Die ganze Wahrheit

Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in der ganzen Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird reden, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird. (Johannes 16,13)

Mit diesen Worten hat Jesus am Abend vor seinem Tod seine Jünger auf die Zeit nach seinem Weggehen vorbereitet. Ihm war bewusst, dass sie zum damaligen Zeitpunkt vieles noch nicht tragen konnten.

Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. (Johannes 16,12)

Erst nach dem Sterben und der Auferstehung Jesu hatten sie die Voraussetzung, manches von den Worten Jesu richtig zu verstehen. Darum gab Jesus seinen Jüngern die Verheißung des Heiligen Geistes. Durch ihn sollten sie die ganze Wahrheit erkennen.

Leider gibt es zu Vers 13 zwei verschiedene Lesarten. Die eingangs zitierte Einheitsübersetzung folgt dem Kodex Sinaitikus. In den Kodizes Alexandrinus und Vatikanus lautet der Text wie in der Elberfelder Übersetzung:

Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten […]

Im alten Papyrus 66 sind aufgrund des vom Zahn der Zeit zerstörten Materials von diesem Vers nur wenige Buchstaben erhalten, sodass es nicht möglich ist, festzustellen, welche Variante dieser Papyrus enthielt.

Im Grunde ist der Unterschied zwischen den beiden Varianten nicht so groß. Ob der Heilige Geist sie in die ganze Wahrheit oder in der ganzen Wahrheit führt, setzt in jedem Fall voraus, dass die Jünger Jesu, auf die etwa 50 Tage später der Heilige Geist herabgekommen ist, durch ihn die ganze Wahrheit kannten.

Mit der „ganzen Wahrheit“ ist natürlich nicht Allwissenheit gemeint. Es geht um die volle Kenntnis der Wahrheit, die Gott zu unserem Heil offenbart hat. Die Offenbarung wurde damals abgeschlossen. Es kann und wird bis zum zweiten Kommen des Herrn Jesus keine neue Offenbarung geben.

Darum konnte Paulus den Ältesten der Gemeinde von Ephesus bei seinem letzten Treffen mit ihnen sagen:

Denn ich habe mich der Pflicht nicht entzogen, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkünden. (Apostelgeschichte 20,27)

Und Judas, der Verwandte des Herrn, schrieb in seinem Brief:

Geliebte, da es mich sehr drängte, euch über unsere gemeinsame Rettung zu schreiben, hielt ich es für notwendig, euch mit diesem Brief zu ermahnen: Kämpft für den Glauben, der den Heiligen ein für alle Mal übergeben ist! (Judas 3)

Dadurch ist klar, dass Lehren, die sich nicht auf die Zeit der Apostel zurückführen lassen, nicht zu der von Gott durch Jesus und den Heiligen Geist offenbarten Wahrheit gehören. Spätere Traditionen, die der frühen Kirche unbekannt waren oder sogar der Lehre Jesu und der Apostel widersprechen, sind daher zu verwerfen. Dazu gehören zum Beispiel der „Heilige Vater“ in Rom oder das Gebet zu verstorbenen Menschen („Heiligen“), insbesondere zur Mutter Jesu. Dass gerade Lehren, die ganz offensichtlich den ersten Christen fremd waren, zum prägenden Charakter einer Religionsgemeinschaft gehören, sollte zum Denken geben.

Ebenso sollten Muslime, in deren Augen Jesus ein Prophet ist, darüber nachdenken, dass nach den Worten Jesu die ganze Wahrheit schon seinen Jüngern bekannt war und nicht erst 600 Jahre später durch einen Menschen, der Jesus vielfach widersprochen hat, kundgetan wurde. Dass Jesus das Kommen des Heiligen Geistes und nicht Mohammeds angekündigt hat, wird in einem eigenen Beitrag näher begründet.

Nur wer bereit ist, seine Überzeugung, die ihm vielleicht auch lieb geworden ist, zu hinterfragen und vor dem Wort Gottes zu prüfen, kann vom Heiligen Geist in der Wahrheit geführt werden, in der er schon die unmittelbaren Jünger Jesu geführt hat. Einzig dieser Weg führt ans Ziel.

Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich. (Johannes 14,6)

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