55 Und als ihr sagtet: „O Musa, wir werden dir nicht eher glauben, bis wir Allah unverhüllt sehen!“ Da überkam euch der Donnerschlag, während ihr zuschautet. 56 Hierauf erweckten Wir euch nach eurem Tod, auf daß ihr dankbar wäret. (Sure 2,55-56)
Diese Begebenheit spielt dem Koran zufolge während der Wanderung der Israeliten durch die Wüste. Im Vers davor geht es um das Goldene Kalb:
Und als Musa zu seinem Volk sagte: „O mein Volk, ihr habt euch selbst Unrecht zugefügt, indem ihr das Kalb (zum Gegenstand der Anbetung) genommen habt. Bereut nun vor eurem Erschaffer und tötet dann (die Schuldigen unter) euch selbst! Dies ist besser für euch vor eurem Erschaffer!“ Und da nahm Er eure Reue an; Er ist ja der Reue-Annehmende und Barmherzige. (Sure 2,54)
Der darauffolgende Vers spricht über das Manna und die Wachteln:
Und Wir ließen die Wolken euch überschatten und sandten das Manna und die Wachteln auf euch hinab: „Eßt von den guten Dingen, mit denen Wir euch versorgt haben.“ Und sie fügten nicht Uns Unrecht zu, sondern sich selbst. (Sure 2,57)
Die Erzählung vom Goldenen Kalb ist in der Thora (Exodus 32) ebenso zu finden ist wie die Begebenheit mit dem Manna und den Wachteln (Exodus 16). Nur die Reihenfolge des Korans folgt nicht dem der biblischen Texte.
Die in Sure 2,55-56 erzählte Situation jedoch ist in der Bibel nicht zu finden. Hat Allah hier etwas offenbart, was er vor den biblischen Schreibern verborgen hatte? Der Tod und die Auferweckung des Volks in der Wüste wäre doch ein sehr großes Ereignis gewesen, das auf jeden Fall berichtenswert gewesen wäre.
Der Tafsīr Al-Qur’ān Al-Karīm merkt dazu an:
2:55 – Moses (a.s.) brachte siebzig Männer von seinem Volk mit sich. Als er ihnen die Tafeln mit Allāhs Geboten zeigte, weigerten sie sich, diese als offenbarte Schrift anzuerkennen, ohne vorher Allāh (t) unverhüllt gesehen zu haben. In 7:155 heißt es: ”Und Moses erwählte aus seinem Volk siebzig Männer für Unsere Verabredung. Doch als das Beben sie ereilte, sagte er: ”Mein Herr, hättest Du es gewollt, hättest Du sie zuvor vernichten können und mich ebenfalls. Willst Du uns denn vernichten um dessentwillen, was die Toren unter uns getan haben?
2:56 – Die Wiedererweckung nach dem Tod ist Allāh (t) ein Leichtes. Dies ist wieder mit der Bedingung verknüpft, Allāh gegenüber dankbar zu sein. Dieses Ereignis mit den Kindern Israels ist ein Beweis dafür, dass Allāh (t) die Macht dazu hat, uns Menschen wieder nach dem Tod für die Rechenschaft ins Leben zu rufen.
Sure 7,155 lautet in der Übersetzung von Bubenheim und Elyas:
Und Musa wählte aus seinem Volk siebzig Männer zu Unserer festgesetzten Zeit. Als sie nun das Zittern ergriff, sagte er: „Mein Herr, wenn Du gewollt hättest, hättest Du sie schon zuvor vernichtet, und auch mich. Willst Du uns vernichten für das, was die Toren von uns getan haben? Es ist doch nur Deine Versuchung, mit der Du in die Irre gehen läßt, wen Du willst, und rechtleitest, wen Du willst. Du bist unser Schutzherr, so vergib uns und erbarme Dich unser! Du bist der Beste derer, die vergeben.
