Lukas schreibt in der Apostelgeschichte über eine wunderbare Heilung, die Gott im Namen Jesu durch Petrus gewirkt hat:
1 Petrus und Johannes gingen zur Gebetszeit um die neunte Stunde in den Tempel hinauf. 2 Da wurde ein Mann herbeigetragen, der von Geburt an gelähmt war. Man setzte ihn täglich an das Tor des Tempels, das man die Schöne Pforte nennt; dort sollte er bei denen, die in den Tempel gingen, um Almosen betteln. 3 Als er nun Petrus und Johannes in den Tempel gehen sah, bat er sie um ein Almosen. 4 Petrus und Johannes blickten ihn an und Petrus sagte: Sieh uns an! 5 Da wandte er sich ihnen zu und erwartete, etwas von ihnen zu bekommen. 6 Petrus aber sagte: Silber und Gold besitze ich nicht. Doch was ich habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, steh auf und geh umher! 7 Und er fasste ihn an der rechten Hand und richtete ihn auf. Sogleich kam Kraft in seine Füße und Gelenke; 8 er sprang auf, konnte stehen und ging umher. Dann ging er mit ihnen in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott. 9 Alle Leute sahen ihn umhergehen und Gott loben. 10 Sie erkannten ihn als den, der gewöhnlich an der Schönen Pforte des Tempels saß und bettelte. Und sie waren voll Verwunderung und Staunen über das, was mit ihm geschehen war. 11 Da er sich Petrus und Johannes anschloss, lief das ganze Volk bei ihnen in der sogenannten Halle Salomos zusammen, außer sich vor Staunen. (Apostelgeschichte 3,1-11)
Dieser von Geburt an gelähmte Mann hatte gewiss ein bedauernswertes Schicksal. Damals gab es noch keine Rollstühle, keine behindertengerechte Bauweise … Er konnte keiner Arbeit nachgehen und war auf das Mitleid anderer Menschen angewiesen. Immerhin gab es Menschen, die ihn zum Tempel getragen haben. Er mag auch von seiner Familie oder Bekannten, die vermutlich auch nicht viel hatten, unterstützt worden sein. Das Betteln war sein „Beruf“, weil er keine andere Möglichkeit hatte, zu Geld zu kommen.
Von Petrus hat er viel mehr empfangen als einige Münzen. Durch die Heilung wurde er befähigt, nicht nur körperlich, sondern auch materiell auf eigenen Füßen zu stehen und nicht mehr auf das Betteln angewiesen zu sein. Ob er auch das größere Geschenk, den Glauben an Jesus, angenommen hat, steht nicht im Text. Dass er sich laut Vers 11 Petrus und Johannes anschloss1, könnte in diese Richtung weisen. Der Glaube, von dem Petrus in Vers 16 spricht, war wohl nicht der Glaube des Gelähmten, für den nach der Beschreibung der Verse 6 bis 8 die Heilung sehr überraschend kam, sondern der Glaube von Petrus.
Und aufgrund des Glaubens an seinen Namen hat dieser Name den Mann hier, den ihr seht und kennt, zu Kräften gebracht; der Glaube, der durch ihn kommt, hat ihm vor euer aller Augen die volle Gesundheit geschenkt.
Dass der Mann nach seiner Heilung Gott gelobt hat, zeigt auch, dass Gott eine Bedeutung in seinem Leben hatte.
Ich möchte das Augenmerk auf die ersten Worte, die Petrus zu dem Gelähmten sprach, richten. Petrus sagte:
Silber und Gold besitze ich nicht.
Als Petrus seinen Beruf als Fischer aufgegeben hat, um Jesus nachzufolgen, hat er seine materielle Absicherung hinter sich gelassen. Der Ruf Jesu war ihm wichtiger. Er hat erfahren, wie sich die Worte Jesu erfüllten:
29 Jesus antwortete: Amen, ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat, 30 wird das Hundertfache dafür empfangen. Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser und Brüder, Schwestern und Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben. (Markus 10,29-30)
In der Gemeinschaft mit Glaubensgeschwistern brauchte er sich keine materiellen Sorgen machen. Er hat aber auch keine Reichtümer gesammelt. Wenn er zu dem gelähmten Bettler sagte, dass er kein Silber und kein Gold habe, wollte er nicht sagen, dass er in der Situation kein Geld bei sich hatte, sondern dass er tatsächlich keinen materiellen Besitz hatte.
Durch diesen Verzicht auf irdischen Reichtum unterscheidet sich Petrus grundlegend von denen, die für sich in Anspruch nehmen, seine Nachfolger zu sein. Interessanterweise wurden Silber und Gold sogar zu den offiziellen Farben des Vatikans. Die kirchlichen Amtsträger haben durch das Ansammeln eines riesigen Reichtums nicht nur gegen die Worte Jesu gehandelt, sondern auch gegen das Beispiel Petri, den sie fälschlicherweise zum ersten Papst erklärt haben.
Wer Jesus nachfolgt, nimmt die Warnungen vor dem Reichtum und der irdischen Sorge ernst, so wie wir das z. B. bei Paulus lesen:
[…] diese Leute sind von der Wahrheit abgekommen und meinen, die Frömmigkeit sei ein Mittel, um irdischen Gewinn zu erzielen. 6 Die Frömmigkeit bringt in der Tat reichen Gewinn, wenn man genügsam ist. 7 Denn wir haben nichts in die Welt mitgebracht und wir können auch nichts aus ihr mitnehmen. 8 Wenn wir Nahrung und Kleidung haben, soll uns das genügen. 9 Die aber reich sein wollen, geraten in Versuchung und Verstrickung und in viele sinnlose und schädliche Begierden, welche die Menschen ins Verderben und in den Untergang stürzen. 10 Denn die Wurzel aller Übel ist die Habsucht. Nicht wenige, die ihr verfielen, sind vom Glauben abgeirrt und haben sich viele Qualen bereitet. (1 Timotheus 6,5b-10)
Nicht jeder ist dazu berufen, seinen Beruf aufzugeben, wo wie es Petrus getan hat. Doch jeder ist berufen, sein Leben Gott anzuvertrauen und nicht auf materiellen Besitz zu bauen. Gerade wer Gott durch eine bescheidene und zugleich dankbare Lebensführung dient, erfährt den reichen Gewinn der Frömmigkeit, der – anders als materieller Besitz – über den Tod hinaus bleibt.
19 Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen, 20 sondern sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe einbrechen und sie stehlen! 21 Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz. (Matthäus 6,19-21)
- Andere Übersetzungsmöglichkeit: Während er […] Petrus und Johannes festhielt. ↩