Mekka in Psalm 84?

Der 84. Psalm ist eine der Perlen des Psalmenbuchs. Ich zitiere ihn nach der Einheitsübersetzung.

2 Wie liebenswert ist deine Wohnung, du HERR der Heerscharen! 
3 Meine Seele verzehrt sich in Sehnsucht nach den Höfen des HERRN. Mein Herz und mein Fleisch, sie jubeln dem lebendigen Gott entgegen. 
4 Auch der Sperling fand ein Haus und die Schwalbe ein Nest, wohin sie ihre Jungen gelegt hat – deine Altäre, HERR der Heerscharen, mein Gott und mein König. 
5 Selig, die wohnen in deinem Haus, die dich allezeit loben.
6 Selig die Menschen, die Kraft finden in dir, die Pilgerwege im Herzen haben.
7 Ziehen sie durch das Tal der Dürre, machen sie es zum Quellgrund und Frühregen hüllt es in Segen. 
8 Sie schreiten dahin mit wachsender Kraft und erscheinen vor Gott auf dem Zion.
9 HERR, Gott der Heerscharen, höre mein Bittgebet, vernimm es, Gott Jakobs!
10 Gott, sieh her auf unseren Schild, schau auf das Angesicht deines Gesalbten! 
11 Ja, besser ist ein einziger Tag in deinen Höfen als tausend andere. Lieber an der Schwelle stehen im Haus meines Gottes als wohnen in den Zelten der Frevler. 
12 Denn Gott der HERR ist Sonne und Schild. Der HERR schenkt Gnade und Herrlichkeit. Nicht versagt er Gutes denen, die rechtschaffen wandeln.
13 HERR der Heerscharen, selig der Mensch, der auf dich sein Vertrauen setzt! 

Gedanken zum Psalm

Dieser Psalm drückt eine tiefe Sehnsucht nach Gott aus. Für einen Gläubigen aus dem Volk Israel war die Sehnsucht nach Gott mit der Sehnsucht nach dem Haus Gottes verbunden. Dieses Haus Gottes war der Tempel in Jerusalem.

Es war ihnen bewusst, dass Gott nicht in einem Haus wohnt. So heißt es in der Rede Salomos bei der Einweihung des Tempels:

Wohnt denn Gott wirklich auf der Erde? Siehe, selbst der Himmel und die Himmel der Himmel fassen dich nicht, wie viel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe.
(1 Könige 8,27)

Der Tempel war der Ort, an dem Gott seinen Namen wohnen ließ (vergleiche 1 Könige 8,29). Dort konnten die Gläubigen dem Allmächtigen, der über Raum und Zeit steht, in besonderer Weise nahe sein. Darum war es der Wunsch jedes frommen Israeliten, an diesem heiligen Ort zu sein.

Dreimal jährlich sollte jeder Israelit sich auf den Weg nach Jerusalem machen, um dort mit dem ganzen versammelten Volk die drei großen Feste zu feiern: das Passahfest, das Wochenfest und das Laubhüttenfest (vergleiche Deuteronomium 16,1-17). Diese Feste bestimmten den Lebensrhythmus des Volkes. Die Wallfahrten nach Jerusalem waren der Ausdruck der Sehnsucht nach Gott.

Deshalb wurde die Wallfahrt in verschiedenen Psalmen thematisiert. Einer dieser Psalmen ist Psalm 84.

Die Sehnsucht ist auf die „Höfe des HERRN“ ausgerichtet (Vers 2). Das eigentliche Tempelgebäude durfte nur von den Priestern betreten werden. Das feiernde Volk hielt sich in den Vorhöfen auf.

Die Priester und Leviten, die ständig im Haus des HERRN sein dürfen (Vers 5), werden glücklich gepriesen. Glücklich sind aber auch die, die ihre Kraft in Gott finden, die „ihre Pilgerwege im Herzen haben“ (Vers 6). Manche Übersetzungen lauten: „[…] in deren Herz gebahnte Wege sind“. Wer die Pilgerwege im Herzen hat, hat auch gebahnte Wege darin. Er macht Ordnung in seinem Leben, entfernt alles Sündhafte aus seinem Herz und aus seiner Lebenspraxis. Gott schenkt die Kraft dazu.

