An drei Stellen verwendet der Hebräerbrief das Wort ἐφάπαξ / ephápax („ein für alle Mal“), um die Einmaligkeit und Endgültigkeit des Opfers Jesu am Kreuz auszudrücken.
26 Ein solcher Hohepriester ziemte sich in der Tat für uns: einer, der heilig ist, frei vom Bösen, makellos, abgesondert von den Sündern und erhöht über die Himmel; 27 einer, der es nicht Tag für Tag nötig hat, wie die Hohepriester zuerst für die eigenen Sünden Opfer darzubringen und dann für die des Volkes; denn das hat er ein für alle Mal getan, als er sich selbst dargebracht hat. (Hebräer 7,26-27)
11 Christus aber ist gekommen als Hohepriester der künftigen Güter durch das größere und vollkommenere Zelt, das nicht von Menschenhand gemacht, das heißt nicht von dieser Schöpfung ist. 12 Nicht mit dem Blut von Böcken und jungen Stieren, sondern mit seinem eigenen Blut ist er ein für alle Mal in das Heiligtum hineingegangen und so hat er eine ewige Erlösung bewirkt. (Hebräer 9,11-12)
Aufgrund dieses Willens sind wir durch die Hingabe des Leibes Jesu Christi geheiligt – ein für alle Mal. (Hebräer 10,10)
Die Einmaligkeit des Opfers Jesu finden wir mit anderen Worten auch an anderen Stellen dieses Briefes ausgedrückt.
24 Denn Christus ist nicht in ein von Menschenhand gemachtes Heiligtum hineingegangen, in ein Abbild des wirklichen, sondern in den Himmel selbst, um jetzt vor Gottes Angesicht zu erscheinen für uns; 25 auch nicht, um sich selbst viele Male zu opfern, wie der Hohepriester jedes Jahr mit fremdem Blut in das Heiligtum hineingeht; 26 sonst hätte er viele Male seit der Erschaffung der Welt leiden müssen. Jetzt aber ist er am Ende der Zeiten ein einziges Mal erschienen, um durch sein Opfer die Sünde zu tilgen. 27 Und wie es dem Menschen bestimmt ist, ein einziges Mal zu sterben, worauf dann das Gericht folgt, 28 so wurde auch Christus ein einziges Mal geopfert, um die Sünden vieler hinwegzunehmen; beim zweiten Mal wird er nicht wegen der Sünde erscheinen, sondern um die zu retten, die ihn erwarten. (Hebräer 9,24-28)
11 Und jeder Priester steht Tag für Tag da, versieht seinen Dienst und bringt viele Male die gleichen Opfer dar, die doch niemals Sünden wegnehmen können. 12 Dieser aber hat nur ein einziges Opfer für die Sünden dargebracht und sich dann für immer zur Rechten Gottes gesetzt; 13 seitdem wartet er, bis seine Feinde ihm als Schemel unter die Füße gelegt werden. 14 Denn durch ein einziges Opfer hat er die, die geheiligt werden, für immer zur Vollendung geführt. (Hebräer 10,11-14)
Der Autor des Hebräerbriefs hat die Einmaligkeit des Opfers Jesu deswegen so betont, weil seine judenchristlichen Leser in Gefahr waren, in den alttestamentlichen Opferkult zurückzufallen. Die früheren Opfer, die „niemals Sünden wegnehmen können“, haben ihre Erfüllung im Opfer Jesu gefunden, der sich selbst ein für alle Mal hingegeben hat. Durch dieses Opfer werden die Sünden wirklich weggenommen. Wer an Jesus glaubt, erfährt Befreiung. Er wird zu einem neuen Menschen.
Das Opfer Jesu ist vollkommen für alle Ewigkeit. Es ist einmalig und braucht nicht wiederholt zu werden.
Dennoch hat sich im Laufe der Zeit ein Verständnis entwickelt, dass die Feier des Herrenmahls oder in katholischer Terminologie der Eucharistie (wörtlich: „Danksagung“) ein Opfer darstellt. Deswegen spricht man im katholischen Bereich auch vom „Messopfer“.
Das Konzil von Trient hat am 17. September 1562 im Dekret Sacrosanctum Oecumenica (10) die katholische Lehre über das Messopfer dargelegt.