Der biblische Hintergrund dieser Begebenheit ist wohl in Exodus 24,1-2.9-11 zu finden:
1 Zu Mose sprach er: Steig zum HERRN hinauf zusammen mit Aaron, Nadab, Abihu und mit siebzig von den Ältesten Israels; werft euch in einiger Entfernung nieder! 2 Mose allein soll sich dem HERRN nähern, die anderen dürfen nicht näherkommen und das Volk darf den Berg nicht mit ihm zusammen besteigen. […] 9 Danach stiegen Mose, Aaron, Nadab, Abihu und die siebzig von den Ältesten Israels hinauf 10 und sie schauten den Gott Israels. Die Fläche unter seinen Füßen war wie mit blauem Edelstein ausgelegt und glänzte hell wie der Himmel selbst. 11 Gott streckte seine Hand nicht gegen die Vornehmen der Israeliten aus; sie durften Gott schauen und sie aßen und tranken.
Auch hier folgt der Koran, der die Begebenheit mit dem Goldenen Kalb vor 7,155 erzählt, nicht der biblischen Reihenfolge. Die Gottesbegegnung der siebzig Ältesten ist im Buch Exodus noch vor der Situation mit dem Goldenen Kalb. Ich möchte mich hier nicht detailliert damit beschäftigen, was es heißt, dass die Ältesten den Gott Israels geschaut haben. Es geht sicher nicht um ein Sehen mit den physischen Augen. Doch geht es um eine Begegnung mit Gott.
Es heißt in Exodus 7,11 ausdrücklich, dass Gott seine Hand nicht gegen die Vornehmen der Israeliten ausgestreckt hat. Auch in Sure 7,155 lesen wir nur, dass Allah sie vernichten können hätte, es aber nicht getan hat. Also ist diese Stelle keine Parallele zu Sure 2,55-56, wo die Israeliten dem Wortlaut zufolge gestorben sind und auferweckt wurden.
Müssen wir also davon ausgehen, dass Gott etwas, was das Volk Israel aus seiner eigenen Geschichte nicht mehr wusste, weil Gott es ihnen nicht offenbart hatte, viele Jahrhunderte später dem letzten Propheten im Koran herabgesandt hat?
Wir finden diese Begebenheit jedoch in nachbiblischer jüdischer Überlieferung.
Im Midrasch Exodus rabba 29,31 steht:
R. Lēwī sagte: Zwei Dinge forderten die Israeliten von Gott: Sie sollten seine Herrlichkeit schauen und seine Stimme hören. Und sie sahen seine Herrlichkeit und hörten seine Stimme …, aber sie hatten keine Kraft, es auszuhalten; denn als sie an den Sinai kamen und er sich offenbarte, da wich ihre Seele von ihnen, weil er mit ihnen sprach … Aber die Tōrā bat um Barmherzigkeit bei Gott für sie: Gibt es wohl einen König, der seine Tochter verheiratet und seine Hausleute dabei erschlägt? Sofort kehrte ihre Seele zurück.
Anschließend wird in Exodus rabba 29,8 erklärt, dass sie wirklich gestorben sind.
In Numeri rabba 10,3 heißt es:
Als die Israeliten das „Ich (bin der Ewige“, Exod. 20,2) am Sinai hörten, da wich ihre Seele von ihnen. Da kehrte das göttliche Wort (= Logos) zu Gott zurück und sprach zu ihm: Herr der Welten, du bist Leben, und deine Tōrā ist Leben, und mich hast du zu Toten geschickt, denn alle sind gestorben? Da ließ Gott ab und machte ihnen das göttliche Wort angenehm.
