41 Als er näher kam und die Stadt sah, weinte er über sie 42 und sagte: Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, was Frieden bringt. Jetzt aber ist es vor deinen Augen verborgen. 43 Denn es werden Tage über dich kommen, in denen deine Feinde rings um dich einen Wall aufwerfen, dich einschließen und von allen Seiten bedrängen. 44 Sie werden dich und deine Kinder zerschmettern und keinen Stein in dir auf dem andern lassen, weil du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkannt hast. (Lukas 19,41-44)
Als Jesus das letzte Mal in Jerusalem einzog, von seinen Jüngern als Messias begrüßt (Lukas 19,38), weinte er beim Blick auf die Stadt, die, als er sich ihr vom Ölberg kommend nahte, in aller ihrer Pracht vor ihm lag. Er weinte nicht deswegen, weil er wusste, dass das sein letzter Besuch Jerusalems sein würde und er in der Stadt eines qualvollen Todes sterben würde, sondern Jesus weinte im Blick auf das schreckliche Strafgericht, das über die Stadt kommen würde. Jesus schilderte die Zerstörung Jerusalems in den Versen 43 und 44.
Jesus war darüber tief erschüttert, weil er wusste, dass es auch ganz anders kommen können hätte.
Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, was Frieden bringt. (Vers 42)
[…] weil du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkannt hast. (Vers 44)
Jerusalem hätte erkennen können, hat es aber nicht getan. Das Wort „Heimsuchung“ (ἐπισκοπή / episkopē) hat in diesem Zusammenhang einen positiven Sinn. Gott hat in seinem Sohn Jesus das Volk Israel und die Stadt Jerusalem besucht. Er wollte sie zur Umkehr führen.
An einer anderen Stelle sagte Jesus:
Jerusalem, Jerusalem, du tötest die Propheten und steinigst die Boten, die zu dir gesandt sind. Wie oft wollte ich deine Kinder sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt; aber ihr habt nicht gewollt. (Lukas 13,34)
Jesus wollte sie sammeln. Aber sie haben nicht gewollt. Sie haben den guten Ratschluss Gottes für sich selbst verworfen.
Es ist eine Tragödie, wenn Menschen die Liebe Gottes zurückweisen und so ihr eigenes Gericht bewirken.
Die Zerstörung Jerusalems und des Tempels war nicht Gottes ewiger Ratschluss, sondern das Ergebnis der Ablehnung Gottes und seines Gesalbten, die nicht Gottes Wille war.
Als die Jünger beim Einzug in Jerusalem Jesus als den König, der im Namen des Herrn kam, priesen, wollten einige Pharisäer, dass Jesus seine Jünger deswegen zurechtweise.
Er erwiderte: Ich sage euch: Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien. (Lukas 19,40)
Weil die Jünger zum Schweigen gebracht wurden, haben die Steine bei der Zerstörung der Stadt „geschrien“.
Jesus hat das Unglück kommen sehen und war erschüttert über den Ungehorsam und die sich daraus ergebende Katastrophe. Seine Tränen waren echt und widerlegen die Lehre der Prädestination, die dem Menschen die ihm von Gott geschenkte Freiheit abspricht und ihn so seiner Würde beraubt.
Den Himmel und die Erde rufe ich heute als Zeugen gegen euch an. Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wähle also das Leben, damit du lebst, du und deine Nachkommen.
(Deuteronomium 30,19)