Das „Tal der Dürre“ (so die Einheitsübersetzung) wird zum Quellgrund (Vers 7). Gottes Segen macht das Ausgetrocknete und Dürre lebendig und fruchtbar. Andere übersetzen dieses Wort mit „Tränental“ (so die Elberfelder Übersetzung). Dann würde das heißen, dass Gott anstelle der Tränen Segen schenkt.

Je näher das Ziel Jerusalem rückt, umso stärker wird die Kraft trotz aller Müdigkeit. Die Gläubigen erscheinen vor ihrem Gott auf dem Zion, dem Tempelberg in Jerusalem (Vers 8).

Nun können sie alle ihre Bitten vor den Gott Jakobs bringen, dem sie von ganzen Herzen vertrauen (Vers 9). Diese Bitten schließen auch das Gebet für den Schild des Volkes, für den Gesalbten des HERRN, ein, für den König (Vers 10). Der wahre Schild Israels ist allerdings Gott. Er ist Sonne und Schild, schenkt Gnade und Gerechtigkeit (Vers 12).

Die Nähe zu Gott und zu seinem Haus ist unsagbar kostbar. Ein Tag dort ist besser als tausend andere. Der Gegensatz zu den „Zelten der Frevler“ ist unbeschreiblich groß. Darum hat jeder Fromme den Wunsch dort zu sein (Vers 11). Dieser Wunsch verändert das Leben. Es wird zu einem Leben in Rechtschaffenheit, einem Leben, das ganz vom Vertrauen auf Gott bestimmt ist.

Was bedeutet der Psalm für uns heute?

Den Tempel in Jerusalem gibt es schon lange nicht mehr. Der erste Tempel wurde 587 v. Chr. zerstört, der zweite Tempel 70 n. Chr.

Mit dem Kommen des Messias, des wahren Gesalbten und Schildes des Gottesvolkes, hat der Tempel an Bedeutung verloren. Die Opfer im Gotteshaus fanden ihre Vollendung in der vollkommenen Hingabe Jesu.

Johannes berichtet über ein Gespräch Jesu mit einer Samariterin:

19 Die Frau sagte zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist. 20 Unsere Väter haben auf diesem Berg Gott angebetet; ihr aber sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten muss. 21 Jesus sprach zu ihr: Glaube mir, Frau, die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. 22 Ihr betet an, was ihr nicht kennt, wir beten an, was wir kennen; denn das Heil kommt von den Juden. 23 Aber die Stunde kommt und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn so will der Vater angebetet werden. 24 Gott ist Geist und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten. (Johannes 4,19-24)

Zwischen den Juden und den Samaritern gab es Uneinigkeit in der Frage, wo der von Gott auserwählte Ort der Anbetung sei. Für die Juden war Jerusalem dieser Ort, für die Samariter der Berg Garizim, in dessen Nähe sich dieses Gespräch zugetragen hat.

Jesus bestätigt die jüdische Sicht, weist aber darauf hin, dass sehr bald diese Frage irrelevant sein wird. Die wahren Beter beten den Vater im Geist und in der Wahrheit an. Der Ort ist unwichtig. Durch Jesus haben wir eine völlig neue Beziehung zu Gott. Durch ihn dürfen wir uns ihm als seine Kinder nahen. Er ist der Vater, der überall nahe ist. Das irdische Jerusalem hat seine Bedeutung verloren. Die Sehnsucht des Christen gilt dem himmlischen Jerusalem, der ewigen Gemeinschaft mit dem liebenden Vater.

Darum ist die „Wallfahrt“ des Christen nicht das Wandern zu einem Ort auf dieser Erde. Unsere Wallfahrt ist unser Leben mit dem Himmel als Ziel. Die Täler der Dürre und der Tränen unseres Lebens macht Gott zu einem gesegneten Quellgrund. Gottes Kinder schreiten mit wachsender Kraft dahin, bis sie ihr ewiges Ziel erreichen. Es ist kein einsames Marschieren. Es ist ein gemeinsames Gehen zusammen mit Brüdern und Schwestern am selben Weg.

