11 Und deshalb sendet ihnen Gott eine wirksame Kraft des Irrtums, dass sie der Lüge glauben, 12 damit alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern Wohlgefallen gefunden haben an der Ungerechtigkeit. (2 Thessalonicher 2,11-12 – Elberfelder)
Diese Worte von Paulus kann man leicht so verstehen, dass Gott aktiv eine „Kraft des Irrtums“ schickt, ja dass es sogar in Gottes Interesse ist, dass die Menschen der Lüge glauben. Hat Paulus das wirklich so gemeint?
Zur Klärung dieser Frage möchte ich zuerst auf einige grundsätzliche Aussagen über das Wesen Gottes hinweisen und danach dieses Wort in seinem Zusammenhang betrachten.
Gott ist gut und will die Wahrheit.
Denn der HERR ist gut, ewig währt seine Huld und von Geschlecht zu Geschlecht seine Treue. (Psalm 100,5)
Gut bist du und tust Gutes. Lehre mich deine Gesetze! (Psalm 119,68)
Das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkünden: Gott ist Licht und keine Finsternis ist in ihm. (1 Johannes 1,5)
Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben herab, vom Vater der Gestirne, bei dem es keine Veränderung oder Verfinsterung gibt. (Jakobus 1,17)
Gott ist kein Mensch, der lügt, kein Menschenkind, das etwas bereut. Spricht er etwas und tut es dann nicht, sagt er etwas und hält es dann nicht? (Numeri 23,19)
Er, der ewige Ruhm Israels, kann weder lügen noch bereuen. Er ist doch kein Mensch, sodass er etwas bereuen müsste. (1 Samuel 15,29)
Lügnerische Lippen sind dem HERRN ein Gräuel, doch wer zuverlässig ist in seinem Tun, der gefällt ihm. (Sprichwörter 12,22)
[…] in der Hoffnung auf das ewige Leben, das Gott, der nicht lügt, schon vor ewigen Zeiten verheißen hat. (Titus 1,2)
Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich. (Johannes 14,6)
Diese und andere Stellen zeigen die Güte und Wahrhaftigkeit Gottes. Lüge ist seinem Wesen so fern wie die Finsternis dem Licht. Er ist die Wahrheit und hasst die Lüge. Wie sollte er dann Irrtum und Lüge senden wollen?
Der Zusammenhang
In 2 Thessalonicher 2 weist Paulus seine Leser darauf hin, dass das zweite Kommen des Herrn Jesus nicht unmittelbar bevorsteht. Der Tag des Herrn wird nicht kommen, bevor der Abfall von Gott kommt und der „Mensch der Gesetzwidrigkeit“ offenbar wird. Was damit konkret gemeint ist, soll nicht Thema dieses Beitrags sein. Es geht auf jeden Fall um eine große Verführung:
9 Der Gesetzwidrige aber wird bei seiner Ankunft die Kraft des Satans haben. Er wird mit großer Macht auftreten und trügerische Zeichen und Wunder tun. 10 Er wird jene, die verloren gehen, mit allen Mitteln der Ungerechtigkeit täuschen; denn sie haben sich der Liebe zur Wahrheit verschlossen, durch die sie gerettet werden sollten. (2 Thessalonicher 2,9-10)
Die trügerischen Zeichen und Wunder des Verführers werden vielen Menschen zum Verhängnis werden. Doch kann er nur die verführen, die sich verführen lassen. Das aber liegt in der Verantwortung des Menschen. Im zweiten Teil von Vers 10 erwähnt Paulus den Grund, der es ermöglicht, verführt und getäuscht zu werden: Es ist die mangelnde Wahrheitsliebe. Wer sich der Liebe zur Wahrheit verschließt, öffnet sich für Lüge und Verführung. Wer den Ruf Gottes hört und sich dagegen verschließt, lehnt dadurch auch den Maßstab ab, mit dem er Wahrheit und Lüge unterscheiden kann. Das Ergebnis ist heute auch daran ersichtlich, dass es für viele Menschen nicht klar ist, dass es nur eine Wahrheit geben kann.
Um vor Verführung und Lüge geschützt zu sein, ist es nötig, die Wahrheit zu suchen, ihr mit seinem ganzen Wesen nachzujagen. Die Wahrheit ist ein kostbares Gut. Sie muss uns wichtiger sein als unsere Bequemlichkeit, unsere Karriere, unsere Ehre … Wer die Wahrheit liebt, kann mit Gottes Hilfe die Verführung durchschauen. Er bleibt vor der Lüge bewahrt.
Gott hat uns so geschaffen, dass wir, wenn wir uns dem Guten verschließen, uns für das Böse öffnen. Es gibt keine neutrale Position. Insofern konnte Paulus es so ausdrücken, dass Gott „eine wirksame Kraft des Irrtums sendet“. Es ist kein aktives Senden, sondern Gott lässt das zu. Es liegt in der guten Schöpfungsordnung Gottes, dass das Gute und Wahre immer aktiv gesucht werden muss, dass derjenige, der sich dem Guten und Wahren verschließt, sich dem Bösen öffnet. In Römer 1,24.26.28 schreibt Paulus, dass Gott die ungläubigen Menschen den Begierden, entehrenden Leidenschaften und einem haltlosen Denken „ausgeliefert“ oder „dahingegeben“ hat. Gott will diese Dinge nicht. Aber der Mensch, der seinen Schöpfer ablehnt, lehnt dadurch auch den Schutz Gottes davor ab. So sind die Lüge und die Begierden die Folge der Ablehnung Gottes.
Insofern gibt die Einheitsübersetzung 2 Thessalonicher 2,11 zwar nicht wörtlich, wohl aber inhaltlich korrekt wieder:
Darum lässt Gott sie der Macht des Irrtums verfallen, sodass sie der Lüge glauben.
Auch Vers 12 stellt die Ursache klar:
Denn alle müssen gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern an der Ungerechtigkeit Gefallen hatten.
Im Grunde geht es darum, dass wir das Hauptgebot erfüllen sollen:
4 Höre, Israel! Der HERR, unser Gott, der HERR ist einzig. 5 Darum sollst du den HERRN, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. (Deuteronomium 6,4-5)
Wer Gott liebt, liebt auch die Wahrheit.