Psalm 51 und die Erbsünde

Siehe, in Schuld bin ich geboren und in Sünde hat mich meine Mutter empfangen. (Psalm 51,7)

Die zentrale Stelle für die Lehre der Erbsünde ist Römer 5,12. Mehr dazu gibt es in diesem Beitrag. Mitunter wird aber auch Psalm 51,7 als Belegstelle angeführt. Das scheint aber mehr im protestantischen als im katholischen Bereich vorzukommen. Zumindest wird diese Stelle in den zentralen katholischen Texten zur Erbsünde nicht zitiert. Martin Luther hat 1532 in seiner Vorlesung über Psalm 51 in Vers 7 die Erbsünde gefunden.

Psalm 51 ist vermutlich der bekannteste Bußpsalm. Vers 2 verbindet ihn mit der Situation, als David nach seinem Ehebruch mit Batseba vom Propheten Natan ermahnt wurde (2 Samuel 12,1-14). Dieser Psalm kann eine große Hilfe sein, die Tiefe seiner Sünden zu erkennen und sie mit der Bitte um Vergebung und Reinigung mit einem zerbrochenen Herzen von Gott zu bringen.

In Vers 6 wird ein sehr wesentlicher Aspekt der Sünde angesprochen. Sie richtet sich gegen Gott. „Gegen dich allein habe ich gesündigt.“ Das ist keine Leugnung der Schuld den Menschen gegenüber. David hat an Batseba und ihrem Mann Urija, den er am Schlachtfeld töten ließ, schwer gesündigt. Dieser Schaden kann bei echter Reue nicht geleugnet werden. Doch ist der Kern der Sünde immer die Rebellion gegen Gott und seine Gebote.

Im darauffolgenden Vers 7 wendet sich der Psalmist seinen Anfängen zu:

Siehe, in Schuld bin ich geboren und in Sünde hat mich meine Mutter empfangen.

Wenn man von der Lehre der Erbsünde überzeugt ist, findet man sie in diesem Vers. Doch sollte man bei poetischen Texten sehr vorsichtig sein, aus ihnen dogmatische Schlüsse zu ziehen. Man kann diesen Vers auch so verstehen, dass der Psalmist ausdrücken wollte, dass er in eine sündhafte Welt hineingeboren wurde. Der Einfluss einer sündhaften Umgebung enthebt uns aber nicht von der Verantwortung für unser Tun.
Versteht man den zweiten Teil des Verses wörtlich, könnte man zur Lehre kommen, dass die Zeugung eines Kindes sündhaft ist, was keinesfalls die Lehre der Bibel ist.

In den Psalmen finden wir auch Texte, die in eine andere Richtung weisen.

13 Du selbst hast mein Innerstes geschaffen, hast mich gewoben im Schoß meiner Mutter. 14 Ich danke dir, dass ich so staunenswert und wunderbar gestaltet bin. Ich weiß es genau: Wunderbar sind deine Werke. 15 Dir waren meine Glieder nicht verborgen, als ich gemacht wurde im Verborgenen, gewirkt in den Tiefen der Erde. 16 Als ich noch gestaltlos war, sahen mich bereits deine Augen. In deinem Buch sind sie alle verzeichnet: die Tage, die schon geformt waren, als noch keiner von ihnen da war. (Psalm 139,13-16)

Hier weist der Psalmist auf das große Wunder hin, das er (und jeder Mensch) in Gottes Augen ist. Gottes sorgende Liebe hat ihn schon im Schoß seiner Mutter umgeben.

5 Denn du bist meine Hoffnung, Herr und GOTT, meine Zuversicht von Jugend auf. 6 Vom Mutterleib an habe ich mich auf dich gestützt, aus dem Schoß meiner Mutter hast du mich entbunden, dir gilt mein Lobpreis allezeit. (Psalm 71,5-6)

10 Du bist es, der mich aus dem Schoß meiner Mutter zog, der mich anvertraut der Brust meiner Mutter. 11 Von Geburt an bin ich geworfen auf dich, vom Mutterleib an bist du mein Gott. (Psalm 22,10-11)

Diese Psalmworte drücken eine Verbundenheit mit Gott aus, die schon im Mutterleib begonnen hat. Falls man denkt, dass es in Psalm 22 nur um den Messias geht, nicht aber um einen alttestamentlichen Gerechten, dessen Leiden auf das Leiden des Messias hinweist, so bleibt doch Psalm 71.

Auch in diesem Psalm finden wir eine dichterische Sprache. Dem Psalmisten ging es nicht darum, seine Erfahrungen im Mutterleib darzustellen, sondern er wollte sagen, dass er sich, so weit er zurückdenken kann, auf Gott verlassen hat, der ihn aus dem Schoß seiner Mutter entbunden hat. Wohl aber setzt diese Stelle voraus, dass der Mensch bereits im Mutterleib ein Mensch ist (und, dass daher bei einer Abtreibung, die hier keinesfalls das Thema ist, ein Mensch getötet wird).

Dieser Vergleich von Psalm 51,7 mit anderen Psalmstellen soll uns zumindest Vorsicht lehren, aus dichterischen Texten nicht zu viel entnehmen zu wollen.

Zur Sünde gehört immer die eigene Entscheidung. Wir werden durch unsere eigene Sünde zum Sünder. Das heißt nicht, dass die Sünde der ersten Menschen keine Auswirkungen auf ihre Nachkommen hatte. Diese negative Ausgangsposition eines Menschen erleichtert das Sündigen, aber sie ist keine Sünde in sich.

Aus den angeführten Stellen aus den Psalmen 139, 71 und 22 können wir aber auch sehen, dass der Mensch von Anfang an von Gott geliebt ist und dass der Mensch sich schon sehr früh Gott zuwenden kann. Hier kommt auch die Erziehung durch gläubige Eltern zum Tragen.

Siehe, an Treue im Innersten hast du Gefallen, im Verborgenen lehrst du mich Weisheit. (Psalm 51,8)

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