96 Das erste (Gottes)haus, das für die Menschen gegründet wurde, ist wahrlich dasjenige in Bakka, als ein gesegnetes (Haus) und eine Rechtleitung für die Weltenbewohner. 97 Darin liegen klare Zeichen. (Es ist) der Standort Ibrāhīms. Und wer es betritt, ist sicher. Und Allah steht es den Menschen gegenüber zu, daß sie die Pilgerfahrt zum Hause unternehmen – (diejenigen,) die dazu die Möglichkeit haben. Wer aber ungläubig ist, so ist Allah der Weltenbewohner Unbedürftig. (Sure 3,96-97)
„Bakka“ ist nach islamischem Verständnis mit Mekka gleichzusetzen. Das Heiligtum in Mekka sei demzufolge das erste Haus, das den Menschen gegeben wurde, um Gott zu verehren.
Dem Koran zufolge wurde dieses Haus von Abraham gebaut. Darum wird es in Vers 97 der „Standort Ibrāhīms“ genannt. Über den Bau des Hauses durch Abraham und Ismael lesen wir in Sure 2,127:
Und (gedenkt,) als Ibrāhīm die Grundmauern des Hauses errichtete, zusammen mit Ismāʿīl, (da beteten sie): „Unser Herr, nimm (es) von uns an. Du bist ja der Allhörende und Allwissende.
Zu dieser Behauptung, die mit den biblischen Berichten über Abraham nicht vereinbar ist, gibt es einen eigenen Beitrag.
Nach einer außerkoranischen Tradition wurde die Kaaba in Mekka bereits von Adam gebaut. Doch soll es die Kaaba schon früher gegeben haben. Bereits 2000 Jahre vor der Schöpfung sei sie auf das Wasser gesetzt worden. Danach wurde die Erde unter ihr ausgebreitet. So habe das Wikipedia zufolgeʿAbdallāh ibn ʿAbbās erklärt. Ich kann die Echtheit dieser Erklärung nicht nachprüfen. Es ist aber erstaunlich, dass es 2000 Jahre vor der Schöpfung schon Wasser gegeben haben soll.
Wenn die Kaaba in Mekka tatsächlich das erste Gotteshaus war, stellt sich die Frage, warum man vor dem 7. Jahrhundert nichts darüber erfahren hat.
Nicht nur, dass Mekka in antiken Geschichtsquellen nicht vorkommt und man meines Wissens auch keine wichtigen archäologischen Funde aus vorislamischer Zeit gemacht hat, schweigen auch sämtliche Propheten über diese Stadt und das Heiligtum in ihr.
Wenn Mekka tatsächlich das erste Haus war, in dem Gott verehrt wurde – egal ob seit Adam oder seit Abraham –, und es Gottes Wille war, dass dort alle Weltenbewohner rechtgeleitet werden, müsste es doch das Anliegen aller Propheten gewesen sein, die Menschen auf dieses Haus Gottes aufmerksam zu machen und sie dorthin zu führen.
Es gibt zwar Versuche, Mekka in die Bibel hineinzuinterpretieren – das bekannteste Beispiel ist vermutlich Psalm 84. Doch sind diese Behauptungen nicht haltbar, wie ich es für Psalm 84 in diesem Beitrag dargelegt habe.
Keiner der Gottesmänner oder Propheten hat auch nur ein einziges Wort über Mekka verloren. Diese Stadt, sofern sie zu ihrer Zeit überhaupt existiert haben sollte, kam in ihrer Wahrnehmung nicht vor.
Die Formulierung von Sure 3,96 „ein gesegnetes (Haus) und eine Rechtleitung für die Weltenbewohner“ hat mich an eine Weissagung erinnert, die wir bei den Propheten Jesaja und Micha finden. Ich zitiere nach Jesaja:
2 Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg des Hauses des HERRN steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Nationen. 3 Viele Völker gehen und sagen: Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des HERRN und zum Haus des Gottes Jakobs. Er unterweise uns in seinen Wegen, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn vom Zion zieht Weisung aus und das Wort des HERRN von Jerusalem. 4 Er wird Recht schaffen zwischen den Nationen und viele Völker zurechtweisen. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg. (Jesaja 2,2-4)
Nicht nach Mekka ziehen die Menschen aller Nationen, sondern nach Jerusalem. Der Tempel in Jerusalem war nicht das zeitlich gesehen „erste Haus“. Bevor David das Grundstück kaufte, diente es profanen Zwecken (vergleiche 2 Samuel 24,18-25). David baute dort einen Altar, aber erst sein Sohn Salomo den Tempel. Dieser Tempel bildete das Zentrum der Gottesverehrung des Volkes Israel und sollte der Ort werden, zu dem alle Völker ziehen, um dort das Wort Gottes zu hören und zu lernen.