Sure 2,55-56 entspricht nicht im Detail diesen jüdischen Texten. Vor allem fehlt die Fürsprache der Thora bzw. des göttlichen Wortes. Der Autor des Korans konnte diese Texte in dieser Form auch nicht kennen, da sie erst später niedergeschrieben wurden. Doch gab es vor der schriftlichen Fassung dieser Texte eine mündliche Tradition, aus der auch der Autor des Koran schöpfen konnte. Da Mohammed nach islamischer Überzeugung Analphabet war, konnte er bei Erzählungen, die ihm zu Ohren kamen, nicht unterscheiden, ob diese aus der Thora stammten oder ausschmückendes Beiwerk aus späterer Zeit waren.
Wäre Allah der Autor des Korans, wäre es höchst eigenartig, dass in Thora nichts von dieser Begebenheit zu lesen ist, wohl aber in späteren fantasievollen Legenden. Wären die Israeliten tatsächlich in der Wüste gestorben und anschließend wieder zum Leben erweckt worden, wäre das nicht nur für die Generation, die das erlebt hatte, sehr beeindruckend gewesen. Es wäre auch eine wichtige Erfahrung für alle späteren Generationen gewesen, sodass Gott dafür gesorgt hätte, dass dieses große Wunder in der Thora niedergeschrieben würde. Da das nicht der Fall war, bleibt nur die Lösung, dass in Sure 2,55-56 von einem menschlichen Verfasser eine jüdische Legende aufgegriffen wurde. So zeigt auch diese Stelle, dass der Koran nicht das ewige Wort Gottes sein kann.
Was während der Wüstenwanderung der Israeliten nicht geschehen ist, geschieht in geistlicher Weise, wenn ein Mensch Christ wird. Paulus schreibt darüber im Epheserbrief:
1 Ihr wart tot infolge eurer Verfehlungen und Sünden. 2 Ihr wart einst darin gefangen, wie es der Art dieser Welt entspricht, unter der Herrschaft jenes Geistes, der im Bereich der Lüfte regiert und jetzt noch in den Ungehorsamen wirksam ist. 3 Unter ihnen haben auch wir alle einmal unser Leben geführt, als wir noch von den Begierden unseres Fleisches beherrscht wurden. Wir folgten dem, was das Fleisch und der böse Sinn uns eingaben, und waren von Natur aus Kinder des Zorns wie auch die anderen. 4-5 Gott aber, der reich ist an Erbarmen, hat uns, die wir infolge unserer Sünden tot waren, in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, zusammen mit Christus lebendig gemacht. Aus Gnade seid ihr gerettet. 6 Er hat uns mit Christus Jesus auferweckt und uns zusammen mit ihm einen Platz in den himmlischen Bereichen gegeben, 7 um in den kommenden Zeiten den überfließenden Reichtum seiner Gnade zu zeigen, in Güte an uns durch Christus Jesus. 8 Denn aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet, nicht aus eigener Kraft – Gott hat es geschenkt -, 9 nicht aus Werken, damit keiner sich rühmen kann. 10 Denn seine Geschöpfe sind wir, in Christus Jesus zu guten Werken erschaffen, die Gott für uns im Voraus bestimmt hat, damit wir mit ihnen unser Leben gestalten. (Epheser 2,1-10)
Die Sünden trennen den Menschen von Gott. Das ist der geistliche Tod. Wenn jemand durch Jesus Christus Gott naht, schenkt Gott ein neues Leben erfüllt mit den guten Werken, die Gott für uns bestimmt hat.
Dieses neue Leben konnte selbst Mose nicht schenken, noch weniger konnte und kann Mohammed dieses Wunder bewirken. Gott schenkt es durch seinen Sohn Jesus Christus, der gesagt hat:
25 Amen, amen, ich sage euch: Die Stunde kommt und sie ist schon da, in der die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden; und alle, die sie hören, werden leben. 26 Denn wie der Vater das Leben in sich hat, so hat er auch dem Sohn gegeben, das Leben in sich zu haben. (Johannes 5,25-26)
- Die Stellen aus dem Midrasch sind zitiert nach Heinrich Speyer, Die biblischen Erzählungen im Qoran, 3. Nachdruckauflage, Hildesheim 1988, S.298. ↩