Judas, der „Freund“ Jesu?

47 Noch während er redete, siehe, da kam Judas, einer der Zwölf, mit einer großen Schar von Männern, die mit Schwertern und Knüppeln bewaffnet waren; sie waren von den Hohepriestern und den Ältesten des Volkes geschickt worden. 48 Der ihn auslieferte, hatte mit ihnen ein Zeichen vereinbart und gesagt: Der, den ich küssen werde, der ist es; nehmt ihn fest! 49 Sogleich ging er auf Jesus zu und sagte: Sei gegrüßt, Rabbi! Und er küsste ihn. 50 Jesus erwiderte ihm: Freund, dazu bist du gekommen? Da gingen sie auf Jesus zu, ergriffen ihn und nahmen ihn fest. (Matthäus 26,47-50)

Nur im Matthäusevangelium lesen wir, dass Jesus seinen Verräter vor seiner Verhaftung mit „Freund“ anredete. Was wollte Jesus damit ausdrücken? Für Jesus war klar, dass Judas kam, um ihn zu verraten, seinen Feinden auszuliefern. Trotzdem hatte Jesus auch seinem Verräter gegenüber bis zum Schluss eine freundliche Gesinnung, auch wenn er wusste, dass Judas sich schon für den Weg des Verderbens entschieden hatte.

Aber gewiss war Judas durch seinen Verrat kein Freund Jesu mehr. Trotzdem spricht Jesus ihn so an.

Leider ist es so, dass in der deutschen Übersetzung zwei unterschiedliche griechische Wörter mit demselben deutschen Wort „Freund“ übersetzt werden.

Meist steht für „Freund“ im Griechischen das Wort φίλος / phílos. Das dazugehörige Verb φιλέω / philéo bedeutet „lieben“. Mit dem Wort phílos ist oft nicht ein oberflächlicher Freund gemeint, sondern es geht um eine tiefere Verbundenheit. Jesus nennt seine Jünger so in Lukas 12,4 oder Lazarus in Johannes 11,11. Auch in den Gesprächen, die Jesus am Abend vor seiner Gefangennahme mit seinen Jüngern hatte, nannte er sie seine Freunde:

13 Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. 14 Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. 15 Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe. (Johannes 15,13-15)

In seinen Worten zu Judas redete er ihn aber nicht als phílos an, sondern als ἑταῖρος / hetairos. Dieses Wort meint eher den Gefährten und drückt nicht die Tiefe der Freundschaft aus.

Im Neuen Testament kommt dieses Wort insgesamt nur dreimal vor. Außer in Matthäus 26,50 steht dieses Wort noch in Matthäus 20,13:

Da erwiderte er einem von ihnen: Freund, dir geschieht kein Unrecht. Hast du nicht einen Denar mit mir vereinbart?

Außerdem in Matthäus 22,12:

Er sagte zu ihm: Freund, wie bist du hier ohne Hochzeitsgewand hereingekommen? Der aber blieb stumm.

In Matthäus 20 ist der Zusammenhang das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg. Der Gutsbesitzer sprach zu einem von denen, die den ganzen Tag im Weinberg gearbeitet hatten und sich beschwerten, dass sie nur den vereinbarten Lohn von einem Denar erhalten haben, dieselbe Summe wie die Arbeiter, die nur eine Stunde gearbeitet hatten.

In Matthäus 22 ist der Zusammenhang das Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl. Unter den Gästen fand sich ein Mann, der kein Hochzeitsgewand hatte. In Vers 12 lesen wir die Worte des Königs zu diesem unwürdigen Gast, der in die äußerste Finsternis hinausgeworfen wurde.

In beiden Fällen ist mit dem Wort hetairos keine tiefe Freundschaft gemeint. Im Gegenteil schwingt hier eine Distanzierung mit. Der mit hetairos angesprochene Arbeiter im Weinberg hatte die Güte des Gutsherrn auch denen gegenüber, die nur wenig gearbeitet hatten, aber trotzdem das Geld zum Leben brauchten, nicht verstanden. Der unwürdige Gast beim Hochzeitsmahl war auch kein Freund des Königs.

Im Falle von Judas könnte dieses Wort einfach nur meinen, dass Judas, der doch lange Zeit mit Jesus zusammen war, ein Gefährte war und dass Jesus ihn daran erinnern wollte. Doch der Wortgebrauch an den beiden anderen Stellen kann auch darauf hinweisen, dass Jesus eine Distanz ausdrücken wollte. Diese Distanz hatte ihren Ursprung aber nicht in Jesus, sondern in Judas.

Der mein Brot isst, hat seine Ferse gegen mich erhoben. (Johannes 13,18)

Jesus ist gekommen, um den Frieden mit Gott zu bringen. Gottes Feinde sollen seine Kinder werden. Dafür hat er sein Leben gegeben. Es liegt am Menschen, dieses Angebot des Friedens anzunehmen, auf Jesu Hingabe seines Lebens mit der Hingabe unseres Lebens zu antworten.

Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. (Römer 5,8)

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