Diesen Tempel gibt es nicht mehr. Nach seiner endgültigen Zerstörung im Jahre 70 wurde er nicht mehr aufgebaut.
Jesus hat davon gesprochen, dass in Zukunft die Gottesverehrung nicht mehr an einen bestimmten heiligen Ort gebunden sein werde.
21 Jesus sprach zu ihr: Glaube mir, Frau, die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. 22 Ihr betet an, was ihr nicht kennt, wir beten an, was wir kennen; denn das Heil kommt von den Juden. 23 Aber die Stunde kommt und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn so will der Vater angebetet werden. 24 Gott ist Geist und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten. (Johannes 4,21-24)
In diesem Gespräch mit einer samaritanischen Frau ging es um die Frage, ob Gott am Berg Garizim, dem Heiligtum der Samaritaner, oder in Jerusalem verehrt werden soll. Jesus anerkannte das Jerusalemer Heiligtum als das rechtmäßige, sprach aber davon, dass das in Zukunft nicht mehr wichtig sein werde. Was zählt, ist die Einstellung des Menschen. Gott will im Geist und in der Wahrheit angebetet werden.
Das neue Haus Gottes ist ein geistliches Haus, die Gemeinde der Jünger Jesu.
20 Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Eckstein ist Christus Jesus selbst. 21 In ihm wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn. 22 Durch ihn werdet auch ihr zu einer Wohnung Gottes im Geist miterbaut. (Epheser 2,20-22)
Christus aber ist treu als Sohn, der über das Haus Gottes gesetzt ist. Sein Haus sind wir, wenn wir an der Zuversicht und an der Hoffnung festhalten, derer wir uns rühmen. (Hebräer 3,6)
Das ist auch das Haus, zu dem die Völker ziehen, um von Gott belehrt zu werden. Das ist keine rituelle Wallfahrt, bei der die Tourismuswirtschaft gute Gewinne erzielt, sondern überall, wo Christen in Einheit ihrem Herrn nachfolgen und anderen Menschen das Wort Gottes weitergeben, empfangen diese die „Rechtleitung“. Gottes Haus ist nicht auf einen einzigen Ort konzentriert. Es ist überall dort, wo sich Menschen als lebendige Steine zu einem geistlichen Haus aufbauen lassen.
Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen! (1 Petrus 2,5)
Es ist nicht nur historisch nicht korrekt zu behaupten, dass die Kaaba in Mekka das erste Gotteshaus gewesen sei. Nach dem Kommen Jesu, seit dem es keine heiligen Orte mehr gibt, sondern Gott an zahlreichen Orten im Geist und in der Wahrheit angebetet werden soll, ist es auch eine Missachtung des göttlichen Willens, wieder einen besonderen heiligen Ort zu etablieren. Das gilt nicht nur für die Kaaba, sondern auch für zahlreiche „Gnadenorte“, die im Laufe der Kirchengeschichte auch im christlichen Rahmen entstanden sind.
Gott ist nicht in einem Haus aus Stein zu finden, sondern:
Denn so spricht der Hohe und Erhabene, er wohnt in Ewigkeit, sein Name ist Der Heilige: Als Heiliger wohne ich in der Höhe, aber ich bin auch bei dem Zerschlagenen und dem im Geist Niedrigen, um den Geist der Niedrigen wieder aufleben zu lassen und das Herz der Zerschlagenen neu zu beleben. (Jesaja 57,15)
1 So spricht der HERR: Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel für meine Füße. Was wäre das für ein Haus, das ihr mir bauen könntet? Was wäre das für ein Ort, der meine Ruhe ist? 2 Dies alles hat meine Hand gemacht und so ist dies alles geworden – Spruch des HERRN. Auf den blicke ich: auf den Armen und auf den, der zerschlagenen Geistes ist und der zittert vor meinem Wort. (Jesaja 66,1-2)