Der Text1 bezieht sich sogar ausdrücklich auf den Hebräerbrief.
Da es nach dem Zeugnis des heiligen Paulus im Alten Bund wegen der Ohnmacht des levitischen Priestertums keine Vollendung gab, so mußte nach der Anordnung Gottes des Vaters der Erbarmungen, ein anderer Priester nach Melchisedeks Ordnung aufstehen, unser Herr Jesus Christus, der alle, die geheiligt werden sollten, vollenden und zur Heiligkeit führen konnte (vgl. Hebr 10,14). Dieser unser Gott und Herr hat zwar einmal auf dem Altar des Kreuzes sich selbst im Tod Gott Vater als Opfer darbringen wollen, um für jene die ewige Erlösung zu wirken. Weil aber durch den Tod sein Priestertum nicht ausgelöscht werden sollte, so wollte er beim letzten Mahl in der Nacht des Verrats seiner geliebten Braut, der Kirche, ein sichtbares Opfer hinterlassen, wie es die Menschennatur erfordert, in dem jenes blutige Opfer, das einmal am Kreuze dargebracht werden sollte, dargestellt, sein Andenken bis zum Ende der Zeiten bewahrt und seine heilbringende Kraft zur Vergebung der Sünden, die wir täglich begehen, zugewandt werden sollte. […]
Es folgt ein Verweis auf das letzte Abendmahl, bei dem Jesus
[…] Gott dem Vater seinen Leib und sein Blut unter den Gestalten von Brot und Wein […]
dargebracht habe und den Aposteln gereicht habe,
[…] die er damals zu Priestern des Neuen Bundes bestellte, […]
[…] und befahl ihnen und ihren Nachfolgern im Priestertum, dieses Opfer darzubringen mit den Worten: Tut dies zu meinem Andenken usw. (Lk 22,19; 1 Kor 11,24).
Beim Lesen der Texte über das letzte Abendmahl kommt man nicht auf den Gedanken, dass es sich um ein Opfer handle. Mit dieser Frage werde ich mich vielleicht in einem späteren Beitrag beschäftigen.
Die Begründung für eine Fortdauer des Opfers lautet:
Weil aber durch den Tod sein Priestertum nicht ausgelöscht werden sollte, […]
Das erinnert an das, was in Hebräer 7,23-25 im Zusammenhang mit den Priestern des Alten Testaments steht:
23 Auch folgten dort viele Priester aufeinander, weil der Tod sie hinderte zu bleiben; 24 er aber hat, weil er in Ewigkeit bleibt, ein unvergängliches Priestertum. 25 Darum kann er auch die, die durch ihn vor Gott hintreten, für immer retten; denn er lebt allezeit, um für sie einzutreten.
Das Konzil von Trient argumentierte, dass durch den Tod Jesu sein Priestertum nicht ausgelöscht werden sollte. Doch Jesus bleibt in Ewigkeit. Er hat ein unvergängliches Priestertum. Darum findet man im Neuen Testament auch keine Priester (ἱερεύς / hiereus) in der Gemeinde. Vereinzelt wird dieses Wort im übertragenen Sinn verwendet. Mehr dazu in diesem Beitrag.
Gerade weil Jesus ein ewiger Priester ist, der sein Opfer ein für alle Mal dargebracht hat, gab es unter den ersten Christen keine Priester und auch keinen Opferdienst.
Im 2. Kapitel2 betont das Konzil den Opfercharakter der Messe:
Weil in diesem göttlichen Opfer, das in der Messe gefeiert wird, derselbe Christus enthalten ist und unblutig geopfert wird, der sich selbst am Kreuzaltar einmal blutig dargebracht hat, so lehrt die heilige Kirchenversammlung: Dieses Opfer ist ein wirkliches Sühneopfer, und es bewirkt, daß wir »Barmherzigkeit erlangen und die Gnade finden zu rechtzeitiger Hilfe« (Hebr 4,16), wenn wir mit geradem Herzen, mit rechtem Glauben, mit Scheu und Ehrfurcht, zerknirscht und bußfertig vor Gott hintreten. […] Denn es ist ein und dieselbe Opfergabe, und es ist derselbe, der jetzt durch den Dienst der Priester opfert und der sich selbst damals am Kreuz darbrachte, nur die Art der Darbringung ist verschieden. Die Früchte jenes Opfers, des blutigen nämlich, werden durch dieses unblutige überreich erlangt; so wird durch dieses (unblutige Opfer) jenes (blutige) in keiner Weise verkleinert. Es wird deshalb nicht nur für die Sünden der lebenden Gläubigen, für ihre Strafen, Genugtuungen und andere Nöte nach der Überlieferung der Apostel, sondern auch für die in Christus Verstorbenen, die noch nicht vollkommen gereinigt sind, mit Recht dargebracht.