In gewisser Weise ist der Christ auch auf dieser Erde schon im Haus Gottes.

Sein Haus sind wir, wenn wir an der Zuversicht und an der Hoffnung festhalten, derer wir uns rühmen. (Hebräer 3,6)

Er hat sich abgewandt von den „Zelten der Frevler“ und erfährt die Gegenwart des Herrn in der Gemeinschaft seiner Brüder und Schwestern.

So gewinnen die Worte dieses Psalms eine neue Bedeutung unabhängig vom historischen Zusammenhang. Wir werden ermuntert, unser ganzes Vertrauen auf unseren Gott zu setzen. Er ist uns Sonne und Schild.

Was hat das mit Mekka zu tun?

In Vers 7 heißt es wörtlich: „Wenn sie durch das Tal des Baka gehen […]“. Dieses Wort baka wurde schon früh mit einem ähnlichen Wort, das „weinen“ bedeutet in Verbindung gebracht. Man findet das bereits in der vorchristlichen Septuaginta-Übersetzung ins Griechische. Für andere ist es der Name eines Strauches, nach dem ein Tal in der Nähe Jerusalems benannt ist.

Die Jerusalemer Bibel schreibt dazu:

Mit „Baka“ (das hebräische Wort bedeutet vielleicht „der Weinende“) dürfte hier ein Zürgelbaum, eine Ulmenart gemeint sein. Das „Tal des Zürgelbaums“, nördlich vom Himmomtal, war die letzte Wegstrecke der Wallfahrt; hier kreuzten sich die von Norden, Westen und Süden kommenden Straßen.

Manche Muslime sehen in Psalm 84,7 aber einen Hinweis auf Mekka.

In Sure 3,96 heißt es:

Das erste (Gottes)haus, das für die Menschen gegründet wurde, ist wahrlich dasjenige in Bakka, als ein gesegnetes (Haus) und eine Rechtleitung für die Weltenbewohner.

Bakka wird mit Mekka gleichgesetzt. Der nächste Schritt ist die Identifizierung des Baka-Tals aus Psalm 84,7 mit Mekka. Abgesehen davon, dass das hebräische baka nur ein einfaches kaf im Wortinneren hat, das arabische Wort aber einen Doppelbuchstaben, passt das überhaupt nicht zum geographischen Hintergrund. Im Psalm ist das Baka-Tal die letzte Station vor dem Zion, d. h. Jerusalem. Man wird nur schwer annehmen können, dass es sich hier um einen Ort handeln soll, der ca. 1500 km von Jerusalem entfernt ist. Noch dazu sollte diese Strecke dreimal jährlich bewältigt werden!

Ferner soll die in Vers 7 erwähnte Quelle auf den Brunnen Zamzam in Mekka hinweisen. Als ob es in Jerusalem und Umgebung keine Quellen gegeben habe!

Diese Argumentation zeigt, wie wenig moderne Islam-Apologeten auf den Zusammenhang einer Bibelstelle achten, und wie sehr sie ihr praktisches Denken zurückstellen müssen, um Argumente für ihre Religion zu finden.

Es soll auch noch darauf hingewiesen werden, dass nach dem Kommen des Messias heilige Orte ihre Bedeutung verloren haben. Wir sollen Gott im Geist und in der Wahrheit anbeten. An welchem Ort wir das tun, ist unbedeutend. Leider wurde auch von verschiedenen christlichen Konfessionen dieser Grundsatz ignoriert. Die Worte Jesu sind aber klar.

Darum soll dieser Psalms eine große Ermunterung sein, uns auf den Weg der Nachfolge Jesu zum himmlischen Jerusalem zu machen.

HERR der Heerscharen, selig der Mensch, der auf dich sein Vertrauen setzt!
(Psalm 84,13)

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