. Der Mensch, der nach dem Bild Gottes geschaffen wurde (Genesis 1,27), ist sowohl ein materielles als auch ein geistiges Wesen.

Wenn im eingangs zitierten Vers 101 abgelehnt wird, dass der Schöpfer einen Sohn haben könnte, richtet sich das zuerst einmal gegen die heidnischen Vorstellungen aus Vers 100. Doch Vers 101 spricht ganz grundsätzlich über die Unmöglichkeit, dass der Schöpfer einen Sohn haben könnte. Deswegen schreibt auch der Tafsīr Al-Qur’ān Al-Karīm zu diesem Vers:

Hier ist die Fortsetzung für den Versinhalt in 6:100. Ferner eine Vorhaltung an die Juden und Christen, die unserem Schöpfer Söhne zuschreiben (9:30).

Es wird auf Sure 9,30 verwiesen:

Die Juden sagen: „‚Uzair ist Allahs Sohn“, und die Christen sagen: „Al-Masih ist Allahs Sohn.“ Das sind ihre Worte aus ihren (eigenen) Mündern. Sie führen ähnliche Worte wie diejenigen, die zuvor ungläubig waren. Allah bekämpfe sie! Wie sie sich (doch) abwendig machen lassen!

Hier sollen Juden und Christen von Allah bekämpft werden, weil sie Uzair (= Esra) bzw. Jesus als Sohn Gottes verehren. Dass die Juden das nicht machen und auch nach allen geschichtlichen Belegen nie gemacht haben, stört nicht. Sie werden bekämpft. Mehr zu diesem Vers gibt es in diesem Beitrag.

Dass heidnische Vorstellungen über Götterdynastien, die durch sexuelle Verbindungen entstanden sind, entschieden abzulehnen sind, ist klar. In diesem Punkt herrscht zwischen Muslimen und Christen völlige Einheit.

Doch die christliche Lehre über die Gottessohnschaft Jesu ist auf einer ganz anderen Ebene. Der ewige Sohn Gottes, der in Jesus von Nazareth Mensch geworden ist, verdankt seine Gottessohnschaft nicht einer Verbindung zwischen einem Gott und einer Göttin, sondern er hat seit Ewigkeit Anteil am göttlichen Wesen seines Vaters, aus dem er in Ewigkeit hervorgeht. Der Begriff der „Zeugung“ soll nicht auf einen Geschlechtsakt hinweisen, sondern darauf, dass der Sohn dasselbe Wesen wie sein Vater hat, aus dem er hervorgeht. Darum wird Jesus der einziggezeugte Gott genannt:

Gott hat keiner gesehen jemals; der einziggezeugte Gott, der ist im Schoß des Vaters, jener legte ihn aus. (Johannes 1,18, Münchener NT)

Die Menschwerdung des Sohnes in einer Frau, Maria, geschah durch ein Wunder. Maria ist nicht die Partnerin oder Frau Gottes, sondern ein gewöhnlicher gläubiger Mensch. Die Bibel lässt in Lukas 1,26-38 absolut keinen Raum für die Vorstellung, dass es um eine sexuelle Beziehung gegangen wäre, auch wenn Muslime manchmal genau das den Christen vorwerfen. Mehr dazu und zur koranischen Darstellung der Menschwerdung Jesu in diesem Beitrag.

Die Gottessohnschaft Jesu hat nicht mit seiner Menschwerdung begonnen. Er ist seit Ewigkeit Gottes Sohn. In Maria ist er Mensch geworden, aber Sohn Gottes war er schon zuvor. In Jesus sind seither für alle Ewigkeit die göttliche und menschliche Natur untrennbar vereint.

Im weiteren Sinne werden alle, die Jesus aufnehmen und seine Jünger werden, Kinder Gottes genannt:

12 Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, 13 die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. (Johannes 1,12-13)

Hier geht es um den Glauben und das geistliche Leben, das Gott denen schenkt, die ihm durch Jesus ihr Leben anvertrauen. Dass Gott dazu keine Gefährtin braucht, ist offensichtlich. Weitere Gedanken zu dieser Thematik gibt es in den Beiträgen „Wie versteht der Koran Gotteskindschaft?“ und „Gott hat sich kein Kind genommen„.

Der wahre Gott, der einzige Schöpfer des Himmels und der Erde, hat sich in seinem ewigen Sohn Jesus offenbart und lädt alle Menschen, auch die Muslime, ein, ihm zu folgen, um dadurch seine Söhne und Töchter zu werden. Gott macht das ohne „Gefährtin“. Aber weil er unsere Freiheit achtet, wartet er auf unseren Glauben, um uns dieses Geschenk zu machen. Zur gläubigen Hinwendung zu Gott gehört auch die Abkehr von der Sünde.

17 Zieht darum weg aus ihrer Mitte und sondert euch ab, spricht der Herr, und fasst nichts Unreines an! Dann will ich euch aufnehmen 18 und euer Vater sein und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein, spricht der Herr, der Herrscher über das All. (2 Korinther 6,17-18)

Kommentare sind geschlossen.

Bloggen auf WordPress.com.

Nach oben ↑