Kann ein Kuschit seine Hautfarbe oder ein Leopard die Flecken seines Fells verändern? Dann könntet auch ihr, die ihr ans Böse gewöhnt seid, Gutes tun. (Jeremia 13,23)
Ein Leopard wird mit seinen Flecken geboren und ein Kuschit1 mit dunkler Haut. Das gehört von Anfang an zu ihrem Wesen. Weil Jeremia hier die Sündhaftigkeit seiner Volksgenossen mit diesen Bildern vergleicht, wird diese Stelle von Anhängern der Prädestinationslehre verwendet, um die völlige Verderbtheit des Menschen zu begründen.
Doch ist das wirklich das, was Jeremia durch diese Worte sagen wollte?
Wenn man das Bild verabsolutiert, so stimmt es, dass die Hautfarbe eines Schwarzafrikaners bereits im Augenblick seiner Zeugung genetisch feststeht und unveränderlich ist. Ebenso verhält es sich mit den Flecken des Leoparden.
Doch im zweiten Teil des Verses sagt Jeremia:
Dann könntet auch ihr, die ihr ans Böse gewöhnt seid, Gutes tun.
Es ist die Gewöhnung ans Böse, die das Tun des Guten verunmöglicht. Jeremia spricht nicht davon, dass sie wegen Adams Fall bereits in diesem Zustand geboren wurden. Er kritisiert seine Mitmenschen dafür, dass sie sich durch ihr ständiges Sündigen bereits soweit verhärtet haben, dass sie nichts Gutes mehr tun können.
Ähnlich hatte es schon vor Jeremia der Prophet Hosea ausgedrückt:
Ihre Taten verhindern, dass sie umkehren zu ihrem Gott. (Hosea 5,4a)
Auch der Zusammenhang bei Jeremia weist auf die konkreten Sünden der Menschen hin. Unmittelbar vor Vers 23 heißt es:
Wenn du aber fragst in deinem Herzen: Warum hat mich das alles getroffen? Wegen deiner großen Schuld wird dein Gewand aufgehoben und dein Leib vergewaltigt. (Jeremia 13,22)
Auch die Folgeverse bestätigen das:
24 So aber zerstreue ich euch wie Spreu, die verfliegt im Wüstenwind. 25 Das ist dein Los, dein Lohn, von mir dir zugemessen – Spruch des HERRN -, weil du mich vergessen und dich auf Lügen verlassen hast. 26 Nun hebe auch ich deine Schleppe auf, bis über dein Gesicht, sodass deine Schande offenbar wird, 27 deine Ehebrüche, dein geiles Wiehern, deine schändliche Unzucht. Auf den Hügeln und auf dem Feld habe ich deine Gräuel gesehen. Weh dir, Jerusalem, weil du dich nicht reinigst – wie lange noch? (Jeremia 13,24-27)
Bei den Ehebrüchen und der Unzucht, die Jeremia den Menschen vorwirft, geht es um mit sexuellen Ritualen verbundenen Götzendienst. Das sind Sünden, die die Menschen in freier Entscheidung begangen haben. Sie wollten sich von diesen Sünden auch nicht reinigen.
Weiter vorne im Kapitel hat Jeremia sie dazu ermahnt, doch endlich Gott die Ehre zu erweisen. Die Verweigerung seines Volkes hat ihn auch innerlich tief berührt.
15 Hört und merkt auf! Seid nicht hochmütig; denn der HERR redet. 16 Erweist dem HERRN, eurem Gott, die Ehre, bevor er es dunkel werden lässt, bevor eure Füße sich stoßen auf Bergen der Dämmerung. Wartet ihr dann auf das Licht – er verwandelt es in Finsternis und macht es zur Dunkelheit. 17 Wenn ihr aber darauf nicht hört, so muss ich im Verborgenen weinen über den Hochmut und mein Auge muss ohne Unterlass Tränen vergießen, da die Herde des HERRN weggeführt wird. (Jeremia 13,15-17)
Der Zusammenhang spricht nicht für die calvinistische Deutung von Vers 23. Es geht nicht um das Wesen des gefallenen Menschen an sich. Es geht um die Folgen der bereits begangenen Sünden, die den Sünder immer mehr verhärten und dadurch auf Dauer die Umkehr verunmöglichen. Die Sünden prägen sich immer tiefer ein, sodass es so weit kommen kann, dass sie so sehr zum Menschen gehören wie seine Hautfarbe oder wie die Flecken zum Leoparden.
Diese Warnung betrifft nicht nur die Zeitgenossen Jeremias, sondern ist eine Mahnung an alle Menschen, nicht in der Sünde zu verharren, sondern umzukehren und von Gott die Reinigung zu erfahren, die nur er schenken kann.
18 Kommt doch, wir wollen miteinander rechten, spricht der HERR. Sind eure Sünden wie Scharlach, weiß wie Schnee werden sie. Sind sie rot wie Purpur, wie Wolle werden sie. 19 Wenn ihr willig seid und hört, werdet ihr das Beste des Landes essen. 20 Wenn ihr euch aber weigert und auflehnt, werdet ihr vom Schwert gefressen. Ja, der Mund des HERRN hat gesprochen. (Jesaja 1,18-20)