Es geht mir nicht um die Gabe, es geht mir um den Gewinn, der euch mit Zinsen gutgeschrieben wird. (Philipper 4,17)
Im Zusammenhang dieses Satzes geht es um die materielle Unterstützung, die Paulus von der Gemeinde von Philippi, die ihm in besonderer Weise verbunden war, erhalten hatte.
15 Ihr wisst selbst, ihr Philipper, dass ich beim Beginn der Verkündigung des Evangeliums, als ich aus Mazedonien aufbrach, mit keiner Gemeinde durch Geben und Nehmen verbunden war außer mit euch 16 und dass ihr mir auch in Thessalonich und auch sonst das eine und andere Mal etwas geschickt habt, um mir zu helfen. 17 Es geht mir nicht um die Gabe, es geht mir um den Gewinn, der euch mit Zinsen gutgeschrieben wird. 18 Ich habe alles empfangen und habe Überfluss; ich lebe in Fülle. Mir fehlt nichts mehr, seit ich von Epaphroditus eure Gaben erhielt, einen Wohlgeruch, eine angenehme Opfergabe, die Gott gefällt. (Philipper 4,15-18)
Wollte Paulus damit ausdrücken, dass Christen so etwas wie ein Konto bei Gott haben, auf denen ihnen das Gute, das sie getan haben, gutgeschrieben wird? Sogar mit Zinsen?
Die Einheitsübersetzung hat hier den griechischen Text etwas frei wiedergegeben. Ähnlich, aber noch etwas freier übersetzt, lautet Vers 17 bei Berger / Nord:
Ich möchte nun nicht noch mehr erbitten, sondern wünsche euch, daß sich auf eurem Konto die Zinsen für euer Tun mehren, die euch Gott gutschreibt.
Andere relativ freie Übersetzungen versuchen es mit einer weniger kaufmännischen Sprache:
Ich schreibe das nicht, weil ich mir weitere finanzielle Unterstützung erhoffe. Es geht mir um die Frucht, die daraus erwächst: Gott wird euch für eure Liebe und Fürsorge belohnen. (Hoffnung für alle)
Nicht, dass ich es auf euer Geld abgesehen hätte; mir ist es viel wichtiger, dass euer Geben euch selbst beschenkt. (Neue evangelistische Übersetzung)
Hier ist, anders als bei fast allen Übersetzungen, nichts von Guthaben, Rechnung, Konto oder Zinsen die Rede.
Hier noch die Wiedergabe von zwei eher textnahen Übersetzungen:
Nicht, dass ich die Gabe suche, sondern ich suche die Frucht, die sich zugunsten eurer Rechnung mehrt. (Elberfelder)
Nicht, daß ich erstrebe die Gabe, sondern ich erstrebe die Frucht, die sich mehrende auf eurem Konto. (Münchener NT)
Im Griechischen steht für das mit „Rechnung“ oder „Konto“ wiedergegebene Wort: λόγος / lógos.
Lógos heißt in seiner Hauptbedeutung „Wort“. Es kann aber auch ein kaufmännischer Fachbegriff mit der Bedeutung „Abrechnung, Rechnung“ sein, so in Matthäus 18,23; 25,19. Dort geht es um die Abrechnung eines Herrn mit seinen Dienern.
Auch in Philipper 4,15 hat Paulus das Wort lógos ähnlich verwendet:
[…] keine Gemeinde mit mir Gemeinschaft hatte auf Rechnung von Geben und Nehmen, außer ihr allein. (Münchener NT)
Daher legt sich nahe, dass Paulus auch in Vers 17 das Wort lógos in dieser kaufmännischen Bedeutung verwendet hat. Das bedeutet aber nicht, dass Paulus tatsächlich gedacht hätte, dass man bei Gott ein Guthaben haben könnte.
Vor Gott sind alle Menschen Schuldner. Alles Gute, das wir tun, können wir nur deswegen tun, weil es uns von Gott gegeben ist. Wir stehen nicht in einer Geschäftsbeziehung zu Gott, wie es etwa Sure 9,111 voraussetzt. Wann immer wir etwas Gutes tun, können wir nur sagen:
Wir sind unnütze Knechte; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan. (Lukas 17,10b)
Auch Paulus schrieb:
Und was hast du, das du nicht empfangen hättest? (1 Korinther 4,7b)
Wir haben nichts, was wir nicht zuvor von Gott erhalten hätten. Es kann daher auch nie etwas wie ein Guthaben bei Gott geben.
Wenn Paulus in Philipper 4,17 diese kaufmännische Sprache verwendete, wollte er damit nicht sagen, dass die Philipper durch ihre Gaben bei Gott einen besonderen Anspruch hatten. Aber er wollte ausdrücken, dass sie durch ihr Geben nicht nur Paulus geholfen haben, sondern auch sich selbst etwas erworben haben, nämlich eine Veränderung zum Guten oder eine Festigung im Guten. Im Geben haben sie auch empfangen.
So hat die freie Wiedergabe der „Neuen evangelistischen Übersetzung“ den Grundgedanken vielleicht ganz gut ausgedrückt: dass euer Geben euch selbst beschenkt.
Auch wenn Paulus an dieser Stelle sich in einer kaufmännischen Sprache ausgedrückt hat, so ist klar, dass die Beziehung zwischen Gott und einem Christen nicht eine wirtschaftliche Beziehung ist, sondern die eines Vaters zu seinem Kind.
Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen, den Geist, der ruft: Abba, Vater. (Galater 4,6)