Hat Jesus die Ungläubigen verflucht?

Verflucht wurden diejenigen von den Kindern Isrāʾīls, die ungläubig waren, durch den Mund Dāwūds und ʿĪsās, des Sohnes Maryams. Dies dafür, daß sie sich widersetzten und stets übertraten. (Sure 5,78)

Beim Lesen dieses Koranverses fiel mir kein Wort Jesu ein, an das der Autor des Korans gedacht haben könnte.

Mir fiel ein anderes Wort Jesu ein, in dem es um das Fluchen geht:

27 Euch aber, die ihr zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen! 28 Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch beschimpfen! (Lukas 6,27-28)

Sogar auf den Fluch der Feinde sollen die Jünger Jesus mit einem Segenswunsch reagieren. Das war auch die Botschaft des Apostels Paulus:

Segnet eure Verfolger; segnet sie, verflucht sie nicht! (Römer 12,14).

Sollte Jesus seine eigenen Worte missachtet haben?

Man könnte an den unfruchtbaren Feigenbaum denken, der auf die Worte Jesu hin verdorrt ist.

12 Als sie am nächsten Tag Betanien verließen, hatte er Hunger. 13 Da sah er von Weitem einen Feigenbaum mit Blättern und ging hin, um nach Früchten zu suchen. Aber er fand nichts als Blätter; denn es war nicht die Zeit der Feigenernte. 14 Da sagte er zu ihm: In Ewigkeit soll niemand mehr eine Frucht von dir essen. Und seine Jünger hörten es. […]
20 Als sie am nächsten Morgen an dem Feigenbaum vorbeikamen, sahen sie, dass er bis zu den Wurzeln verdorrt war. 21 Da erinnerte sich Petrus und sagte zu Jesus: Rabbi, sieh doch, der Feigenbaum, den du verflucht hast, ist verdorrt. 22 Jesus sagte zu ihnen: Habt Glauben an Gott! 23 Amen, ich sage euch: Wenn jemand zu diesem Berg sagt: Heb dich empor und stürz dich ins Meer! und wenn er in seinem Herzen nicht zweifelt, sondern glaubt, dass geschieht, was er sagt, dann wird es geschehen. 24 Darum sage ich euch: Alles, worum ihr betet und bittet – glaubt nur, dass ihr es schon erhalten habt, dann wird es euch zuteil. 25-26 Und wenn ihr beten wollt und ihr habt einem anderen etwas vorzuwerfen, dann vergebt ihm, damit auch euer Vater im Himmel euch eure Verfehlungen vergibt. (Markus 11,12-14.20-26)

Unter der Annahme, dass der Feigenbaum das ungläubige Volk Israel symbolisiert, könnte man diesen Text so verstehen, dass Jesus hier die Ungläubigen verflucht hat. Aber auch in diesem Text hat Jesus den Baum nicht verflucht, sondern nur angekündigt, dass er nie mehr Früchte tragen werde. Petrus hat das allerdings als Fluch interpretiert. Im Zusammenhang hat Jesus aber über die Macht des Glaubens und über das vertrauensvolle Gebet gesprochen. Auch die Vergebung als Voraussetzung für das Gebet wird angesprochen. Das passt so gar nicht zu einer Gesinnung des Fluches.

Wenn man den Feigenbaum als Symbol für das Volk Israel sieht, sollte man auch das Gleichnis aus Lukas 13 im Auge haben.

6 Und er erzählte ihnen dieses Gleichnis: Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt; und als er kam und nachsah, ob er Früchte trug, fand er keine. 7 Da sagte er zu seinem Winzer: Siehe, jetzt komme ich schon drei Jahre und sehe nach, ob dieser Feigenbaum Früchte trägt, und finde nichts. Hau ihn um! Was soll er weiter dem Boden seine Kraft nehmen? 8 Der Winzer erwiderte: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen. 9 Vielleicht trägt er in Zukunft Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen! (Lukas 13,6-9)

Es soll noch alles getan werden, um dem Feigenbaum zu Früchten zu verhelfen. Es ist nicht die Gesinnung des Verfluchens, sondern der Hilfestellung, die uns Jesus durch dieses Gleichnis zeigt.

Diese Gesinnung zeigt Jesus auch in seiner Rede gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten in Matthäus 23, in der er die Pharisäer mit harten Worten ermahnt. Diese Ermahnung geschah jedoch aus Liebe und dem Wunsch heraus, dass die verhärteten Herzen dieser Menschen doch noch zur Umkehr bewegt werden können. Am Ende dieser Rede sagt Jesus:

37 Jerusalem, Jerusalem, du tötest die Propheten und steinigst die Boten, die zu dir gesandt sind. Wie oft wollte ich deine Kinder sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt; aber ihr habt nicht gewollt. 38 Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen. (Matthäus 23,37-38)

Jesus verglich sich mit einer Henne, die ihre Küken unter ihre Flügel nimmt. Er wollte die Menschen aus ihren Sünden und aus ihrer frommen Verbohrtheit herausrufen, um sie mit Gott zu versöhnen. Aber sie haben nicht gewollt. Die in Vers 38 angesprochene Zerstörung des Tempels war eine Konsequenz dieser selbst gewählten Verstockung.

Jesus ist zur Rettung der Menschen gekommen.

Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. (Johannes 3,17)

Wer sich dieser Rettung verweigert, für den bleibt allerdings das Gericht.

Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des einzigen Sohnes Gottes geglaubt hat. (Johannes 3,18)

Da geht es nicht darum, dass Jesus diese Menschen verflucht hätte, sondern dass sie den Segen, den sie durch Jesus empfangen sollten, abgelehnt haben.

In diesem Sinn wird Jesus, wenn er als Richter kommen wird, die Verlorenen tatsächlich als Verfluchte ansprechen.

Dann wird er zu denen auf der Linken sagen: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist! (Matthäus 25,41)

Jesus wollte, dass die Menschen vor dem für den Teufel und seine Engel bestimmten Feuer gerettet würden. Er hat alles getan, um uns davor zu bewahren. Er hat sogar das Schicksal eines Verfluchten auf sich genommen, freilich, ohne selbst verflucht zu sein. Sein Wille für die Menschen war der Segen, nicht der Fluch, das Leben, nicht der Tod.

Wenn der Autor des Korans Jesus die Ungläubigen verfluchen ließ, legt sich die Annahme nahe, dass er seine eigene Gesinnung in Jesus hineingelegt hat. Er kannte Jesus und seine Liebe nicht und hat durch sein Werk auch verhindert, dass andere diese Liebe kennenlernen.

Denn die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten. (Titus 2,11)

Kommentare sind geschlossen.

Bloggen auf WordPress.com.

Nach oben ↑