Es wird betont, dass das Messopfer im Grunde dasselbe Opfer ist wie das Opfer Jesu am Kreuz. Aber es ist dennoch in sich ein eigentliches Sühnopfer. Durch das unblutige Opfer werden die Früchte des blutigen Opfers erlangt, auch für diejenigen, die bereits „in Christus“ verstorben sind.
Wenn das Opfer Jesu für ewig ist, warum braucht man dann zur Erlangung der Früchte dieses Opfers ein neues Opfer, in dem das Opfer Jesu gegenwärtig ist?
Hebräer 4,16 steht in keinem Zusammenhang mit dem Herrenmahl oder einem „Messopfer“.
Wenn Paulus in 1 Thessalonicher 4,13-18 über die in Christus Verstorbenen schreibt, erwähnt er interessanterweise nicht, dass für sie gebetet oder geopfert werden soll. Er möchte trösten und ermuntern.
In den „Kanones“ des Konzils werden die Konsequenzen genannt, wenn man diese Lehren nicht annimmt:3
1. Wer sagt, in der Messe werde Gott nicht ein wirkliches und eigentliches Opfer dargebracht, oder die Opferhandlung bestehe in nichts anderem, als daß uns Christus zur Speise gereicht werde, der sei ausgeschlossen.
2. Wer sagt, durch jene Worte »Tut dies zu meinem Andenken« habe Christus seine Apostel nicht zu Priestern bestellt, oder nicht angeordnet, daß sie selbst und die andern Priester seinen Leib und sein Blut opferten, der sei ausgeschlossen.
3. Wer sagt, das Meßopfer sei nur Lob- und Danksagung oder das bloße Gedächtnis des Kreuzesopfers, nicht aber ein Sühneopfer; oder es bringe nur dem Nutzen, der kommuniziere; und man dürfe es nicht für Lebende und Verstorbene, für Sünden, Strafen, zur Genugtuung und für andere Nöte aufopfern, der sei ausgeschlossen.
Die Lehre vom Messopfer gehört zu den zentralen katholischen Dogmen, an denen nicht gezweifelt werden darf. Man muss aber annehmen, dass in Mitteleuropa die überwiegende Mehrheit der Kirchenmitglieder und Kirchensteuer- oder Kirchenbeitragszahler diese Dogmen nicht glauben und daher (theoretisch) ausgeschlossen sind. Das Geld wird trotzdem genommen.
Im Neuen Testament finden wir diese Lehre nicht. Die Apostel haben nichts über ein Opfer gelehrt, dass zur Sühne für Lebende und Tote dargebracht werden soll. Sie haben auch keine Priester eingesetzt.
Jesus hat sich selbst in vollkommener Weise für die Menschen hingegeben. Sein vollkommenes Opfer hat er ein für alle Mal dargebracht. Es braucht nicht erneuert oder als ein eigenes Opfer gegenwärtig gesetzt werden. Wäre das die Lehre der Apostel gewesen, wäre der Hebräerbrief, in dem so viel vom Opfer Jesu die Rede ist, der ideale Ort dafür gewesen. Doch von all dem, was das Konzil von Trient dazu zu sagen weiß, lesen wir im Hebräerbrief nichts.
Das Herrenmahl ist die dankbare Erinnerung an die vollkommene Hingabe Jesu. Jesus schenkt in diesem Mahl seine Gegenwart in der Erwartung der ewigen Gemeinschaft mit ihm nach seinem Kommen.
Doch das Opfer Jesu geschah ein für alle Mal am Kreuz.
Als Jesus von dem Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! Und er neigte das Haupt und übergab den Geist. (Johannes 19,30)