Der „rechte Schächer“ – Kann man bis zum letzten Augenblick umkehren?

39 Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, verhöhnte ihn: Bist du denn nicht der Christus? Dann rette dich selbst und auch uns! 40 Der andere aber wies ihn zurecht und sagte: Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen. 41 Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. 42 Dann sagte er: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst! 43 Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein. (Lukas 23,39-43)

Das Beispiel des Verbrechers, der sich in seiner Todesstunde Jesus zuwandte, wird in religiösen Kreisen als Hinweis darauf verstanden, dass man sich bis zum letzten Augenblick seines Lebens noch zu Gott bekehren könne. Doch geht das wirklich? Ein langes Leben in Sünde verbringen und dann noch im letzten Augenblick das Steuer des Lebens herumzureißen, um das Ziel bei Gott zu erreichen?

Was können wir über diesen Mann wissen, der sich am Kreuz zu Jesus bekannt hat? Lukas nennt ihn einen κακοῦργος / kakourgos, einen Übeltäter. In Matthäus und Markus werden die beiden mit Jesus gekreuzigten Männer λῃστής / lēstēs genannt (Matthäus 27,38.44; Markus 15,27). Dieses Wort bedeutete „Räuber“, wird von Flavius Josephus aber auch auf die Zeloten angewandt. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass die beiden mit Jesus gekreuzigten Männer nicht gewöhnliche Räuber waren, sondern jüdische Freiheitskämpfer, die ihrem Volk durch den Kampf gegen die römische Besatzungsmacht dienen wollten. In Johannes 18,40 wird Barabbas, dessen Freilassung die Volksmenge forderte, ebenfalls als λῃστής bezeichnet. Diesen Zeloten ging es um die Freiheit ihres Volkes und zumindest in erster Linie nicht um Geld und Beute.

Wir dürfen uns diese Menschen nicht als alte Männer am Ende eines langen, gottlosen Lebens vorstellen. Es handelte sich um eher junge Menschen, die vom Ideal der Befreiung des Volkes Israel getrieben wurden. Sie waren bereit, für ihr Ideal zu kämpfen und zu sterben. Sie wollten auf ihre Weise Gott und seinem Volk dienen.

Ihr Problem war ihr falsches Verständnis des Reiches Gottes. Sie erstrebten ein politisches Königreich. Das geistliche Gottesreich, das Jesus verkündet hatte, war ihren Vorstellungen fremd. Darum hatte einer der beiden mit Jesus gekreuzigten Männer nur Spott und Verachtung für Jesus, den gescheiterten friedlichen Messias, übrig. Doch den anderen der beiden Männer führte die Begegnung mit Jesus zur Erkenntnis, dass sein eigener Weg der falsche war, und dass Jesus trotz seines scheinbaren Scheiterns der von Gott verheißene Messias war. Er erkannte, dass nicht der Weg der Gewalt und der Rebellion der Weg zum Reich Gottes ist, sondern der Weg der Demut und der Liebe, den Jesus bis zum Tode gegangen ist. Er erkannte, dass seine Werke zurecht den Tod verdienten, und verteidigte Jesus vor seinem Gefährten. Er setzte sein Vertrauen ganz in Jesus, den er um Hilfe bat. Er, der nichts mehr verlieren konnte, hat am Ende seines Lebens noch alles gewonnen.

Seine Hinwendung zu Jesus ist ein Vorbild geworden. Den Weg ins Paradies finden wir nur bei Jesus. Wenn wir uns von unseren Sünden abwenden und ihn um Hilfe bitten, führt er uns diesen Weg, den er uns durch seine Hingabe bereitet hat.

Wir wissen nicht, wie viel er bereits über Jesus wusste. Gewiss hatte er schon etwas über ihn gehört, ihn vielleicht auch schon gesehen. Doch nun, am Kreuz, wurde er direkt mit ihm konfrontiert und er hat diese Chance zur Umkehr genützt.

Der „rechte Schächer“ ist kein Beispiel dafür, dass man den Ruf Jesu bewusst ablehnt und die Umkehr auf das hohe Alter verschiebt, weil man vorher noch das Leben „genießen“ will.

Unsere Sünden haben Auswirkungen. Wenn wir die Sünde mehr lieben als Gott, unsere Umkehr verweigern, verhärten wir uns gegen Gott, sodass es im Laufe der Zeit immer schwerer wird, die Sünden abzulegen und uns Gott zuzuwenden.

Der Prophet Hosea sagte über seine Zeitgenossen:

Ihre Taten verhindern, dass sie umkehren zu ihrem Gott. Denn ein Geist der Unzucht steckt in ihnen, sodass sie den HERRN nicht erkennen. (Hosea 5,4)

Diese Warnung gilt auch heute. Der „Geist der Unzucht“, der Abwendung von Gott, wenn wir unsere eigenen Wünsche und Begierden mehr lieben als Gott, verhindert die Umkehr.

Darum beherzigt, was der Heilige Geist sagt: Heute, wenn ihr seine Stimme hört,
verhärtet nicht eure Herzen … (Hebräer 3,7-8a)

Heute, nicht irgendwann in der Zukunft …

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