Der Wunsch nach einem König

In der Frühzeit des Volkes Israel gab es keinen König. Gott hat seinem Volk vor allem in Zeiten der Not immer wieder Rettergestalten („Richter“) gesandt, die Israel aus der Unterdrückung durch äußere Feinde befreien sollten. Aber es gab kein Königtum als feste Institution.

Der Richter Gideon wies den Wunsch des Volkes, das ihm eine dynastische Herrschaft antrug, klar und entschlossen zurück:

22 Die Israeliten sagten zu Gideon: Herrsche über uns, du und auch dein Sohn und dein Enkel; denn du hast uns aus der Hand Midians gerettet. 23 Aber Gideon antwortete ihnen: Ich will nicht über euch herrschen und auch mein Sohn soll nicht über euch herrschen; der HERR wird über euch herrschen. (Richter 8,22-23)

Nur Gott sollte der Herrscher seines Volkes sein. Dazu braucht es Vertrauen in die Führung Gottes, aber keinen König.

Gideons Sohn Abimelech war der Erste, der König über Israel sein wollte. Seine allein von persönlichem Machtstreben geleitete Königsherrschaft endete in einer Katastrophe. Mehr dazu gibt es hier zu lesen.

Der letzte Richter war Samuel. Im Alter setzte er seine beiden Söhne als Richter ein. Sie waren wohl nicht Richter über ganz Israel, wie man aus 1 Samuel 8,1 annehmen könnte. Da sie ihre Aufgabe in Beerscheba ganz im Süden des Landes ausübten, war diese wohl lokal begrenzt. Ich sehe das eher als einen Testlauf, bei dem Samuel sehen wollte, wie sich seine Söhne bewährten. Leider taten sie das nicht.

Seine Söhne gingen nicht auf seinen Wegen, sondern waren auf ihren Vorteil aus, ließen sich bestechen und beugten das Recht. (1 Samuel 8,3)

Deswegen beklagten sich die Ältesten Israels bei ihm und forderten von ihm die Einsetzung eines Königs. Die ganze Begebenheit, die ich nicht in allen Details nacherzählen möchte, kann in 1 Samuel 8 gelesen werden.

Diese Forderung oder Bitte ist deswegen erstaunlich, weil gerade das Beispiel der Söhne Samuels zeigen konnte, dass ein dynastisches Königtum, in dem der Sohn dem Vater nachfolgt, nicht der richtige Weg sein kann. Samuel war ein gerechter Mann Gottes. Seine Söhne waren anders. Sie jagten nicht der Gerechtigkeit, sondern ihrem eigenen Vorteil nach. Diese Gefahr war bei einer Königsdynastie genauso gegeben. Die spätere Praxis hat das immer wieder bestätigt. Auf David folgte Salomo, der seinen Frauen zuliebe Götzendiener wurde, nach dem gerechten Hiskija kam sein gottloser Sohn Manasse. Ähnlich war es bei den Söhnen Joschijas. Eigentlich hätte das Beispiel der Söhne Samuels die Ältesten von der Forderung nach  einem König abschrecken sollen. Das war aber nicht der Fall.

Hinter der Forderung nach einem König mag auch der Wunsch nach mehr Effizienz im Kampf gegen die Philister gestanden haben. Ein König, der ein stehendes Heer zur Verfügung hat, ist im Kampf flexibler als ein von Gott berufener Richter, der mühsam das ganze Volk mobilisieren muss.

Doch die erste Frage muss immer die nach dem Willen Gottes sein, der für sein Volk immer das Beste will. So hat auch Samuel dieses Anliegen vor Gott gebracht. Die Antwort Gottes scheint widersprüchlich zu sein:

Hör auf die Stimme des Volkes in allem, was sie zu dir sagen! Denn nicht dich haben sie verworfen, sondern mich haben sie verworfen: Ich soll nicht mehr ihr König sein. (1 Samuel 8,7)

Der Wunsch nach einem König ist ein Akt der Rebellion gegen Gott, den wahren König Israels. Trotzdem soll Samuel auf die Stimme des Volkes hören und ihnen einen König einsetzen.

Liebe und Gehorsam kann nicht erzwungen werden. Gott akzeptiert die freie Entscheidung. Das ist ein wesentlicher Aspekt seiner Liebe.

Samuel sollte das Volk warnen und ihnen alle Einschränkungen der Freiheit und alle negativen Auswirkungen des Königtums aufzeigen. Er hat das getan. Das Volk hat dennoch an seinem Wunsch nach einem König festgehalten.

19 Doch das Volk wollte nicht auf Samuel hören, sondern sagte: Nein, ein König soll über uns herrschen. 20 Auch wir wollen wie alle anderen Völker sein. (1 Samuel 8,19-20a)

Der Wunsch, so wie alle anderen Völker zu sein, war im Grunde eine Ablehnung der besonderen Berufung Israels als Volk Gottes.

5 Jetzt aber, wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein. Mir gehört die ganze Erde, 6 ihr aber sollt mir als ein Königreich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören. Das sind die Worte, die du den Israeliten mitteilen sollst. (Exodus 19,5-6)

Israel sollte Gottes besonderes Eigentum sein, ein Königreich von Priestern, ein heiliges Volk, in dem alle an der königlichen und priesterlichen Würde teilhaben. Auf diese Weise sollten sie ein Vorbild für alle anderen Völker werden. Am Beispiel Israels sollte sichtbar werden, wie es ist, wenn Menschen nach Gottes Willen in Gerechtigkeit leben.

Wenn nun Israel so wie alle anderen Völker sein wollte, war das eine Absage an seine Berufung. Gott hat diese Entscheidung akzeptiert. Er hat aber mit David eine Dynastie begründet, aus der der Messias kommen sollte. Gott selbst wurde in einem Sohn Davids Mensch. Der Herr der Herren und der König der Könige ist in einem Nachkommen des Königs Davids in Knechtsgestalt zu uns gekommen. In Jesus ist die Königsherrschaft Gottes mit der Königsherrschaft des Messias aus dem Hause Davids in einer Person vereint. So führte Gott den sündhaften Wunsch Israels nach einem König auf lange Sicht zu einem guten Ende.

Die Worte von Exodus 19 finden in der Gemeinde der Nachfolger Jesu ihre Erfüllung:

4 Kommt zu ihm, dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber von Gott auserwählt und geehrt worden ist! 5 Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen! […] 9 Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat. (1 Petrus 2,4-5.9)

In der Gemeinde Jesu Christi gibt es daher auch nur einen einzigen König. Es gibt keine ausgefeilte Hierarchie von Machtpositionen.

8 Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder. 9 Auch sollt ihr niemanden auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel. (Matthäus 23,8-9)

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